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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Thaler, er aber bot vierzehn Thaler. Als wir nun darüber wegführen und
ich hernach Papa solches erzählete, verdroß es ihn, daß er nicht wäre dage¬
wesen, denn er hätte von Weiten gesehen, daß das Pferd sehr wohl wäre
auf den Beinen gewesen, er wollte es daher wohl gerne gehabt haben. Dar¬
auf setzten wir uns zu Wagen und fuhren zum Neuenburger Krug, zwei
Meilen. Wie wir daselbst ankamen, war es schon stockfinster, deswegen resol-
virten wir uns hier zu bleiben. Da aber im Wirthshaus die eine Stube
schon besetzt war mit Fuhrleuten und Bauern, suchten wir eine andere auf,
weil wir die Gelder und andere Sachen gern allein haben wollten, fanden
auch noch eine Stube; darin waren aber zwei alte Bauernweiber, die uns erst
consentirten, daß wir unsere Sachen hereinbringen möchten. Wie wir nun
solche vom Wagen abgenommen und hineinsetzen wollten, hielten sie die Thüre
fest zu und sagten: es käme alsbald eine Kramfrau hinein, wir könnten da
nicht mit sein; wie wir uns aber nichts daran kehreten und die Thüre auf¬
stießen, packten sich die alten Hexen weg und ließen uns die Possession, war
hernach auch von einer Kramfrau keine Rede mehr. Sie hatten das nur
vorgegeben, weil in der Stube eingeheizt war und sie sich derselben gern allein
bedienen wollten.

Des Morgens früh ging es weiter auf Jmmenhof, allwo noch die
Verschanzungen zu sehen waren, so die Braunschweig'schen vor einigen Jahren,
wie die Herzöge von Braunschweig-Wolsenbüttel die französische Partei hielten,
aufgeworfen hatten. Hierher Pflegen die Leute aus Braunschweig zu fahren,
weil es nur eine Viertelstunde von der Stadt liegt, um sich zu divertiren.
Weil wir nun eben bei der Stadt ankamen, als eben die Pforten aufgeschlossen
wurden, so hielten fast über hundert Bauernwagen davor, wovon sich ein jeder
bemühete, zuerst hineinzukommen, um, mit Permiß zu sagen, die Uneinigkeiten
aus den Privets aufzuladen und auf ihr Land zu bringen.

Braun schweig ist eine große und zugleich feste Handelsstadt, fast mitten
im niedersächsischen Kreis gelegen, ist fast so breit als lang und die Ocker
theilet dieselbe in die Alt- und Neustadt. Sie hat einen hohen und starken
Wall, woran noch täglich etliche 100 Mann arbeiten müssen, welches überaus
artig zu sehen. Es sind mehr denn acht Hauptkirchen darin, darunter son¬
derlich die Andreaskirche, die noch eine und die höchste Spitze hat, obschon die
andere, die rechte, abgebrannt ist. Auf den andern Kirchen sind auch viele
Thürme, welches der Stadt ein großes Ansehen giebet. Sonsten sind noch
viele schöne Häuser hier, sonderlich an den Marktplätzen, allwo die Leute in
den Messen ihre Buden aufschlagen; das Opernhaus, das Schloß oder die
Burg, darinnen der Herzog zu sein pfleget, wenn er in Braunschweig ist.
Vor demselben stehet ein großer Pfeiler mit einem Löwen. Sonsten sind
noch verschiedene galante Häuser zu sehen. Unseren Abtritt nahmen wir bei


Thaler, er aber bot vierzehn Thaler. Als wir nun darüber wegführen und
ich hernach Papa solches erzählete, verdroß es ihn, daß er nicht wäre dage¬
wesen, denn er hätte von Weiten gesehen, daß das Pferd sehr wohl wäre
auf den Beinen gewesen, er wollte es daher wohl gerne gehabt haben. Dar¬
auf setzten wir uns zu Wagen und fuhren zum Neuenburger Krug, zwei
Meilen. Wie wir daselbst ankamen, war es schon stockfinster, deswegen resol-
virten wir uns hier zu bleiben. Da aber im Wirthshaus die eine Stube
schon besetzt war mit Fuhrleuten und Bauern, suchten wir eine andere auf,
weil wir die Gelder und andere Sachen gern allein haben wollten, fanden
auch noch eine Stube; darin waren aber zwei alte Bauernweiber, die uns erst
consentirten, daß wir unsere Sachen hereinbringen möchten. Wie wir nun
solche vom Wagen abgenommen und hineinsetzen wollten, hielten sie die Thüre
fest zu und sagten: es käme alsbald eine Kramfrau hinein, wir könnten da
nicht mit sein; wie wir uns aber nichts daran kehreten und die Thüre auf¬
stießen, packten sich die alten Hexen weg und ließen uns die Possession, war
hernach auch von einer Kramfrau keine Rede mehr. Sie hatten das nur
vorgegeben, weil in der Stube eingeheizt war und sie sich derselben gern allein
bedienen wollten.

Des Morgens früh ging es weiter auf Jmmenhof, allwo noch die
Verschanzungen zu sehen waren, so die Braunschweig'schen vor einigen Jahren,
wie die Herzöge von Braunschweig-Wolsenbüttel die französische Partei hielten,
aufgeworfen hatten. Hierher Pflegen die Leute aus Braunschweig zu fahren,
weil es nur eine Viertelstunde von der Stadt liegt, um sich zu divertiren.
Weil wir nun eben bei der Stadt ankamen, als eben die Pforten aufgeschlossen
wurden, so hielten fast über hundert Bauernwagen davor, wovon sich ein jeder
bemühete, zuerst hineinzukommen, um, mit Permiß zu sagen, die Uneinigkeiten
aus den Privets aufzuladen und auf ihr Land zu bringen.

Braun schweig ist eine große und zugleich feste Handelsstadt, fast mitten
im niedersächsischen Kreis gelegen, ist fast so breit als lang und die Ocker
theilet dieselbe in die Alt- und Neustadt. Sie hat einen hohen und starken
Wall, woran noch täglich etliche 100 Mann arbeiten müssen, welches überaus
artig zu sehen. Es sind mehr denn acht Hauptkirchen darin, darunter son¬
derlich die Andreaskirche, die noch eine und die höchste Spitze hat, obschon die
andere, die rechte, abgebrannt ist. Auf den andern Kirchen sind auch viele
Thürme, welches der Stadt ein großes Ansehen giebet. Sonsten sind noch
viele schöne Häuser hier, sonderlich an den Marktplätzen, allwo die Leute in
den Messen ihre Buden aufschlagen; das Opernhaus, das Schloß oder die
Burg, darinnen der Herzog zu sein pfleget, wenn er in Braunschweig ist.
Vor demselben stehet ein großer Pfeiler mit einem Löwen. Sonsten sind
noch verschiedene galante Häuser zu sehen. Unseren Abtritt nahmen wir bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/148>, abgerufen am 22.07.2024.