Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ausgesprochenen Wissensdrang zur Universität brachte, zugleich mit lebhaftem
Interesse für die Politik, im alltäglichen und wissenschaftlichen Sinne des
Wortes. Während Philosophie und Politik solchergestalt auf der Universität
neben der fachmäßig betriebenen Jurisprudenz ihm die intensiven Kräfte ab-
sorbirten, zog ihn der Ernst seiner Studien und seine aparte Natur ab vom
Studentenleben, dessen unphilosophische und noch viel mehr unpolitische Rich¬
tung auf der rohen alas, mater von Gießen ihn mit Abscheu gegen das
Corpsleben erfüllte. -- An den deutschen Hochschulen stand damals die nach-
hegelische Richtung auf ihrer Höhe, und Bamberger wurde sofort in sie hin¬
eingezogen.-- Weit mehr Nahrung für seinen Geist und seine philosophisch¬
politische Richtung, namentlich auch unter den Studiengenossen fand er in¬
dessen, als er 1843 nach Heidelberg sich wandte. Unter seiner Mitwirkung
that sich hier eine freie studentische Vereinigung "Walhalla" auf, welcher eine
große Anzahl Jünglinge angehörte, denen Bamberger später auf seinen poli¬
tischen Wegen wieder häufig begegnet ist, und deren Namen in ganz Deutsch¬
land wohlbekannt sind. Wir nennen nur: Karl Aegidi, Lent, Friedrich Kapp,
Florian Mörder, Gemahl und den Hamburger Senator Versmann. Selbst¬
verständlich ward allmählig die französische Tradition abgelegt, und das
deutsch-wissenschaftliche Leben Mittelpunkt der Anschauungen und Strebungen
Bambergers und seiner Freunde. Doch in der Politik galt ihm die Inspira¬
tion des National und was dazu gehörte immer noch als Vorbild. Ein
letztes Semester in Göttingen (184S) ward strengen pandektistischen Studien
und der ersten Bekanntschaft mit Spinoza's Werken gewidmet, die Bamberger
bis dahin nur aus geschichtlichen Darstellungen der Philosophie gekannt hatte.
Göttingen ward ihm die eigentliche Schule des Fleißes und Studirens, und
das daselbst eingeleitete Leben wurde auch fortgesetzt, als er, nachdem er im
Frühjahr 1845 Doctor beider Rechte geworden, als Hilfsarbeiter auf der
Kanzlei des Appellhofes in Mainz und dann zur "stage" bei einem Rechts¬
anwalt in Mainz mit der Vorbereitung zu seiner praktischen Ausbildung be¬
schäftigt war. Denn neben französischem Recht und rheinischem Verfahren
wurden noch ungelesene Philosophen, namentlich Spinoza, eifrig durchforscht;
und zu alledem gesellte sich nun noch eine ihm ganz neue Wissenschaft, die
Bolkswirthschaft. Die letztere fesselte nun für mehrere Jahre seinen Fleiß
am meisten. "Alle englischen und französischen Stifter der volkswirtschaft¬
lichen Schulen" -- schreibt er selbst -- "wurden vorgenommen und daneben
die eben in Schwung kommenden socialen Theorien mit Eifer und Andacht
aufgenommen. In diese drei beschaulichen Jahre von 184S--1848, während
deren auch das praktische Staats-Examen im französischen Recht absolvirt
wurde, fällt die enge Bekanntschaft mit Spinoza, Hobbes, Hume, Locke,
Ad. Smith, Ricardo, Sah, Aug. Blanqui, Fr. Bastiat; nicht minder wurden


ausgesprochenen Wissensdrang zur Universität brachte, zugleich mit lebhaftem
Interesse für die Politik, im alltäglichen und wissenschaftlichen Sinne des
Wortes. Während Philosophie und Politik solchergestalt auf der Universität
neben der fachmäßig betriebenen Jurisprudenz ihm die intensiven Kräfte ab-
sorbirten, zog ihn der Ernst seiner Studien und seine aparte Natur ab vom
Studentenleben, dessen unphilosophische und noch viel mehr unpolitische Rich¬
tung auf der rohen alas, mater von Gießen ihn mit Abscheu gegen das
Corpsleben erfüllte. — An den deutschen Hochschulen stand damals die nach-
hegelische Richtung auf ihrer Höhe, und Bamberger wurde sofort in sie hin¬
eingezogen.— Weit mehr Nahrung für seinen Geist und seine philosophisch¬
politische Richtung, namentlich auch unter den Studiengenossen fand er in¬
dessen, als er 1843 nach Heidelberg sich wandte. Unter seiner Mitwirkung
that sich hier eine freie studentische Vereinigung „Walhalla" auf, welcher eine
große Anzahl Jünglinge angehörte, denen Bamberger später auf seinen poli¬
tischen Wegen wieder häufig begegnet ist, und deren Namen in ganz Deutsch¬
land wohlbekannt sind. Wir nennen nur: Karl Aegidi, Lent, Friedrich Kapp,
Florian Mörder, Gemahl und den Hamburger Senator Versmann. Selbst¬
verständlich ward allmählig die französische Tradition abgelegt, und das
deutsch-wissenschaftliche Leben Mittelpunkt der Anschauungen und Strebungen
Bambergers und seiner Freunde. Doch in der Politik galt ihm die Inspira¬
tion des National und was dazu gehörte immer noch als Vorbild. Ein
letztes Semester in Göttingen (184S) ward strengen pandektistischen Studien
und der ersten Bekanntschaft mit Spinoza's Werken gewidmet, die Bamberger
bis dahin nur aus geschichtlichen Darstellungen der Philosophie gekannt hatte.
