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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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heute und dem Schlüsse der bayerischen Kammer aufzuweisen hat, muß man
unbedingt den Eindruck und die Wirkung bezeichnen, welche die Neichstags-
beschlüsse auf Bayern übten, obgleich die Thatsachen derselben auch nicht un¬
mittelbar auf bayerischem Gebiete standen.

Was die persönliche Theilnahme der bayerischen Deputirten an den Be¬
rathungen anlangt, so gebührt denselben schon hiefür der wärmste Dank. Es
war kein geringes Opfer nach einer fast viermonatlicher Landtagssession, die
von den schwersten principiellen Fragen erfüllt war und durch wiederholte
Verlängerung noch ermüdender wurde, sofort auf dem Platze zu erscheinen und
in Berlin eine neue Arbeit von Monaten anzutreten. Die klerikalen Depu¬
tirten machten sich die Mühe leicht, von den 18 Sitzen, welche sie inne hatten,
waren lange Zeit fast nur diejenigen besetzt, deren Vertreter nicht zugleich im
Landtag gesessen waren; die nationale Partei dagegen, die 30 Stimmen im
Reichstag zählt und bei der die genannte Doppelstellung viel häufiger ist, ver¬
mißte nur acht ihrer Mitglieder. Auch von diesen war die Mehrzahl nur
unfreiwillig ferngeblieben.

Wie thätig und einflußreich sich die Erschienenen an der parlamentarischen
Arbeit betheiligten, steht noch zu frisch in der Erinnerung, als daß wir es
hier wiederholen dürften. Die Namen sprechen für sich selber und nur vor¬
übergehend wollen wir daran erinnern, daß Marquardsen es war, dessen
Amendement die Stimmen in der ersten Jesuitendebatte concentrirte, daß
Fischer's Rede in derselben Frage den Ausschlag gab und daß der Name
Volks (in dem Antrag auf Civilehe :c.) seine alte Bedeutung aufrecht hielt.
Ebenso waren es in der populären Frage der deutschen Rechtseinheit die
Bayern, die sich mit aller Energie der Sache annahmen und auch bei anderer
Gelegenheit blieb man der großen nationalen Pflicht nichts schuldig.

Im Volke ist es nicht übersehen worden, welcher Unterschied in dieser
Hinsicht zwischen den klerikalen und den deutschgesinnten Deputirten bestand!
Wie nichtssagend und untergeordnet war die Rolle der ersteren. Ueberall wo
das klerikale Element überhaupt zur Geltung kam, waren es ausschließlich die
norddeutschen Parteigenossen und allenfalls der protestantische Jesuit Herr Probst
die sich vernehmen ließen, die Aufgabe der bayerischen schien niemals vor der
Abstimmung zu beginnen. Daß sie zu diesem Ende bis auf den letzten Mann
erschienen waren, als man das Jesuitengesetz votirte, ist allerdings ein Verdienst,
nur überlassen wir es anderen, dasselbe hervorzuheben und zu würdigen.

Dies Verhalten der Reichsboten verfehlte, wie schon erwähnt, seine
Wirkung im Lande nicht, aber schwerer fielen natürlich die positiven Errungen¬
schaften ins Gewicht, die man in Berlin gewann. Ihre Tragweite wird vor
Allem für die bayerische Regierung fühlbar werden, deren Politik in der kirch¬
lichen Frage dadurch noch entschiedener vorgezeichnet ist.


heute und dem Schlüsse der bayerischen Kammer aufzuweisen hat, muß man
unbedingt den Eindruck und die Wirkung bezeichnen, welche die Neichstags-
beschlüsse auf Bayern übten, obgleich die Thatsachen derselben auch nicht un¬
mittelbar auf bayerischem Gebiete standen.

Was die persönliche Theilnahme der bayerischen Deputirten an den Be¬
rathungen anlangt, so gebührt denselben schon hiefür der wärmste Dank. Es
war kein geringes Opfer nach einer fast viermonatlicher Landtagssession, die
von den schwersten principiellen Fragen erfüllt war und durch wiederholte
Verlängerung noch ermüdender wurde, sofort auf dem Platze zu erscheinen und
in Berlin eine neue Arbeit von Monaten anzutreten. Die klerikalen Depu¬
tirten machten sich die Mühe leicht, von den 18 Sitzen, welche sie inne hatten,
waren lange Zeit fast nur diejenigen besetzt, deren Vertreter nicht zugleich im
Landtag gesessen waren; die nationale Partei dagegen, die 30 Stimmen im
Reichstag zählt und bei der die genannte Doppelstellung viel häufiger ist, ver¬
mißte nur acht ihrer Mitglieder. Auch von diesen war die Mehrzahl nur
unfreiwillig ferngeblieben.

