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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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dessen politischer Standpunkt in der Mitte liegt, wird eben nur dann auf festem
Boden stehen, wenn seine persönliche Begabung und die hohe Integrität seines
Charakters, wie'sie gerade bei Hegnenberg bestand, ihm Autorität verleihen. Ader
eben solche Erscheinungen sind aus der regulären Beamtenhierarchie am wenigsten
leicht zu entnehmen und darum ist die Verlegenheit der Regierung noch heut
ziemlich fühlbar.

Den greifbaren Ausdruck für diese problematische Situation bildeten die
zahlreichen Conjecturen, die im Publicum eursirten und die erst durch ein
officiöses Dementi zum Schweigen gebracht wurden. Man nannte Graf
Tauffkirchen (den bayerischen Gesandten in Rom) und Freiherrn von Leonrod,
den Vorstand des hiesigen Stadtgerichts; Fürst Hohenlohe kam eigentlich nur
wunschweise in Rede und die Mehrzahl blieb immer noch bei der Meinung
stehen, als sei Herr von Lutz der natürliche Premierminister der Zukunft,
auch wenn er nicht dem Erforderniß einer vornehmen Abkunft genügt, auf
die man in den diplomatischen Kreisen des äußeren Ministeriums viel Werth
legt. All diesen Erörterungen benahm indessen wie gesagt die officiöse Nach¬
richt den Boden,, daß man die Neubesetzung des fraglichen Portefeuilles keines¬
wegs übereilen, sondern damit zuwarten wolle bis die persönliche Rückkehr
sämmtlicher Minister die Garantien gebe, eine solidarische und allseitig ge¬
billigte Wahl zu treffen. Ob dieß geschehen ist, bis die vorliegenden Zeilen
dem Drucke übergeben sind, möchten wir leider bezweifeln, wenn nicht eine plötz¬
liche rasche Schwenkung eintritt. Wie enge indessen die Wahl ist. mag man
daraus abnehmen, daß selbst Graf Bray wiederholt in Frage kam.

Eine Angelegenheit, die gleichfalls vielen Staub auswarf, war die Er¬
nennung von zwei infallibilistischen Professoren an der Münchner Universität.
Auch hier ist zur Sache selbst bereits so viel gesprochen worden, daß wir uns
auf einige kurze Bemerkungen beschränken dürfen. Was man that, geschah
bekanntlich zur Ausführung eines Wunsches, den die Kammern beschlossen und
den der Landtagsabschied genehmigt hatte; unerwartet war dabei nur der
energische Widerstand, der vom akademischen Senat geleistet wurde. Als un¬
klug muß jedenfalls bezeichnet werden, daß die fragliche Ernennung gerade vor
dem Jubiläumsfest erfolgte und somit die Stimmung zur Unzeit verbitterte,
sowie daß von ministerieller Seite die Vorenthaltung der bewilligten Festgelder
angedroht ward, um auf den Senat Pression zu üben, obwohl beide Angelegen¬
heiten unter sich nichts gemein haben. Der Friede ist zwar jetzt wieder hergestellt,
ja man hatte sogar Professor Friedrich gleichzeitig zum Ordinarius ernannt, um
ein Aequivalent zu bieten, aber daß doch immer ein Mißton übrigbleibt ist
leider nicht zu verkennen. Die Angelegenheit, die wir nur ungern erwähnen,
hat einige Wochen lang die öffentliche Meinung fast ausschließlich beschäftigt.

Als das bedeutendste politische Factum indessen, welches die Zeit zwischen


dessen politischer Standpunkt in der Mitte liegt, wird eben nur dann auf festem
Boden stehen, wenn seine persönliche Begabung und die hohe Integrität seines
Charakters, wie'sie gerade bei Hegnenberg bestand, ihm Autorität verleihen. Ader
eben solche Erscheinungen sind aus der regulären Beamtenhierarchie am wenigsten
leicht zu entnehmen und darum ist die Verlegenheit der Regierung noch heut
ziemlich fühlbar.

Den greifbaren Ausdruck für diese problematische Situation bildeten die
zahlreichen Conjecturen, die im Publicum eursirten und die erst durch ein
officiöses Dementi zum Schweigen gebracht wurden. Man nannte Graf
Tauffkirchen (den bayerischen Gesandten in Rom) und Freiherrn von Leonrod,
den Vorstand des hiesigen Stadtgerichts; Fürst Hohenlohe kam eigentlich nur
wunschweise in Rede und die Mehrzahl blieb immer noch bei der Meinung
stehen, als sei Herr von Lutz der natürliche Premierminister der Zukunft,
auch wenn er nicht dem Erforderniß einer vornehmen Abkunft genügt, auf
die man in den diplomatischen Kreisen des äußeren Ministeriums viel Werth
legt. All diesen Erörterungen benahm indessen wie gesagt die officiöse Nach¬
richt den Boden,, daß man die Neubesetzung des fraglichen Portefeuilles keines¬
wegs übereilen, sondern damit zuwarten wolle bis die persönliche Rückkehr
sämmtlicher Minister die Garantien gebe, eine solidarische und allseitig ge¬
billigte Wahl zu treffen. Ob dieß geschehen ist, bis die vorliegenden Zeilen
dem Drucke übergeben sind, möchten wir leider bezweifeln, wenn nicht eine plötz¬
liche rasche Schwenkung eintritt. Wie enge indessen die Wahl ist. mag man
daraus abnehmen, daß selbst Graf Bray wiederholt in Frage kam.

Eine Angelegenheit, die gleichfalls vielen Staub auswarf, war die Er¬
nennung von zwei infallibilistischen Professoren an der Münchner Universität.
Auch hier ist zur Sache selbst bereits so viel gesprochen worden, daß wir uns
auf einige kurze Bemerkungen beschränken dürfen. Was man that, geschah
bekanntlich zur Ausführung eines Wunsches, den die Kammern beschlossen und
den der Landtagsabschied genehmigt hatte; unerwartet war dabei nur der
energische Widerstand, der vom akademischen Senat geleistet wurde. Als un¬
klug muß jedenfalls bezeichnet werden, daß die fragliche Ernennung gerade vor
dem Jubiläumsfest erfolgte und somit die Stimmung zur Unzeit verbitterte,
sowie daß von ministerieller Seite die Vorenthaltung der bewilligten Festgelder
angedroht ward, um auf den Senat Pression zu üben, obwohl beide Angelegen¬
heiten unter sich nichts gemein haben. Der Friede ist zwar jetzt wieder hergestellt,
ja man hatte sogar Professor Friedrich gleichzeitig zum Ordinarius ernannt, um
ein Aequivalent zu bieten, aber daß doch immer ein Mißton übrigbleibt ist
leider nicht zu verkennen. Die Angelegenheit, die wir nur ungern erwähnen,
hat einige Wochen lang die öffentliche Meinung fast ausschließlich beschäftigt.

Als das bedeutendste politische Factum indessen, welches die Zeit zwischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/156>, abgerufen am 22.07.2024.