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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Kuffers aufschließen und Visitiren lassen. Von da nehmen die Trekschuyten
lin Friesland Schnecken genannt) ihren Anfang. Man kann aber hier auch
einen Wagen auf Winschooten und Gröningen nehmen. Man kommt durch
Scheemte, welches ein über alle Maaßen schönes Dorf ist. Dabei ist eine
schöne lutherische Kirche, wozu der König von Schweden 2000 Thaler ver¬
ehret. Winschooten ist vor diesem ein Dorf gewesen, aber auf Befehl der
Herren Staaten zu einer Forterefse gemacht, welche nun wieder verfällt. Nicht
weit davon sind noch die Reliquien von einem Lager von anno 1K72, darin
die Münster'schen, als sie Gröningen belagert, ihr Quartier gehabt.

Wenn uns die Zeit etwas lang wurde, fingen wir an ein wenig von
Diesem und Jenem zu diseuriren, da dann Monsieur Foucher, unser Reise-
geführte, uns unter Anderem erzählte, auf was Manier der nun selige Herzog
von Zelle zu seiner Gemahlin gekommen. Als er nämlich in Frankreich ge¬
reiset, hat er sich unter einem fremden Namen allda aufgehalten und sich
Niecolini nennen lassen. Sein Kaufmann, an den er recommandiret und in
dessen Haus er logiret gewesen, hat zwei Töchter gehabt, davon die eine und
zwar älteste im Kloster gewesen, die andere aber zu Hause. Diese Beiden
haben sich sehr ähnlich gesehen. Wie nun da Niecolini täglich in dem Hause
converstrte und allzeit Gelegenheit hatte mit der Tochter umzugehen, so obser-
virte er, daß sie nicht allein sehr schön, sondern anbei auch verständig sei.
So hat er sie denn lieb gewonnen, welches sie aber erst nicht gemerket. Wie
er ihr nun auch seine Liebe nicht erst entdecken wollte, so hat er dahin ge¬
trachtet, solches mit andern Dingen zu erkennen zu geben. Sie trug in ihren
Schuhen Schnallen von falschen Steinen. Solche hat er nun eines Tages
weggenommen und durch einen Goldschmiede echte Edelsteine hineinsetzen
lassen, und sie dann wieder an den Platz, wo er sie genommen, hingesetzet.
Sie wurde davon nicht eher etwas gewahr, als bis der Vater einstmals, wie
sie die Schuhe angehabt, solche in die Augen bekommen. Wie ihm nun die
Steine so schön vorgekommen, hat er seine Tochter darum gefragt, was das
vor Schnallen wären? Hat sie geantwortet, daß es die wären, die ihr der
Bater verehret. Er aber hat solche besser in Augenschein genommen und be¬
funden, daß es aufrichtige Edelsteine waren, weshalb er alsbald auf diesen
Niecolini präsumiret. Die Jungfer hat solches auch nachgedacht und aus
seinem Umgang merken können, daß er sich in sie verliebet, weshalb sie auch
allmählig angefangen ihn zu lieben.

Indem der Erzähler weiter fortfahren wollte, kamen wir nach Gröningen.
Dieses ist groß und fest, hat 7 Thore, 17 Bollwerke und einen weiten und
tiefen Graben, kann auch dabei unter Wasser gesetzt werden. Daß es feste
ist, haben die beiden martialischen Herren, der Churfürst von Cöln und
Bischof von Münster, Bernhardt von Galen, anno 1672 genug erfahren.


Kuffers aufschließen und Visitiren lassen. Von da nehmen die Trekschuyten
lin Friesland Schnecken genannt) ihren Anfang. Man kann aber hier auch
einen Wagen auf Winschooten und Gröningen nehmen. Man kommt durch
Scheemte, welches ein über alle Maaßen schönes Dorf ist. Dabei ist eine
schöne lutherische Kirche, wozu der König von Schweden 2000 Thaler ver¬
ehret. Winschooten ist vor diesem ein Dorf gewesen, aber auf Befehl der
Herren Staaten zu einer Forterefse gemacht, welche nun wieder verfällt. Nicht
weit davon sind noch die Reliquien von einem Lager von anno 1K72, darin
die Münster'schen, als sie Gröningen belagert, ihr Quartier gehabt.

