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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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(1652-57). Geboren zu Bonmont 1645, verlor sie schon im zwölften Jahre
ihren Vater. Von Natur männlich angelegt, hatte sie schon früh lieber mit
den Pistolen ihrer Brüder als mit den Puppen ihrer drei Schwestern gespielt,
so daß ihr Vater mehr als einmal betheuerte, sie sei eigentlich nie ein Mäd¬
chen gewesen, und bedauerte, daß sie nicht als Knabe auf die Welt gekommen sei.
Und wahrlich, wenn die Stadt Genf, ihre Taufpathin, gewußt hätte, welch
seltsames Weib sie der gesellschaftlichen und diplomatischen Welt mit Katha¬
rina Franziska aus der Taufe gehoben hatte, sie hätte sich dies Pathenamt
wohl zweimal überlegt.

Unterdessen verbreitete sich das Gerücht ihrer Ritterlichkeit durch alle
Lande. Sie erhielt eine Einladung an den Hof von Frankreich. Wer weiß,
welche Rolle sie hier unter den Augen Ludwigs XIV. gespielt hätte! Denn
war sie auch keine regelmäßige Schönheit, so hatten ihre Augen und Gesichts¬
züge doch etwas ungemein Liebliches, einen angenehmen, geistreichen, etwas
muthwilligen und schalkhaften Ausdruck, so daß sie ihren Eindruck auf den
damaligen Sultan der Sultane nicht verfehlt hätte. Der Familienrath fand
die Einladung gefährlich und Katharina Franziska mußte sich mit den An--
betern ihrer Heimath genügen lassen. --

Einige Zeit nach der Abreise der Herzogin von Crequi kam gelockt vom
Ruf der schönen Bernerin ein Herr von Diesbach, Herr zu Torny und Haupt¬
mann der Schweizergarden im Dienste Frankreichs zu seinem Better dem
Landvogt nach Murten. Katharina Franziska stach ihm in die Augen, und
er erbat sie zur Frau. "Und da er ein Edelmann von Verdienst, angenehm
und sehr reich war," gestattete sie ihm bei ihrem Vormund, dem Welsch-Seckel-
meister Johann Anton Tillier und bei ihren Verwandten um ihre Hand zu
werben. Diese gaben aus gleichem Grund, wie Katharina Franziska selbst,
ihr Jawort. Die Verlobung wurde gefeiert, sie tauschten die Brautringe.
Darob gerieth aber die Bernische Geistlichkeit, an ihrer Spitze der Dekan
Hummel, ein strenger Eiferer vor dem Herrn, in Angst und Schrecken. Eben
hatten sie erleben müssen, daß drei Fräulein aus Bern, die sich in Freiburg
eingeheirathet hatten, den Einflüsterungen der Priester nachgegeben hatten
und katholisch geworden waren. Die Bernische Geistlichkeit setzte daher Him¬
mel und Hölle in Bewegung und erlangte bei den gnädigen Herrn und Obern
ein Decret, das gemischte Heirathen verbot. Auf Grund dieses Verbotes wurde
das Verlöbniß der beiden Glücklichen aufgehoben. Der Vormund*) kam mit
einem Schreiben, dem das große Staatssiegel -- der Mütz**) -- ausgedrückt
war, eilig von Bern nach Murten herüber, und zwang das Fräulein ihm nach




D, Red. -) Geschlechtsvormund.
D. Red. ") Der Bär, das Berncrwappcn.

(1652-57). Geboren zu Bonmont 1645, verlor sie schon im zwölften Jahre
ihren Vater. Von Natur männlich angelegt, hatte sie schon früh lieber mit
den Pistolen ihrer Brüder als mit den Puppen ihrer drei Schwestern gespielt,
so daß ihr Vater mehr als einmal betheuerte, sie sei eigentlich nie ein Mäd¬
chen gewesen, und bedauerte, daß sie nicht als Knabe auf die Welt gekommen sei.
Und wahrlich, wenn die Stadt Genf, ihre Taufpathin, gewußt hätte, welch
seltsames Weib sie der gesellschaftlichen und diplomatischen Welt mit Katha¬
rina Franziska aus der Taufe gehoben hatte, sie hätte sich dies Pathenamt
wohl zweimal überlegt.

Unterdessen verbreitete sich das Gerücht ihrer Ritterlichkeit durch alle
Lande. Sie erhielt eine Einladung an den Hof von Frankreich. Wer weiß,
welche Rolle sie hier unter den Augen Ludwigs XIV. gespielt hätte! Denn
war sie auch keine regelmäßige Schönheit, so hatten ihre Augen und Gesichts¬
züge doch etwas ungemein Liebliches, einen angenehmen, geistreichen, etwas
muthwilligen und schalkhaften Ausdruck, so daß sie ihren Eindruck auf den
damaligen Sultan der Sultane nicht verfehlt hätte. Der Familienrath fand
die Einladung gefährlich und Katharina Franziska mußte sich mit den An--
betern ihrer Heimath genügen lassen. —

Einige Zeit nach der Abreise der Herzogin von Crequi kam gelockt vom
Ruf der schönen Bernerin ein Herr von Diesbach, Herr zu Torny und Haupt¬
mann der Schweizergarden im Dienste Frankreichs zu seinem Better dem
Landvogt nach Murten. Katharina Franziska stach ihm in die Augen, und
er erbat sie zur Frau. „Und da er ein Edelmann von Verdienst, angenehm
und sehr reich war," gestattete sie ihm bei ihrem Vormund, dem Welsch-Seckel-
meister Johann Anton Tillier und bei ihren Verwandten um ihre Hand zu
werben. Diese gaben aus gleichem Grund, wie Katharina Franziska selbst,
ihr Jawort. Die Verlobung wurde gefeiert, sie tauschten die Brautringe.
Darob gerieth aber die Bernische Geistlichkeit, an ihrer Spitze der Dekan
Hummel, ein strenger Eiferer vor dem Herrn, in Angst und Schrecken. Eben
hatten sie erleben müssen, daß drei Fräulein aus Bern, die sich in Freiburg
eingeheirathet hatten, den Einflüsterungen der Priester nachgegeben hatten
und katholisch geworden waren. Die Bernische Geistlichkeit setzte daher Him¬
mel und Hölle in Bewegung und erlangte bei den gnädigen Herrn und Obern
ein Decret, das gemischte Heirathen verbot. Auf Grund dieses Verbotes wurde
das Verlöbniß der beiden Glücklichen aufgehoben. Der Vormund*) kam mit
einem Schreiben, dem das große Staatssiegel — der Mütz**) — ausgedrückt
war, eilig von Bern nach Murten herüber, und zwang das Fräulein ihm nach




D, Red. -) Geschlechtsvormund.
D. Red. ") Der Bär, das Berncrwappcn.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/130>, abgerufen am 22.07.2024.