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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Unser Logis war im gülden Wagen, bei der Haagischen Pforte, welches
zwar nur eine gemeine Herberge, allein so gute Comodite und guten Hospes,
als in manchem großen Herren-Logement nicht ist, bei selbigem kann man auch
allezeit gute Pferde, Rollwägen und Chaisen haben, wie wir auch dieses Mal
gute Pferde und Carriol von ihm bekamen. Damit fuhr ich neben meinem
Herrn Papa nach dem Haag. Selber Weg ist überaus plaisirlich wegen der
vielen schönen Alleen, Hofstätten und artigen Dörfer.

Gravenhaag, das beste Dorf von Europa, lieget drei Stunden von
Leiden. Die Schönheit dieses Ortes und der umliegenden Gegend hat ver¬
ursachet, daß die Prinzen von Oranien sowie die Ambassadeurs und Ministers
der ausländischen Potentaten sich gemeiniglich allhier aufhalten. Die Herren
Generalstaaten der vereinigten Provinzen, wie auch die Staaten von Holland
und der Staatsrath befinden sich auch daselbst. Des Prinzen Pallast oder
Hof von Holland ist sehr weitläufig und hat viele Gemächer, sowohl vor den
Statthalter, wie auch vor die Herren Staaten. Auf dem Platze ziehen alle
Mittag etliche Compagnieen Fußvölker und vor dem Pallast zwei Escadrons
Reiter auf, welches überaus artig zu sehen. Das Haus von dem Grafen
Mauritz von Nassau ist ein sehr herrlich und schönes Gebäude und hinter dem¬
selben ein großer River. Am Vorholz und beim Viversberg ist es am aller-
lustigsten. Es sind drei Alleen Linden, die mittelste vor die Carossen, die
beiden andern vor die Spazierenden. An beiden Seiten sind herrliche Häuser,
wie auch an vielen Oertern mehr, sonderlich auf dem Prinzen-Grase, auf
welchem viele hübsche und vornehme Leute wohnen. Die große Kirche ist mit
unzählbaren Waffen von vielen vornehmen Personen behängen, ist auch mit
einem hohen Thurm und Glockenspiel versehen. In dieser Kirche ist auch
sehenswerth die Grabstätte des Herrn van Opdam.*) Weiter sind Schuhwerks:
die neue Kirche auf dem Spuy und die anderen; das Rathhaus, Waisenhaus
und Zuchthaus sind auch schöne Gebäude.

Um den Haag herum liegen viele schöne Dörfer, darunter aber ist keins
lustiger als Chevelingen. Der Graf von Portland hat hier ein prächtiges
Anwesen, Sorgoliet genannt, welches sehr berühmt und eurisus. Cheve-
lingen lieget hart an der Nordsee. Die Leute daselbst nähren sich meist vom
Fischfang. Hier werden viele Fische gegessen, namentlich bei einem Italiener
am obern Wirthshaus, nebst einem guten Trunk Wein, der aber auch mit
der Kreide tüchtig zu malen weiß. Aber trotzdem sind die Stuben immer
voll Leute, der Hof hält voll Carossen und Chaisen, Summa, es ist hier



') Ist hier der Marquis Wassenaar Obdam gemeint, der in Mitte des 17. Jahrhundert"
als niederländischer Admiral ruhmvoll gegen die Spanier und Engländer focht und 1KK5 in
der Seeschlacht an der Maasmündung siel.

Unser Logis war im gülden Wagen, bei der Haagischen Pforte, welches
zwar nur eine gemeine Herberge, allein so gute Comodite und guten Hospes,
als in manchem großen Herren-Logement nicht ist, bei selbigem kann man auch
allezeit gute Pferde, Rollwägen und Chaisen haben, wie wir auch dieses Mal
gute Pferde und Carriol von ihm bekamen. Damit fuhr ich neben meinem
Herrn Papa nach dem Haag. Selber Weg ist überaus plaisirlich wegen der
vielen schönen Alleen, Hofstätten und artigen Dörfer.

Gravenhaag, das beste Dorf von Europa, lieget drei Stunden von
Leiden. Die Schönheit dieses Ortes und der umliegenden Gegend hat ver¬
ursachet, daß die Prinzen von Oranien sowie die Ambassadeurs und Ministers
der ausländischen Potentaten sich gemeiniglich allhier aufhalten. Die Herren
Generalstaaten der vereinigten Provinzen, wie auch die Staaten von Holland
und der Staatsrath befinden sich auch daselbst. Des Prinzen Pallast oder
Hof von Holland ist sehr weitläufig und hat viele Gemächer, sowohl vor den
Statthalter, wie auch vor die Herren Staaten. Auf dem Platze ziehen alle
Mittag etliche Compagnieen Fußvölker und vor dem Pallast zwei Escadrons
Reiter auf, welches überaus artig zu sehen. Das Haus von dem Grafen
Mauritz von Nassau ist ein sehr herrlich und schönes Gebäude und hinter dem¬
selben ein großer River. Am Vorholz und beim Viversberg ist es am aller-
lustigsten. Es sind drei Alleen Linden, die mittelste vor die Carossen, die
beiden andern vor die Spazierenden. An beiden Seiten sind herrliche Häuser,
wie auch an vielen Oertern mehr, sonderlich auf dem Prinzen-Grase, auf
welchem viele hübsche und vornehme Leute wohnen. Die große Kirche ist mit
unzählbaren Waffen von vielen vornehmen Personen behängen, ist auch mit
einem hohen Thurm und Glockenspiel versehen. In dieser Kirche ist auch
sehenswerth die Grabstätte des Herrn van Opdam.*) Weiter sind Schuhwerks:
die neue Kirche auf dem Spuy und die anderen; das Rathhaus, Waisenhaus
und Zuchthaus sind auch schöne Gebäude.

