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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Herrn Joh. Vierme, gebürtig aus Westphalen, bei dem die Bremer meist ein¬
zukehren pflegen, wiewohl er sonsten kein rechtes Wirthshaus hält. In Braun¬
schweig wird auch die so berühmte Mumme gedräuet, welche in die ganze
Welt verführet wird. Von hier ab nahmen wir den durch Herrn Memme
bestellten Fuhrmann und fuhren darauf, nachdem er ein wenig gefrühstückt,
und wir einen guten Trunk Mumme zu uns genommen hatten, den Weg
nach Helmstädt, fünf Meilen, da wir denn erstlich passirten Kremmeling.
Abbenrode, Born, Königslutter, drei Meilen, welches letztere eine
kleine auf einer Höhe gelegene Stadt an dem Walde, so Elm genannt wird,
ist. In der Stadt gehen die Gassen auf und nieder. Daselbst entspringet
auch aus einem Felsen ein schön Helles Wasser, wovon ein wohlschmeckendes
Getränke gemacht wird, Puestein genannt, welches an viele Orte verfahren
wird. Daselbst lieget auch Kaiser Lotharius II. im Jungfrauenkloster begraben.
Von Königslutter auf Helmstädt sind zwei Meilen. Selbige ist eine fürstlich
Braunschweig'sche Stadt, von Kaiser Karls des Großen Canzler Ludgerus
urmo 789 erbauet, welches im Kloster Marienthal nicht weit von der Stadt
aus einem alten Fenster zu lesen. Nemlich


Köning Carli Canzeler

sinke lnder de lewa Herr

Wollte Gotte nen Kloster buwcn

Tu lewa in allen Truwen

Ein Hündlein he hatte Hallen genannt

Ein gottelich Name bekannte

Er Christum unsern Herrn bat

Der dat Himdelein satt

Dat he wolte geben sinen Schim

Jahde dat de stete mochte syn

Helimsteda scholl de dat beten

Der Stade Er und wele möchten geneten.


Herzog Julius von Braunschweig hat daselbst imno 1376 eine Univer¬
sität angeleget; selbigen zu ehren wird sie bis diesen Tag Academia Julia
genennet*). Die regierenden Fürsten von Lüneburg schießen zum Unterhalt
derselben zusammen. Es halten sich fast durchgehends 4 bis 500 Studenten
daselbst auf, darunter viele von Adel, auch von noch höherem Stande. Die
^eaäizmia und vollögium ist ein herrlich Gebäude und hat schöne ^.uäitoria,
eine gute Bibliothek und Anatomiekammer. Unter der ^.eaäemia ist der
Rathskeller, allwo man guten Pruestein und andere Biere findet. Die Stadt



") Später "Juleum" genannt. Als Hannover, das an diesem erst unbetheiligt war,
seinen Theil abtrat und die Hochschule zu Göttingen errichtete, wurde die Helmstädter die
Julius-Carls-Uiiiversität benannt, weil Herzog Carl viel für diese that. Ist seit 180g
aufgehoben.

Herrn Joh. Vierme, gebürtig aus Westphalen, bei dem die Bremer meist ein¬
zukehren pflegen, wiewohl er sonsten kein rechtes Wirthshaus hält. In Braun¬
schweig wird auch die so berühmte Mumme gedräuet, welche in die ganze
Welt verführet wird. Von hier ab nahmen wir den durch Herrn Memme
bestellten Fuhrmann und fuhren darauf, nachdem er ein wenig gefrühstückt,
und wir einen guten Trunk Mumme zu uns genommen hatten, den Weg
nach Helmstädt, fünf Meilen, da wir denn erstlich passirten Kremmeling.
Abbenrode, Born, Königslutter, drei Meilen, welches letztere eine
kleine auf einer Höhe gelegene Stadt an dem Walde, so Elm genannt wird,
ist. In der Stadt gehen die Gassen auf und nieder. Daselbst entspringet
auch aus einem Felsen ein schön Helles Wasser, wovon ein wohlschmeckendes
Getränke gemacht wird, Puestein genannt, welches an viele Orte verfahren
wird. Daselbst lieget auch Kaiser Lotharius II. im Jungfrauenkloster begraben.
Von Königslutter auf Helmstädt sind zwei Meilen. Selbige ist eine fürstlich
Braunschweig'sche Stadt, von Kaiser Karls des Großen Canzler Ludgerus
urmo 789 erbauet, welches im Kloster Marienthal nicht weit von der Stadt
aus einem alten Fenster zu lesen. Nemlich


Köning Carli Canzeler

sinke lnder de lewa Herr

Wollte Gotte nen Kloster buwcn

Tu lewa in allen Truwen

Ein Hündlein he hatte Hallen genannt

Ein gottelich Name bekannte

Er Christum unsern Herrn bat

Der dat Himdelein satt

Dat he wolte geben sinen Schim

Jahde dat de stete mochte syn

Helimsteda scholl de dat beten

Der Stade Er und wele möchten geneten.


