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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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daher mit ganz kurzen Umrissen begnügen, wenn wir hervor heben, daß vom
Borkenhäuschen aus die Erweiterung der Anlage bis Oberweimar hin in den
Jahren 1776--179? mit wahrhaft großartigen Mitteln für ein Herzogthum
geschaffen wurde. Das jetzige Tempelherrnhaus hat bis in das zweite Decen-
nium dieses Jahrhunderts die verschiedensten Umwandlungen erfahren und
seine Verbindung mit dem ebenfalls im Innern im gothischen Stile gehaltenen
Borkenhäuschen, dessen ganze Umgebung sich diesem Geschmacke anschloß, hat
man leider zu früh, nach Carl Augusts Tode nicht mehr verstanden, weil die
Landschaftsgärtnerei auf schönere Bahnen geleitet worden ist, auf denen man
aber doch das Gepräge unserer klassischen Schöpfungen geopfert hat. Epoche¬
machend war die Gründung des römischen Hauses, dessen Grund ehemals von
steinigen Aeckern und Wiesen umgeben war und seit dem Falle des alten
Schneckengebäudes (1808) an Stelle der jetzigen Kinderrondels ist nur Weniges
mehr, was im obern Park noch aus der klassischen Zeit zu uns redet, höchstens
die wenigen Taruöbäume am Aleranderplatz und die sogenannte Seufzerallee.
Ebenso bedeutende Veränderungen erlitt der untere Park, der lange an ver¬
schiedenen Stellen durch drei Fähren mit dem oberen verbunden war. Weiter
nach Norden war der schöne Nothäuser Garten gepflegt, wo das Denkmal
der Euphrosyne und den sogenannten Säulen prangte, die dann leider zu
früh vom Winde umgestürzt, kaum eine Spur ihrer romantischen Lage zurück¬
gelassen haben.

Was durch den Park geschaffen war, stach, wie ein Besucher und gründ¬
licher Kenner Weimars im Jahre 1800 sagte, freilich stark gegen Weimar
selbst ab, und wenn auch nur die Schöpfung des Parks für das ehrwürdige
Andenken Carl Augusts und Goethe's übrig geblieben wäre, so hätten wir
Grund genug. uns dankbaren Sinnes in jene großen Tage zurückzuversetzen,
die im Aeußern Weimar zu dem gestalteten, was es heute ist.

Es ergiebt sich von selbst, daß von diesen in den Vordergrund gestellten
Aeußerlichkeiten wir auf das Leben in der Stadt selbst übergehen; zunächst
ohne Rücksicht auf das Culturleben des Einzelnen oder der einzelnen Stände.
Wie lange vor unserer Periode war das Pulsiren des Lebens von der Thor¬
sperreordnung abhängig, welche bis l8ik sich in ihrer, vollen Macht
zeigte. Behaupteten wir früher gegen die geläufige Auffassung, daß Wissens¬
trieb des Hofes nicht der Träger dieser Thorordnung war. so finden wir die
Bestätigung des Gesagten in der Aufrechterhaltung dieses Gesetzes, dem alle
Handeltreibende, wie der unschuldige Spaziergänger sich wegen des Steuer-
und Paßwesens unterordnen mußten. Bon 1808 an bewegte man sich freier,
weil man auf Sperrgeld wenigstens abonniren konnte. Daß man den Verkehr
nicht frei gab, lag in der Armuth der städtischen Verwaltung, die lieber die
Bevölkerung knechtete, als die Einnahme von jährlich 300 Thaler aufgab.


daher mit ganz kurzen Umrissen begnügen, wenn wir hervor heben, daß vom
Borkenhäuschen aus die Erweiterung der Anlage bis Oberweimar hin in den
Jahren 1776—179? mit wahrhaft großartigen Mitteln für ein Herzogthum
geschaffen wurde. Das jetzige Tempelherrnhaus hat bis in das zweite Decen-
nium dieses Jahrhunderts die verschiedensten Umwandlungen erfahren und
seine Verbindung mit dem ebenfalls im Innern im gothischen Stile gehaltenen
Borkenhäuschen, dessen ganze Umgebung sich diesem Geschmacke anschloß, hat
man leider zu früh, nach Carl Augusts Tode nicht mehr verstanden, weil die
Landschaftsgärtnerei auf schönere Bahnen geleitet worden ist, auf denen man
aber doch das Gepräge unserer klassischen Schöpfungen geopfert hat. Epoche¬
machend war die Gründung des römischen Hauses, dessen Grund ehemals von
steinigen Aeckern und Wiesen umgeben war und seit dem Falle des alten
Schneckengebäudes (1808) an Stelle der jetzigen Kinderrondels ist nur Weniges
mehr, was im obern Park noch aus der klassischen Zeit zu uns redet, höchstens
die wenigen Taruöbäume am Aleranderplatz und die sogenannte Seufzerallee.
Ebenso bedeutende Veränderungen erlitt der untere Park, der lange an ver¬
schiedenen Stellen durch drei Fähren mit dem oberen verbunden war. Weiter
nach Norden war der schöne Nothäuser Garten gepflegt, wo das Denkmal
der Euphrosyne und den sogenannten Säulen prangte, die dann leider zu
früh vom Winde umgestürzt, kaum eine Spur ihrer romantischen Lage zurück¬
gelassen haben.

Was durch den Park geschaffen war, stach, wie ein Besucher und gründ¬
licher Kenner Weimars im Jahre 1800 sagte, freilich stark gegen Weimar
selbst ab, und wenn auch nur die Schöpfung des Parks für das ehrwürdige
Andenken Carl Augusts und Goethe's übrig geblieben wäre, so hätten wir
Grund genug. uns dankbaren Sinnes in jene großen Tage zurückzuversetzen,
die im Aeußern Weimar zu dem gestalteten, was es heute ist.

Es ergiebt sich von selbst, daß von diesen in den Vordergrund gestellten
Aeußerlichkeiten wir auf das Leben in der Stadt selbst übergehen; zunächst
ohne Rücksicht auf das Culturleben des Einzelnen oder der einzelnen Stände.
Wie lange vor unserer Periode war das Pulsiren des Lebens von der Thor¬
sperreordnung abhängig, welche bis l8ik sich in ihrer, vollen Macht
zeigte. Behaupteten wir früher gegen die geläufige Auffassung, daß Wissens¬
trieb des Hofes nicht der Träger dieser Thorordnung war. so finden wir die
Bestätigung des Gesagten in der Aufrechterhaltung dieses Gesetzes, dem alle
Handeltreibende, wie der unschuldige Spaziergänger sich wegen des Steuer-
und Paßwesens unterordnen mußten. Bon 1808 an bewegte man sich freier,
weil man auf Sperrgeld wenigstens abonniren konnte. Daß man den Verkehr
nicht frei gab, lag in der Armuth der städtischen Verwaltung, die lieber die
Bevölkerung knechtete, als die Einnahme von jährlich 300 Thaler aufgab.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/16>, abgerufen am 22.07.2024.