Um den Haag herum liegen viele schöne Dörfer, darunter aber ist keins
lustiger als Chevelingen. Der Graf von Portland hat hier ein prächtiges
Anwesen, Sorgoliet genannt, welches sehr berühmt und eurisus. Cheve-
lingen lieget hart an der Nordsee. Die Leute daselbst nähren sich meist vom
Fischfang. Hier werden viele Fische gegessen, namentlich bei einem Italiener
am obern Wirthshaus, nebst einem guten Trunk Wein, der aber auch mit
der Kreide tüchtig zu malen weiß. Aber trotzdem sind die Stuben immer
voll Leute, der Hof hält voll Carossen und Chaisen, Summa, es ist hier



') Ist hier der Marquis Wassenaar Obdam gemeint, der in Mitte des 17. Jahrhundert«
als niederländischer Admiral ruhmvoll gegen die Spanier und Engländer focht und 1KK5 in
der Seeschlacht an der Maasmündung siel.
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[0115] Unser Logis war im gülden Wagen, bei der Haagischen Pforte, welches zwar nur eine gemeine Herberge, allein so gute Comodite und guten Hospes, als in manchem großen Herren-Logement nicht ist, bei selbigem kann man auch allezeit gute Pferde, Rollwägen und Chaisen haben, wie wir auch dieses Mal gute Pferde und Carriol von ihm bekamen. Damit fuhr ich neben meinem Herrn Papa nach dem Haag. Selber Weg ist überaus plaisirlich wegen der vielen schönen Alleen, Hofstätten und artigen Dörfer. Gravenhaag, das beste Dorf von Europa, lieget drei Stunden von Leiden. Die Schönheit dieses Ortes und der umliegenden Gegend hat ver¬ ursachet, daß die Prinzen von Oranien sowie die Ambassadeurs und Ministers der ausländischen Potentaten sich gemeiniglich allhier aufhalten. Die Herren Generalstaaten der vereinigten Provinzen, wie auch die Staaten von Holland und der Staatsrath befinden sich auch daselbst. Des Prinzen Pallast oder Hof von Holland ist sehr weitläufig und hat viele Gemächer, sowohl vor den Statthalter, wie auch vor die Herren Staaten. Auf dem Platze ziehen alle Mittag etliche Compagnieen Fußvölker und vor dem Pallast zwei Escadrons Reiter auf, welches überaus artig zu sehen. Das Haus von dem Grafen Mauritz von Nassau ist ein sehr herrlich und schönes Gebäude und hinter dem¬ selben ein großer River. Am Vorholz und beim Viversberg ist es am aller- lustigsten. Es sind drei Alleen Linden, die mittelste vor die Carossen, die beiden andern vor die Spazierenden. An beiden Seiten sind herrliche Häuser, wie auch an vielen Oertern mehr, sonderlich auf dem Prinzen-Grase, auf welchem viele hübsche und vornehme Leute wohnen. Die große Kirche ist mit unzählbaren Waffen von vielen vornehmen Personen behängen, ist auch mit einem hohen Thurm und Glockenspiel versehen. In dieser Kirche ist auch sehenswerth die Grabstätte des Herrn van Opdam.*) Weiter sind Schuhwerks: die neue Kirche auf dem Spuy und die anderen; das Rathhaus, Waisenhaus und Zuchthaus sind auch schöne Gebäude. Um den Haag herum liegen viele schöne Dörfer, darunter aber ist keins lustiger als Chevelingen. Der Graf von Portland hat hier ein prächtiges Anwesen, Sorgoliet genannt, welches sehr berühmt und eurisus. Cheve- lingen lieget hart an der Nordsee. Die Leute daselbst nähren sich meist vom Fischfang. Hier werden viele Fische gegessen, namentlich bei einem Italiener am obern Wirthshaus, nebst einem guten Trunk Wein, der aber auch mit der Kreide tüchtig zu malen weiß. Aber trotzdem sind die Stuben immer voll Leute, der Hof hält voll Carossen und Chaisen, Summa, es ist hier ') Ist hier der Marquis Wassenaar Obdam gemeint, der in Mitte des 17. Jahrhundert« als niederländischer Admiral ruhmvoll gegen die Spanier und Engländer focht und 1KK5 in der Seeschlacht an der Maasmündung siel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/115>, abgerufen am 22.07.2024.