Herzog Julius von Braunschweig hat daselbst imno 1376 eine Univer¬
sität angeleget; selbigen zu ehren wird sie bis diesen Tag Academia Julia
genennet*). Die regierenden Fürsten von Lüneburg schießen zum Unterhalt
derselben zusammen. Es halten sich fast durchgehends 4 bis 500 Studenten
daselbst auf, darunter viele von Adel, auch von noch höherem Stande. Die
^eaäizmia und vollögium ist ein herrlich Gebäude und hat schöne ^.uäitoria,
eine gute Bibliothek und Anatomiekammer. Unter der ^.eaäemia ist der
Rathskeller, allwo man guten Pruestein und andere Biere findet. Die Stadt



") Später „Juleum" genannt. Als Hannover, das an diesem erst unbetheiligt war,
seinen Theil abtrat und die Hochschule zu Göttingen errichtete, wurde die Helmstädter die
Julius-Carls-Uiiiversität benannt, weil Herzog Carl viel für diese that. Ist seit 180g
aufgehoben.
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[0149] Herrn Joh. Vierme, gebürtig aus Westphalen, bei dem die Bremer meist ein¬ zukehren pflegen, wiewohl er sonsten kein rechtes Wirthshaus hält. In Braun¬ schweig wird auch die so berühmte Mumme gedräuet, welche in die ganze Welt verführet wird. Von hier ab nahmen wir den durch Herrn Memme bestellten Fuhrmann und fuhren darauf, nachdem er ein wenig gefrühstückt, und wir einen guten Trunk Mumme zu uns genommen hatten, den Weg nach Helmstädt, fünf Meilen, da wir denn erstlich passirten Kremmeling. Abbenrode, Born, Königslutter, drei Meilen, welches letztere eine kleine auf einer Höhe gelegene Stadt an dem Walde, so Elm genannt wird, ist. In der Stadt gehen die Gassen auf und nieder. Daselbst entspringet auch aus einem Felsen ein schön Helles Wasser, wovon ein wohlschmeckendes Getränke gemacht wird, Puestein genannt, welches an viele Orte verfahren wird. Daselbst lieget auch Kaiser Lotharius II. im Jungfrauenkloster begraben. Von Königslutter auf Helmstädt sind zwei Meilen. Selbige ist eine fürstlich Braunschweig'sche Stadt, von Kaiser Karls des Großen Canzler Ludgerus urmo 789 erbauet, welches im Kloster Marienthal nicht weit von der Stadt aus einem alten Fenster zu lesen. Nemlich Köning Carli Canzeler sinke lnder de lewa Herr Wollte Gotte nen Kloster buwcn Tu lewa in allen Truwen Ein Hündlein he hatte Hallen genannt Ein gottelich Name bekannte Er Christum unsern Herrn bat Der dat Himdelein satt Dat he wolte geben sinen Schim Jahde dat de stete mochte syn Helimsteda scholl de dat beten Der Stade Er und wele möchten geneten. Herzog Julius von Braunschweig hat daselbst imno 1376 eine Univer¬ sität angeleget; selbigen zu ehren wird sie bis diesen Tag Academia Julia genennet*). Die regierenden Fürsten von Lüneburg schießen zum Unterhalt derselben zusammen. Es halten sich fast durchgehends 4 bis 500 Studenten daselbst auf, darunter viele von Adel, auch von noch höherem Stande. Die ^eaäizmia und vollögium ist ein herrlich Gebäude und hat schöne ^.uäitoria, eine gute Bibliothek und Anatomiekammer. Unter der ^.eaäemia ist der Rathskeller, allwo man guten Pruestein und andere Biere findet. Die Stadt ") Später „Juleum" genannt. Als Hannover, das an diesem erst unbetheiligt war, seinen Theil abtrat und die Hochschule zu Göttingen errichtete, wurde die Helmstädter die Julius-Carls-Uiiiversität benannt, weil Herzog Carl viel für diese that. Ist seit 180g aufgehoben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/149>, abgerufen am 22.07.2024.