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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Periode, wenn wir sie von I77S bis 1828 überhaupt ausdehnen dürfen, nur
um 3876 Seelen.

Indeß sind all' diese statistischen Erhebungen nur mit Vorsicht zu ge¬
brauchen, was schon aus der Behauptung des Raths der Stadt sich ergiebt,
daß Weimar 1806 nicht einen einzigen Ochsen aufzuweisen gehabt habe.

Haben wir schon in unsern frühern Betrachtungen hervor gehoben, daß
mangelhafte Studien Weimar schlechter hingestellt haben, als es wirklich war.
so wollen wir damit die Mangel der klassischen Stadt nicht ganz hinweg-
leugncn. War die Polizei ernstlich 1801 von der Nothwendigkeit überzeugt,
daß die nächtliche Beleuchtung fortdauern müsse, so kam man doch bei
dem Festhalten der guten Absicht einigermaßen in Verlegenheit. Die Unselbst-
ständigkeit der Gemeindeverwaltung trug große Schuld. Die fürstliche Kammer,
welche an den Beleuchtungskosten nothwendigen Antheil nahm, zeigte sich in
Gewährung der Mittel etwas karg. 1802 kostete die ganze Beleuchtung nahe
an 1200 Thaler; einen Zuschuß von 430 Thaler glaubte die Kammer bei
ihren stätigen Ausgaben und wachsenden Bedürfnissen nicht leisten zu können.
Da ist es z. B. charakteristisch, daß man die spät aufsitzenden Kartenspieler in
den Wirthshäusern belasten wollte, um derentwillen die Straßenlaternen doch
auch brennen müßten. Ueberhaupt ist es ein höchst interessanter Stoff, all'
das sich zu vergegenwärtigen, was man damals in Weimar besteuern wollte,
ohne dafür die praktische Handhabe zu finden. Damals nämlich hatte man
nichts Geringeres im Sinne, als das Laternengeld auf Kartenmonopol,
Hochzeitsfeiern, Theater, Gesellschaften, Redouten. Besoldungen und Hauser¬
träge, also auf sieben Quellen quotenmäßig zu vertheilen. Mit großer Be¬
friedigung wies man auf empfehlenswerte Einrichtungen der Stadt Eisenach
hin, die ihre ebenfalls' an Stricken aufgehängten "Schwebelaternen" mit Für¬
sorglichkeit zur Zeit der Ernte aussauge, damit sie von den hoch geladenen
Wagen nicht beschädigt würden. Ja man pries in Weimar die weise Spar¬
samkeit der Nachbarstadt, daß die erlöschten Laternen erst beim hörbaren Donner
eines heranziehenden Gewitters angezündet würden, und dabei die Brunnen,
Plätze, die Thorfahrten und was in Weimar die Hauptsache war, auch die
Thorfahrten "einiger Honoratioren" beleuchtet werden könnten. Für die Er¬
zielung einer bessern Beleuchtung glaubte man an die Haltung und Ver¬
schärfung des Laternenwärter-Eides erinnern zu sollen, daß man fleißig nach¬
stören und Schnuppen putzen müsse, wobei es sich aber eigentlich nur um die
nächste Umgebung des Residenzschlosses handelte, um welches Laternen sogar
mit 8 brennenden Dillem angebracht waren. Ueberspringen wir 17 volle
Jahre der allmähligen Entwickelung, so kommen wir zum Jahre 1820, wo
man alles Deficit der Laterncnkasse auf das übermitternächtliche Brennen
schob. Bei 250 Laternen, von denen SO aber der Hof erhalten ließ, konnte


Periode, wenn wir sie von I77S bis 1828 überhaupt ausdehnen dürfen, nur
um 3876 Seelen.

Indeß sind all' diese statistischen Erhebungen nur mit Vorsicht zu ge¬
brauchen, was schon aus der Behauptung des Raths der Stadt sich ergiebt,
daß Weimar 1806 nicht einen einzigen Ochsen aufzuweisen gehabt habe.

Haben wir schon in unsern frühern Betrachtungen hervor gehoben, daß
mangelhafte Studien Weimar schlechter hingestellt haben, als es wirklich war.
so wollen wir damit die Mangel der klassischen Stadt nicht ganz hinweg-
leugncn. War die Polizei ernstlich 1801 von der Nothwendigkeit überzeugt,
daß die nächtliche Beleuchtung fortdauern müsse, so kam man doch bei
dem Festhalten der guten Absicht einigermaßen in Verlegenheit. Die Unselbst-
ständigkeit der Gemeindeverwaltung trug große Schuld. Die fürstliche Kammer,
welche an den Beleuchtungskosten nothwendigen Antheil nahm, zeigte sich in
Gewährung der Mittel etwas karg. 1802 kostete die ganze Beleuchtung nahe
an 1200 Thaler; einen Zuschuß von 430 Thaler glaubte die Kammer bei
ihren stätigen Ausgaben und wachsenden Bedürfnissen nicht leisten zu können.
Da ist es z. B. charakteristisch, daß man die spät aufsitzenden Kartenspieler in
den Wirthshäusern belasten wollte, um derentwillen die Straßenlaternen doch
auch brennen müßten. Ueberhaupt ist es ein höchst interessanter Stoff, all'
das sich zu vergegenwärtigen, was man damals in Weimar besteuern wollte,
ohne dafür die praktische Handhabe zu finden. Damals nämlich hatte man
nichts Geringeres im Sinne, als das Laternengeld auf Kartenmonopol,
Hochzeitsfeiern, Theater, Gesellschaften, Redouten. Besoldungen und Hauser¬
träge, also auf sieben Quellen quotenmäßig zu vertheilen. Mit großer Be¬
friedigung wies man auf empfehlenswerte Einrichtungen der Stadt Eisenach
hin, die ihre ebenfalls' an Stricken aufgehängten „Schwebelaternen" mit Für¬
sorglichkeit zur Zeit der Ernte aussauge, damit sie von den hoch geladenen
Wagen nicht beschädigt würden. Ja man pries in Weimar die weise Spar¬
samkeit der Nachbarstadt, daß die erlöschten Laternen erst beim hörbaren Donner
eines heranziehenden Gewitters angezündet würden, und dabei die Brunnen,
Plätze, die Thorfahrten und was in Weimar die Hauptsache war, auch die
Thorfahrten „einiger Honoratioren" beleuchtet werden könnten. Für die Er¬
zielung einer bessern Beleuchtung glaubte man an die Haltung und Ver¬
schärfung des Laternenwärter-Eides erinnern zu sollen, daß man fleißig nach¬
stören und Schnuppen putzen müsse, wobei es sich aber eigentlich nur um die
nächste Umgebung des Residenzschlosses handelte, um welches Laternen sogar
mit 8 brennenden Dillem angebracht waren. Ueberspringen wir 17 volle
Jahre der allmähligen Entwickelung, so kommen wir zum Jahre 1820, wo
man alles Deficit der Laterncnkasse auf das übermitternächtliche Brennen
schob. Bei 250 Laternen, von denen SO aber der Hof erhalten ließ, konnte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/14>, abgerufen am 22.07.2024.