Wie thätig und einflußreich sich die Erschienenen an der parlamentarischen
Arbeit betheiligten, steht noch zu frisch in der Erinnerung, als daß wir es
hier wiederholen dürften. Die Namen sprechen für sich selber und nur vor¬
übergehend wollen wir daran erinnern, daß Marquardsen es war, dessen
Amendement die Stimmen in der ersten Jesuitendebatte concentrirte, daß
Fischer's Rede in derselben Frage den Ausschlag gab und daß der Name
Volks (in dem Antrag auf Civilehe :c.) seine alte Bedeutung aufrecht hielt.
Ebenso waren es in der populären Frage der deutschen Rechtseinheit die
Bayern, die sich mit aller Energie der Sache annahmen und auch bei anderer
Gelegenheit blieb man der großen nationalen Pflicht nichts schuldig.

Im Volke ist es nicht übersehen worden, welcher Unterschied in dieser
Hinsicht zwischen den klerikalen und den deutschgesinnten Deputirten bestand!
Wie nichtssagend und untergeordnet war die Rolle der ersteren. Ueberall wo
das klerikale Element überhaupt zur Geltung kam, waren es ausschließlich die
norddeutschen Parteigenossen und allenfalls der protestantische Jesuit Herr Probst
die sich vernehmen ließen, die Aufgabe der bayerischen schien niemals vor der
Abstimmung zu beginnen. Daß sie zu diesem Ende bis auf den letzten Mann
erschienen waren, als man das Jesuitengesetz votirte, ist allerdings ein Verdienst,
nur überlassen wir es anderen, dasselbe hervorzuheben und zu würdigen.

Dies Verhalten der Reichsboten verfehlte, wie schon erwähnt, seine
Wirkung im Lande nicht, aber schwerer fielen natürlich die positiven Errungen¬
schaften ins Gewicht, die man in Berlin gewann. Ihre Tragweite wird vor
Allem für die bayerische Regierung fühlbar werden, deren Politik in der kirch¬
lichen Frage dadurch noch entschiedener vorgezeichnet ist.


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[0157] heute und dem Schlüsse der bayerischen Kammer aufzuweisen hat, muß man unbedingt den Eindruck und die Wirkung bezeichnen, welche die Neichstags- beschlüsse auf Bayern übten, obgleich die Thatsachen derselben auch nicht un¬ mittelbar auf bayerischem Gebiete standen. Was die persönliche Theilnahme der bayerischen Deputirten an den Be¬ rathungen anlangt, so gebührt denselben schon hiefür der wärmste Dank. Es war kein geringes Opfer nach einer fast viermonatlicher Landtagssession, die von den schwersten principiellen Fragen erfüllt war und durch wiederholte Verlängerung noch ermüdender wurde, sofort auf dem Platze zu erscheinen und in Berlin eine neue Arbeit von Monaten anzutreten. Die klerikalen Depu¬ tirten machten sich die Mühe leicht, von den 18 Sitzen, welche sie inne hatten, waren lange Zeit fast nur diejenigen besetzt, deren Vertreter nicht zugleich im Landtag gesessen waren; die nationale Partei dagegen, die 30 Stimmen im Reichstag zählt und bei der die genannte Doppelstellung viel häufiger ist, ver¬ mißte nur acht ihrer Mitglieder. Auch von diesen war die Mehrzahl nur unfreiwillig ferngeblieben. Wie thätig und einflußreich sich die Erschienenen an der parlamentarischen Arbeit betheiligten, steht noch zu frisch in der Erinnerung, als daß wir es hier wiederholen dürften. Die Namen sprechen für sich selber und nur vor¬ übergehend wollen wir daran erinnern, daß Marquardsen es war, dessen Amendement die Stimmen in der ersten Jesuitendebatte concentrirte, daß Fischer's Rede in derselben Frage den Ausschlag gab und daß der Name Volks (in dem Antrag auf Civilehe :c.) seine alte Bedeutung aufrecht hielt. Ebenso waren es in der populären Frage der deutschen Rechtseinheit die Bayern, die sich mit aller Energie der Sache annahmen und auch bei anderer Gelegenheit blieb man der großen nationalen Pflicht nichts schuldig. Im Volke ist es nicht übersehen worden, welcher Unterschied in dieser Hinsicht zwischen den klerikalen und den deutschgesinnten Deputirten bestand! Wie nichtssagend und untergeordnet war die Rolle der ersteren. Ueberall wo das klerikale Element überhaupt zur Geltung kam, waren es ausschließlich die norddeutschen Parteigenossen und allenfalls der protestantische Jesuit Herr Probst die sich vernehmen ließen, die Aufgabe der bayerischen schien niemals vor der Abstimmung zu beginnen. Daß sie zu diesem Ende bis auf den letzten Mann erschienen waren, als man das Jesuitengesetz votirte, ist allerdings ein Verdienst, nur überlassen wir es anderen, dasselbe hervorzuheben und zu würdigen. Dies Verhalten der Reichsboten verfehlte, wie schon erwähnt, seine Wirkung im Lande nicht, aber schwerer fielen natürlich die positiven Errungen¬ schaften ins Gewicht, die man in Berlin gewann. Ihre Tragweite wird vor Allem für die bayerische Regierung fühlbar werden, deren Politik in der kirch¬ lichen Frage dadurch noch entschiedener vorgezeichnet ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/157>, abgerufen am 22.07.2024.