Wenn uns die Zeit etwas lang wurde, fingen wir an ein wenig von
Diesem und Jenem zu diseuriren, da dann Monsieur Foucher, unser Reise-
geführte, uns unter Anderem erzählte, auf was Manier der nun selige Herzog
von Zelle zu seiner Gemahlin gekommen. Als er nämlich in Frankreich ge¬
reiset, hat er sich unter einem fremden Namen allda aufgehalten und sich
Niecolini nennen lassen. Sein Kaufmann, an den er recommandiret und in
dessen Haus er logiret gewesen, hat zwei Töchter gehabt, davon die eine und
zwar älteste im Kloster gewesen, die andere aber zu Hause. Diese Beiden
haben sich sehr ähnlich gesehen. Wie nun da Niecolini täglich in dem Hause
converstrte und allzeit Gelegenheit hatte mit der Tochter umzugehen, so obser-
virte er, daß sie nicht allein sehr schön, sondern anbei auch verständig sei.
So hat er sie denn lieb gewonnen, welches sie aber erst nicht gemerket. Wie
er ihr nun auch seine Liebe nicht erst entdecken wollte, so hat er dahin ge¬
trachtet, solches mit andern Dingen zu erkennen zu geben. Sie trug in ihren
Schuhen Schnallen von falschen Steinen. Solche hat er nun eines Tages
weggenommen und durch einen Goldschmiede echte Edelsteine hineinsetzen
lassen, und sie dann wieder an den Platz, wo er sie genommen, hingesetzet.
Sie wurde davon nicht eher etwas gewahr, als bis der Vater einstmals, wie
sie die Schuhe angehabt, solche in die Augen bekommen. Wie ihm nun die
Steine so schön vorgekommen, hat er seine Tochter darum gefragt, was das
vor Schnallen wären? Hat sie geantwortet, daß es die wären, die ihr der
Bater verehret. Er aber hat solche besser in Augenschein genommen und be¬
funden, daß es aufrichtige Edelsteine waren, weshalb er alsbald auf diesen
Niecolini präsumiret. Die Jungfer hat solches auch nachgedacht und aus
seinem Umgang merken können, daß er sich in sie verliebet, weshalb sie auch
allmählig angefangen ihn zu lieben.

Indem der Erzähler weiter fortfahren wollte, kamen wir nach Gröningen.
Dieses ist groß und fest, hat 7 Thore, 17 Bollwerke und einen weiten und
tiefen Graben, kann auch dabei unter Wasser gesetzt werden. Daß es feste
ist, haben die beiden martialischen Herren, der Churfürst von Cöln und
Bischof von Münster, Bernhardt von Galen, anno 1672 genug erfahren.


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[0108] Kuffers aufschließen und Visitiren lassen. Von da nehmen die Trekschuyten lin Friesland Schnecken genannt) ihren Anfang. Man kann aber hier auch einen Wagen auf Winschooten und Gröningen nehmen. Man kommt durch Scheemte, welches ein über alle Maaßen schönes Dorf ist. Dabei ist eine schöne lutherische Kirche, wozu der König von Schweden 2000 Thaler ver¬ ehret. Winschooten ist vor diesem ein Dorf gewesen, aber auf Befehl der Herren Staaten zu einer Forterefse gemacht, welche nun wieder verfällt. Nicht weit davon sind noch die Reliquien von einem Lager von anno 1K72, darin die Münster'schen, als sie Gröningen belagert, ihr Quartier gehabt. Wenn uns die Zeit etwas lang wurde, fingen wir an ein wenig von Diesem und Jenem zu diseuriren, da dann Monsieur Foucher, unser Reise- geführte, uns unter Anderem erzählte, auf was Manier der nun selige Herzog von Zelle zu seiner Gemahlin gekommen. Als er nämlich in Frankreich ge¬ reiset, hat er sich unter einem fremden Namen allda aufgehalten und sich Niecolini nennen lassen. Sein Kaufmann, an den er recommandiret und in dessen Haus er logiret gewesen, hat zwei Töchter gehabt, davon die eine und zwar älteste im Kloster gewesen, die andere aber zu Hause. Diese Beiden haben sich sehr ähnlich gesehen. Wie nun da Niecolini täglich in dem Hause converstrte und allzeit Gelegenheit hatte mit der Tochter umzugehen, so obser- virte er, daß sie nicht allein sehr schön, sondern anbei auch verständig sei. So hat er sie denn lieb gewonnen, welches sie aber erst nicht gemerket. Wie er ihr nun auch seine Liebe nicht erst entdecken wollte, so hat er dahin ge¬ trachtet, solches mit andern Dingen zu erkennen zu geben. Sie trug in ihren Schuhen Schnallen von falschen Steinen. Solche hat er nun eines Tages weggenommen und durch einen Goldschmiede echte Edelsteine hineinsetzen lassen, und sie dann wieder an den Platz, wo er sie genommen, hingesetzet. Sie wurde davon nicht eher etwas gewahr, als bis der Vater einstmals, wie sie die Schuhe angehabt, solche in die Augen bekommen. Wie ihm nun die Steine so schön vorgekommen, hat er seine Tochter darum gefragt, was das vor Schnallen wären? Hat sie geantwortet, daß es die wären, die ihr der Bater verehret. Er aber hat solche besser in Augenschein genommen und be¬ funden, daß es aufrichtige Edelsteine waren, weshalb er alsbald auf diesen Niecolini präsumiret. Die Jungfer hat solches auch nachgedacht und aus seinem Umgang merken können, daß er sich in sie verliebet, weshalb sie auch allmählig angefangen ihn zu lieben. Indem der Erzähler weiter fortfahren wollte, kamen wir nach Gröningen. Dieses ist groß und fest, hat 7 Thore, 17 Bollwerke und einen weiten und tiefen Graben, kann auch dabei unter Wasser gesetzt werden. Daß es feste ist, haben die beiden martialischen Herren, der Churfürst von Cöln und Bischof von Münster, Bernhardt von Galen, anno 1672 genug erfahren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/108>, abgerufen am 22.07.2024.