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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Thiers und ein junger Advocat. Weil ein Advocat Chicanengeist haben
muß, hatte man aus Gambetta einen Kriegsminister gemacht, aber er hat
hinreichend bewiesen, daß Taktik und Chicane zwei verschiedene Dinge und
daß militärische Courage und Civil-Muth auch nicht ein und dasselbe sind.
Freilich hat General Valentin auch bewiesen, daß er an der Spitze der Polizei
nicht der rechte Mann war, aber es reicht auch nicht hin, einen ergebenen Mann
dahinzustellen; Erfahrung, Kenntniß, Energie sind die Hauptsachen und
Herr Renault wäre viel besser an der Spitze eine Präfectur im Innern, ob¬
gleich Recht und Administration in vielen Punkten ganz auseinander fallen.

Herr Thiers hat politische Oekonomie weniger wie Militär-Geographie
studirt und seine Ansichten über Rohstoffe bringen seine Freunde zur Ver¬
zweiflung. Der Radical, das Blatt von Herrn Mothe, ist von General Lad-
mirault verboten worden. Die Geschichte von Courbevoie hatte auch eine
solche Richtung genommen daß sie das Heer mit dem Volke zu entzweien
drohte. Diese Zeitung hatte unterdessen die Rundschreiben der Internationale
veröffentlicht, aus welchen hervorging daß Bakunin keineswegs die Seele und
der Kopf dieses Vereins gewesen, sondern wie ich es auch früher vernommen,
zu derselben gar nicht gehört. Dergleichen Circulare werfen ein gewisses Licht,
und wie unangenehm es der Polizei sein mag einen Gustave Durand als
Spion entlarvt zu sehen, kann sie viel daraus lernen. Der "allgemeine
Rath" muß sich seinerseits sehr stark fühlen um die Oeffentlichkeit nicht zu
scheuen.

Das Journal ach V6ba,t8 hat seine Farbe gewechselt und mehrere Redacteure,
unter ihnen Laiut-Naro Siraräm, sind zum Journal as ?aris hinüberge¬
treten. Es ist ein Ereigniß, denn Bertin Vater und Sohn sind den
Orleanisten treu geblieben, aber Herr Ratisbonne hat seine Verbindungen ge¬
brochen. Otiateaudriariä, Sui-zyt, Villemain haben in diese Zeitung geschrieben.
Jules Janin, Michel Chevalier werden vielleicht bleiben, aber das Blatt
wird seine Bedeutung nicht behalten und gegenwärtig sind wir an guten
Zeitungen ganz arm, keine einzige von ihnen hat ein europäisches Interesse.
Der Nouiteur umvörsel hat einen langen Aufsatz gegen die Ansprüche des Fürsten
Bismarck auf die Mitwirkung bei der Wahl des neuen Papstes gebracht. Diese
Zeitung sagt, daß das deutsche Kaiserreich vom 9. bis zum 12. Jahrhundert
den heiligen Stuhl besetzte weil es rechtgläubig war, aber ein solcher An¬
spruch könne dem jetzigen protestantischen Kaiserreiche nicht bewilligt werden.
Die Zahl der katholischen Unterthanen verliert das Blatt ganz aus den
Augen und kümmert sich um den liberalen Standpunkt, der die Verwerfung
von abgedroschenen Grundsätzen bezweckt, wenig. Im Gegentheil möchte es,
obgleich es kein klerikales Organ ist, den Syllabus aufrecht erhalten.

Die lines ist nicht allein der Meinung daß die Jesuiten mit der


Thiers und ein junger Advocat. Weil ein Advocat Chicanengeist haben
muß, hatte man aus Gambetta einen Kriegsminister gemacht, aber er hat
hinreichend bewiesen, daß Taktik und Chicane zwei verschiedene Dinge und
daß militärische Courage und Civil-Muth auch nicht ein und dasselbe sind.
Freilich hat General Valentin auch bewiesen, daß er an der Spitze der Polizei
nicht der rechte Mann war, aber es reicht auch nicht hin, einen ergebenen Mann
dahinzustellen; Erfahrung, Kenntniß, Energie sind die Hauptsachen und
Herr Renault wäre viel besser an der Spitze eine Präfectur im Innern, ob¬
gleich Recht und Administration in vielen Punkten ganz auseinander fallen.

Herr Thiers hat politische Oekonomie weniger wie Militär-Geographie
studirt und seine Ansichten über Rohstoffe bringen seine Freunde zur Ver¬
zweiflung. Der Radical, das Blatt von Herrn Mothe, ist von General Lad-
mirault verboten worden. Die Geschichte von Courbevoie hatte auch eine
solche Richtung genommen daß sie das Heer mit dem Volke zu entzweien
drohte. Diese Zeitung hatte unterdessen die Rundschreiben der Internationale
veröffentlicht, aus welchen hervorging daß Bakunin keineswegs die Seele und
der Kopf dieses Vereins gewesen, sondern wie ich es auch früher vernommen,
zu derselben gar nicht gehört. Dergleichen Circulare werfen ein gewisses Licht,
und wie unangenehm es der Polizei sein mag einen Gustave Durand als
Spion entlarvt zu sehen, kann sie viel daraus lernen. Der „allgemeine
Rath" muß sich seinerseits sehr stark fühlen um die Oeffentlichkeit nicht zu
scheuen.

