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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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gestalt in der Form des menschlichen Leibes zurechtlegte, die beiden Händchen
über die Brust gekreuzt. Um vier Uhr Abends fingen sie an zu beten, vollendeten
den Psalter und sieh! Das Mut bekam wieder kalte Schweißtropfen, das
vorige Aas(!) bekam eine menschliche Gestalt. Allmählig sah man auf der
rechten Wange unter dem Auge und neben dem Munde schwarzrothe Flecken,
welche sich langsam über die Nase und linke Seite und über den Mund aus¬
dehnten und das ganze Gesicht gestaltiger machten. Die Nase und das Kinn
wurden weißröthlich, die Wangen immer voller und röther, das linke Auge
that sich etwas aus, der ganz verzogene Mund wurde regelrecht gebildet und
so geöffnet, daß die rothe Zunge herausschaute. Die beiden Händchen wurden
ganz weiß, mit leichtem Roth überzogen, und das Gesicht bekam einen schönen
weißrothen Ausdruck. Sieben Personen waren gleichzeitig Augenzeugen und,
schauten mit Bewunderung das wahrhaft schöne Kindsgesichtchen an. Dieß-
mal vergaßen sie vor lauter freudiger Verwirrung einen Priester zu rufen,
und ersuchten den gerade gegenwärtigen Meßner und Todtengräber das Kind
zu taufen. Erst nach der Taufe fiel es ihnen ein, den Herrn Curaten zu
rufen', welcher also gleich kam, die Lebenszeichen erkannte, aber die Taufe
wegen der bereits schon vorgenommenen unterließ, hingegen für den folgenden
Tag (19. Jänner) das kirchliche Begräbniß und ein heiliges Engelsamt zu¬
sagte. Die Lebenszeichen wurden nach der Nothtaufe immer noch schöner,
sodaß die Gesichtsrüthe fast leuchtend wurde und eine Lippe einiges farbiges
Blut von sich gab. Erst allmählig verschwanden diese Lebenszeichen wieder,
doch so, daß das Kind nicht mehr mißgestaltet wurde, die Weiche des Leibes
nie verlor und gar nie trotz des viertägiger Grabes einen Fäulnißgeruch aus¬
dünstete. Gelobt sei in alle Ewigkeit der allgütige, allmächtige Gott und unsre
liebenswürdige hülfreiche Mutter Maria."

Man sieht hier wieder einmal, daß die Gottesmutter der Jesuiten min¬
destens ebenso große Wunder leistet als ihr Sohn; denn Bethanien und Riffian
stehen neben einander wie das kleinere neben ^dem größeren Mirakel. Der
beharrliche Eifer der Pilgerinnen aber, welche die heilige Jungfrau durch ihr
anhaltendes Beten in aller Form so lange drangsalirten, bis sie ihren Wunsch
erhörte, wird nur von den wunderthätigen Betern der indischen Sage über¬
troffen. Haben sie mit ihrer Inbrunst verrichtet, was Pater Klotzner von
ihnen erzählt, so werden wir nicht zweifeln, wenn uns von ihnen einmal
mitgetheilt wird, sie hätten ein Meerschweinchen in einen Paradiesvogel un¬
gebetet. Niemals aber würden wir ihnen Glauben schenken, wenn sie uns
weiß machen wollten, in den Kopf besagten Paters Verstand und in die Seele
des Jesuiten, der das Wunder abdrückt, die Liebe zur Wahrheit hineingebetet zu
haben.

In ähnlicher Weise fährt aber das von uns citirte Jesuitenblatt bogen-


gestalt in der Form des menschlichen Leibes zurechtlegte, die beiden Händchen
über die Brust gekreuzt. Um vier Uhr Abends fingen sie an zu beten, vollendeten
den Psalter und sieh! Das Mut bekam wieder kalte Schweißtropfen, das
vorige Aas(!) bekam eine menschliche Gestalt. Allmählig sah man auf der
rechten Wange unter dem Auge und neben dem Munde schwarzrothe Flecken,
welche sich langsam über die Nase und linke Seite und über den Mund aus¬
dehnten und das ganze Gesicht gestaltiger machten. Die Nase und das Kinn
wurden weißröthlich, die Wangen immer voller und röther, das linke Auge
that sich etwas aus, der ganz verzogene Mund wurde regelrecht gebildet und
so geöffnet, daß die rothe Zunge herausschaute. Die beiden Händchen wurden
ganz weiß, mit leichtem Roth überzogen, und das Gesicht bekam einen schönen
weißrothen Ausdruck. Sieben Personen waren gleichzeitig Augenzeugen und,
schauten mit Bewunderung das wahrhaft schöne Kindsgesichtchen an. Dieß-
mal vergaßen sie vor lauter freudiger Verwirrung einen Priester zu rufen,
und ersuchten den gerade gegenwärtigen Meßner und Todtengräber das Kind
zu taufen. Erst nach der Taufe fiel es ihnen ein, den Herrn Curaten zu
rufen', welcher also gleich kam, die Lebenszeichen erkannte, aber die Taufe
wegen der bereits schon vorgenommenen unterließ, hingegen für den folgenden
Tag (19. Jänner) das kirchliche Begräbniß und ein heiliges Engelsamt zu¬
sagte. Die Lebenszeichen wurden nach der Nothtaufe immer noch schöner,
sodaß die Gesichtsrüthe fast leuchtend wurde und eine Lippe einiges farbiges
Blut von sich gab. Erst allmählig verschwanden diese Lebenszeichen wieder,
doch so, daß das Kind nicht mehr mißgestaltet wurde, die Weiche des Leibes
nie verlor und gar nie trotz des viertägiger Grabes einen Fäulnißgeruch aus¬
dünstete. Gelobt sei in alle Ewigkeit der allgütige, allmächtige Gott und unsre
liebenswürdige hülfreiche Mutter Maria."

