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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Se. Simon, Proudhon,, Fourrier ercerpirt." Wie es möglich wurde, dem
argwöhnischen darmhessischen Staatsdienst so viel Zeit für die Volkswirth¬
schaft abzumüßigen, dafür hat Bamberger folgende glaubhafte Erklärung:
"Jedesmal, wenn ich auf ein neues Amt commandirt wurde, entfaltete ich
einen kannibalischen Fleiß und Eifer. Ich war früh der Erste und spät der
Letzte auf dem Posten, übernahm die meistverwickelten Nachforschungen und
verrichtete daneben noch alle Handlangerarbeit, welche den Andern zu niedrig
war, mit mönchischer Demuth. Während solcher Maßen der Grund zu einem
guten Vorurtheil gelegt wurde, kam man in vertraulichere Berührung mit den
Vorgesetzten" u. s. w. "Aber mitten in dieses Studienleben der Zurückge¬
zogenheit, welches dem Sonderbundskrieg nur von Ferne eine stille Theil¬
nahme widmen konnte, fiel die Bombe der Februarrevolution."

Wie sie einschlug -- und zündete, hat Bamberger an einer andern
Stelle*) unter dem Titel "Aus grünen Tagen" geschildert. Er trägt dort
zwar die eigenen Erlebnisse als die Erzählung "eines jüngst verstorbenen
Freundes, des Kreisrichters B. aus M. während seiner letzten Krankheit"
vor. Allein da dieser selige Kreisrichter schon auf der zweiten Seite zu der
Anschauung gelangt, daß man "bei einer Rückkehr ins Vaterland nach
zwanzigjähriger Trennung nichts fühlt, als daß man in der Zwischenzeit drei
Mal oder mehr gestorben ist -- und die Anderen erst!" so ist uns wohl ge¬
stattet, diese Wahrnehmung einem Manne zuzuschreiben, der eine günstigere
Gelegenheit hatte, Studien über die Wirkungen einer zwanzigjährigen Ab¬
wesenheit von der Heimath zu machen, als dies deutschen Kreisrichtern in der
Regel beschieden ist. Die Kunde von der Februarrevolution also erreichte
unsern Pseudo-Kreisrichter in Heidelberg, wo er nach dreijährigem Philiste-
rium wieder einmal den beiden intimsten Freunden der Hochschule die Hand
drückte, und an ihrer Seite "aus dem Revier der concept-grauen Praxis hin¬
aufstieg in die hohe Sphäre der grünen Theorie", um über der Dinge letzte
Gründe mit ihnen zu reden. Er sitzt einsam in Heidelberg bei der Lampe, in
der Fensternische, und liest im Cabanis, Rapport sur 1e Ril^siizue et Is mo-
ral. Da ruft's von unten: "Wissen Sie schon?" -- "Was?" -- "In
Paris Republik. Kein Scherz. Es steht im Journal." Den Cabanis hat
Bamberger erst im Jahre 1852 in Genf zu Ende gelesen, das Journal da¬
gegen sofort. Ihm, "der als stiller Verehrer der Gottheit Revolution heran¬
gewachsen, war zu Muthe wie dem Kinde, dem die gütige Fee des Märchens
leibhaftig vor Augen träte, im lichtblauen Gewände, im goldenen Haar und
beglückend mit allen erdenklichen Gaben. Daran hatten wir nie gedacht, daß
die Republik je in Frankreich wieder erstehen würde, denn es wäre zu schön



In dem 18"j9 von Zuk. Nodcnbeig hcmußgcgcbencn "Salon" S. IliZ fg.

Se. Simon, Proudhon,, Fourrier ercerpirt." Wie es möglich wurde, dem
argwöhnischen darmhessischen Staatsdienst so viel Zeit für die Volkswirth¬
schaft abzumüßigen, dafür hat Bamberger folgende glaubhafte Erklärung:
„Jedesmal, wenn ich auf ein neues Amt commandirt wurde, entfaltete ich
einen kannibalischen Fleiß und Eifer. Ich war früh der Erste und spät der
Letzte auf dem Posten, übernahm die meistverwickelten Nachforschungen und
verrichtete daneben noch alle Handlangerarbeit, welche den Andern zu niedrig
war, mit mönchischer Demuth. Während solcher Maßen der Grund zu einem
guten Vorurtheil gelegt wurde, kam man in vertraulichere Berührung mit den
Vorgesetzten" u. s. w. „Aber mitten in dieses Studienleben der Zurückge¬
zogenheit, welches dem Sonderbundskrieg nur von Ferne eine stille Theil¬
nahme widmen konnte, fiel die Bombe der Februarrevolution."

Wie sie einschlug — und zündete, hat Bamberger an einer andern
Stelle*) unter dem Titel „Aus grünen Tagen" geschildert. Er trägt dort
zwar die eigenen Erlebnisse als die Erzählung „eines jüngst verstorbenen
Freundes, des Kreisrichters B. aus M. während seiner letzten Krankheit"
vor. Allein da dieser selige Kreisrichter schon auf der zweiten Seite zu der
Anschauung gelangt, daß man „bei einer Rückkehr ins Vaterland nach
zwanzigjähriger Trennung nichts fühlt, als daß man in der Zwischenzeit drei
Mal oder mehr gestorben ist — und die Anderen erst!" so ist uns wohl ge¬
stattet, diese Wahrnehmung einem Manne zuzuschreiben, der eine günstigere
Gelegenheit hatte, Studien über die Wirkungen einer zwanzigjährigen Ab¬
wesenheit von der Heimath zu machen, als dies deutschen Kreisrichtern in der
Regel beschieden ist. Die Kunde von der Februarrevolution also erreichte
unsern Pseudo-Kreisrichter in Heidelberg, wo er nach dreijährigem Philiste-
rium wieder einmal den beiden intimsten Freunden der Hochschule die Hand
drückte, und an ihrer Seite „aus dem Revier der concept-grauen Praxis hin¬
aufstieg in die hohe Sphäre der grünen Theorie", um über der Dinge letzte
Gründe mit ihnen zu reden. Er sitzt einsam in Heidelberg bei der Lampe, in
der Fensternische, und liest im Cabanis, Rapport sur 1e Ril^siizue et Is mo-
ral. Da ruft's von unten: „Wissen Sie schon?" — „Was?" — „In
Paris Republik. Kein Scherz. Es steht im Journal." Den Cabanis hat
Bamberger erst im Jahre 1852 in Genf zu Ende gelesen, das Journal da¬
gegen sofort. Ihm, „der als stiller Verehrer der Gottheit Revolution heran¬
gewachsen, war zu Muthe wie dem Kinde, dem die gütige Fee des Märchens
leibhaftig vor Augen träte, im lichtblauen Gewände, im goldenen Haar und
beglückend mit allen erdenklichen Gaben. Daran hatten wir nie gedacht, daß
die Republik je in Frankreich wieder erstehen würde, denn es wäre zu schön



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/96>, abgerufen am 22.12.2024.