Das Journal ach V6ba,t8 hat seine Farbe gewechselt und mehrere Redacteure,
unter ihnen Laiut-Naro Siraräm, sind zum Journal as ?aris hinüberge¬
treten. Es ist ein Ereigniß, denn Bertin Vater und Sohn sind den
Orleanisten treu geblieben, aber Herr Ratisbonne hat seine Verbindungen ge¬
brochen. Otiateaudriariä, Sui-zyt, Villemain haben in diese Zeitung geschrieben.
Jules Janin, Michel Chevalier werden vielleicht bleiben, aber das Blatt
wird seine Bedeutung nicht behalten und gegenwärtig sind wir an guten
Zeitungen ganz arm, keine einzige von ihnen hat ein europäisches Interesse.
Der Nouiteur umvörsel hat einen langen Aufsatz gegen die Ansprüche des Fürsten
Bismarck auf die Mitwirkung bei der Wahl des neuen Papstes gebracht. Diese
Zeitung sagt, daß das deutsche Kaiserreich vom 9. bis zum 12. Jahrhundert
den heiligen Stuhl besetzte weil es rechtgläubig war, aber ein solcher An¬
spruch könne dem jetzigen protestantischen Kaiserreiche nicht bewilligt werden.
Die Zahl der katholischen Unterthanen verliert das Blatt ganz aus den
Augen und kümmert sich um den liberalen Standpunkt, der die Verwerfung
von abgedroschenen Grundsätzen bezweckt, wenig. Im Gegentheil möchte es,
obgleich es kein klerikales Organ ist, den Syllabus aufrecht erhalten.

Die lines ist nicht allein der Meinung daß die Jesuiten mit der


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[0117] Thiers und ein junger Advocat. Weil ein Advocat Chicanengeist haben muß, hatte man aus Gambetta einen Kriegsminister gemacht, aber er hat hinreichend bewiesen, daß Taktik und Chicane zwei verschiedene Dinge und daß militärische Courage und Civil-Muth auch nicht ein und dasselbe sind. Freilich hat General Valentin auch bewiesen, daß er an der Spitze der Polizei nicht der rechte Mann war, aber es reicht auch nicht hin, einen ergebenen Mann dahinzustellen; Erfahrung, Kenntniß, Energie sind die Hauptsachen und Herr Renault wäre viel besser an der Spitze eine Präfectur im Innern, ob¬ gleich Recht und Administration in vielen Punkten ganz auseinander fallen. Herr Thiers hat politische Oekonomie weniger wie Militär-Geographie studirt und seine Ansichten über Rohstoffe bringen seine Freunde zur Ver¬ zweiflung. Der Radical, das Blatt von Herrn Mothe, ist von General Lad- mirault verboten worden. Die Geschichte von Courbevoie hatte auch eine solche Richtung genommen daß sie das Heer mit dem Volke zu entzweien drohte. Diese Zeitung hatte unterdessen die Rundschreiben der Internationale veröffentlicht, aus welchen hervorging daß Bakunin keineswegs die Seele und der Kopf dieses Vereins gewesen, sondern wie ich es auch früher vernommen, zu derselben gar nicht gehört. Dergleichen Circulare werfen ein gewisses Licht, und wie unangenehm es der Polizei sein mag einen Gustave Durand als Spion entlarvt zu sehen, kann sie viel daraus lernen. Der „allgemeine Rath" muß sich seinerseits sehr stark fühlen um die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen. Das Journal ach V6ba,t8 hat seine Farbe gewechselt und mehrere Redacteure, unter ihnen Laiut-Naro Siraräm, sind zum Journal as ?aris hinüberge¬ treten. Es ist ein Ereigniß, denn Bertin Vater und Sohn sind den Orleanisten treu geblieben, aber Herr Ratisbonne hat seine Verbindungen ge¬ brochen. Otiateaudriariä, Sui-zyt, Villemain haben in diese Zeitung geschrieben. Jules Janin, Michel Chevalier werden vielleicht bleiben, aber das Blatt wird seine Bedeutung nicht behalten und gegenwärtig sind wir an guten Zeitungen ganz arm, keine einzige von ihnen hat ein europäisches Interesse. Der Nouiteur umvörsel hat einen langen Aufsatz gegen die Ansprüche des Fürsten Bismarck auf die Mitwirkung bei der Wahl des neuen Papstes gebracht. Diese Zeitung sagt, daß das deutsche Kaiserreich vom 9. bis zum 12. Jahrhundert den heiligen Stuhl besetzte weil es rechtgläubig war, aber ein solcher An¬ spruch könne dem jetzigen protestantischen Kaiserreiche nicht bewilligt werden. Die Zahl der katholischen Unterthanen verliert das Blatt ganz aus den Augen und kümmert sich um den liberalen Standpunkt, der die Verwerfung von abgedroschenen Grundsätzen bezweckt, wenig. Im Gegentheil möchte es, obgleich es kein klerikales Organ ist, den Syllabus aufrecht erhalten. Die lines ist nicht allein der Meinung daß die Jesuiten mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/117>, abgerufen am 22.07.2024.