Man sieht hier wieder einmal, daß die Gottesmutter der Jesuiten min¬
destens ebenso große Wunder leistet als ihr Sohn; denn Bethanien und Riffian
stehen neben einander wie das kleinere neben ^dem größeren Mirakel. Der
beharrliche Eifer der Pilgerinnen aber, welche die heilige Jungfrau durch ihr
anhaltendes Beten in aller Form so lange drangsalirten, bis sie ihren Wunsch
erhörte, wird nur von den wunderthätigen Betern der indischen Sage über¬
troffen. Haben sie mit ihrer Inbrunst verrichtet, was Pater Klotzner von
ihnen erzählt, so werden wir nicht zweifeln, wenn uns von ihnen einmal
mitgetheilt wird, sie hätten ein Meerschweinchen in einen Paradiesvogel un¬
gebetet. Niemals aber würden wir ihnen Glauben schenken, wenn sie uns
weiß machen wollten, in den Kopf besagten Paters Verstand und in die Seele
des Jesuiten, der das Wunder abdrückt, die Liebe zur Wahrheit hineingebetet zu
haben.

In ähnlicher Weise fährt aber das von uns citirte Jesuitenblatt bogen-


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[0179] gestalt in der Form des menschlichen Leibes zurechtlegte, die beiden Händchen über die Brust gekreuzt. Um vier Uhr Abends fingen sie an zu beten, vollendeten den Psalter und sieh! Das Mut bekam wieder kalte Schweißtropfen, das vorige Aas(!) bekam eine menschliche Gestalt. Allmählig sah man auf der rechten Wange unter dem Auge und neben dem Munde schwarzrothe Flecken, welche sich langsam über die Nase und linke Seite und über den Mund aus¬ dehnten und das ganze Gesicht gestaltiger machten. Die Nase und das Kinn wurden weißröthlich, die Wangen immer voller und röther, das linke Auge that sich etwas aus, der ganz verzogene Mund wurde regelrecht gebildet und so geöffnet, daß die rothe Zunge herausschaute. Die beiden Händchen wurden ganz weiß, mit leichtem Roth überzogen, und das Gesicht bekam einen schönen weißrothen Ausdruck. Sieben Personen waren gleichzeitig Augenzeugen und, schauten mit Bewunderung das wahrhaft schöne Kindsgesichtchen an. Dieß- mal vergaßen sie vor lauter freudiger Verwirrung einen Priester zu rufen, und ersuchten den gerade gegenwärtigen Meßner und Todtengräber das Kind zu taufen. Erst nach der Taufe fiel es ihnen ein, den Herrn Curaten zu rufen', welcher also gleich kam, die Lebenszeichen erkannte, aber die Taufe wegen der bereits schon vorgenommenen unterließ, hingegen für den folgenden Tag (19. Jänner) das kirchliche Begräbniß und ein heiliges Engelsamt zu¬ sagte. Die Lebenszeichen wurden nach der Nothtaufe immer noch schöner, sodaß die Gesichtsrüthe fast leuchtend wurde und eine Lippe einiges farbiges Blut von sich gab. Erst allmählig verschwanden diese Lebenszeichen wieder, doch so, daß das Kind nicht mehr mißgestaltet wurde, die Weiche des Leibes nie verlor und gar nie trotz des viertägiger Grabes einen Fäulnißgeruch aus¬ dünstete. Gelobt sei in alle Ewigkeit der allgütige, allmächtige Gott und unsre liebenswürdige hülfreiche Mutter Maria." Man sieht hier wieder einmal, daß die Gottesmutter der Jesuiten min¬ destens ebenso große Wunder leistet als ihr Sohn; denn Bethanien und Riffian stehen neben einander wie das kleinere neben ^dem größeren Mirakel. Der beharrliche Eifer der Pilgerinnen aber, welche die heilige Jungfrau durch ihr anhaltendes Beten in aller Form so lange drangsalirten, bis sie ihren Wunsch erhörte, wird nur von den wunderthätigen Betern der indischen Sage über¬ troffen. Haben sie mit ihrer Inbrunst verrichtet, was Pater Klotzner von ihnen erzählt, so werden wir nicht zweifeln, wenn uns von ihnen einmal mitgetheilt wird, sie hätten ein Meerschweinchen in einen Paradiesvogel un¬ gebetet. Niemals aber würden wir ihnen Glauben schenken, wenn sie uns weiß machen wollten, in den Kopf besagten Paters Verstand und in die Seele des Jesuiten, der das Wunder abdrückt, die Liebe zur Wahrheit hineingebetet zu haben. In ähnlicher Weise fährt aber das von uns citirte Jesuitenblatt bogen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/179>, abgerufen am 25.08.2024.