Göttingen ward ihm die eigentliche Schule des Fleißes und Studirens, und
das daselbst eingeleitete Leben wurde auch fortgesetzt, als er, nachdem er im
Frühjahr 1845 Doctor beider Rechte geworden, als Hilfsarbeiter auf der
Kanzlei des Appellhofes in Mainz und dann zur „stage" bei einem Rechts¬
anwalt in Mainz mit der Vorbereitung zu seiner praktischen Ausbildung be¬
schäftigt war. Denn neben französischem Recht und rheinischem Verfahren
wurden noch ungelesene Philosophen, namentlich Spinoza, eifrig durchforscht;
und zu alledem gesellte sich nun noch eine ihm ganz neue Wissenschaft, die
Bolkswirthschaft. Die letztere fesselte nun für mehrere Jahre seinen Fleiß
am meisten. „Alle englischen und französischen Stifter der volkswirtschaft¬
lichen Schulen" — schreibt er selbst — „wurden vorgenommen und daneben
die eben in Schwung kommenden socialen Theorien mit Eifer und Andacht
aufgenommen. In diese drei beschaulichen Jahre von 184S—1848, während
deren auch das praktische Staats-Examen im französischen Recht absolvirt
wurde, fällt die enge Bekanntschaft mit Spinoza, Hobbes, Hume, Locke,
Ad. Smith, Ricardo, Sah, Aug. Blanqui, Fr. Bastiat; nicht minder wurden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127491"/>
          <p xml:id="ID_310" prev="#ID_309" next="#ID_311"> ausgesprochenen Wissensdrang zur Universität brachte, zugleich mit lebhaftem<lb/>
Interesse für die Politik, im alltäglichen und wissenschaftlichen Sinne des<lb/>
Wortes. Während Philosophie und Politik solchergestalt auf der Universität<lb/>
neben der fachmäßig betriebenen Jurisprudenz ihm die intensiven Kräfte ab-<lb/>
sorbirten, zog ihn der Ernst seiner Studien und seine aparte Natur ab vom<lb/>
Studentenleben, dessen unphilosophische und noch viel mehr unpolitische Rich¬<lb/>
tung auf der rohen alas, mater von Gießen ihn mit Abscheu gegen das<lb/>
Corpsleben erfüllte. &#x2014; An den deutschen Hochschulen stand damals die nach-<lb/>
hegelische Richtung auf ihrer Höhe, und Bamberger wurde sofort in sie hin¬<lb/>
eingezogen.&#x2014; Weit mehr Nahrung für seinen Geist und seine philosophisch¬<lb/>
politische Richtung, namentlich auch unter den Studiengenossen fand er in¬<lb/>
dessen, als er 1843 nach Heidelberg sich wandte. Unter seiner Mitwirkung<lb/>
that sich hier eine freie studentische Vereinigung &#x201E;Walhalla" auf, welcher eine<lb/>
große Anzahl Jünglinge angehörte, denen Bamberger später auf seinen poli¬<lb/>
tischen Wegen wieder häufig begegnet ist, und deren Namen in ganz Deutsch¬<lb/>
land wohlbekannt sind. Wir nennen nur: Karl Aegidi, Lent, Friedrich Kapp,<lb/>
Florian Mörder, Gemahl und den Hamburger Senator Versmann. Selbst¬<lb/>
verständlich ward allmählig die französische Tradition abgelegt, und das<lb/>
deutsch-wissenschaftliche Leben Mittelpunkt der Anschauungen und Strebungen<lb/>
Bambergers und seiner Freunde. Doch in der Politik galt ihm die Inspira¬<lb/>
tion des National und was dazu gehörte immer noch als Vorbild. Ein<lb/>
letztes Semester in Göttingen (184S) ward strengen pandektistischen Studien<lb/>
und der ersten Bekanntschaft mit Spinoza's Werken gewidmet, die Bamberger<lb/>
bis dahin nur aus geschichtlichen Darstellungen der Philosophie gekannt hatte.<lb/>
Göttingen ward ihm die eigentliche Schule des Fleißes und Studirens, und<lb/>
das daselbst eingeleitete Leben wurde auch fortgesetzt, als er, nachdem er im<lb/>
Frühjahr 1845 Doctor beider Rechte geworden, als Hilfsarbeiter auf der<lb/>
Kanzlei des Appellhofes in Mainz und dann zur &#x201E;stage" bei einem Rechts¬<lb/>
anwalt in Mainz mit der Vorbereitung zu seiner praktischen Ausbildung be¬<lb/>
schäftigt war. Denn neben französischem Recht und rheinischem Verfahren<lb/>
wurden noch ungelesene Philosophen, namentlich Spinoza, eifrig durchforscht;<lb/>
und zu alledem gesellte sich nun noch eine ihm ganz neue Wissenschaft, die<lb/>
Bolkswirthschaft. Die letztere fesselte nun für mehrere Jahre seinen Fleiß<lb/>
am meisten. &#x201E;Alle englischen und französischen Stifter der volkswirtschaft¬<lb/>
lichen Schulen" &#x2014; schreibt er selbst &#x2014; &#x201E;wurden vorgenommen und daneben<lb/>
die eben in Schwung kommenden socialen Theorien mit Eifer und Andacht<lb/>
aufgenommen. In diese drei beschaulichen Jahre von 184S&#x2014;1848, während<lb/>
deren auch das praktische Staats-Examen im französischen Recht absolvirt<lb/>
wurde, fällt die enge Bekanntschaft mit Spinoza, Hobbes, Hume, Locke,<lb/>
Ad. Smith, Ricardo, Sah, Aug. Blanqui, Fr. Bastiat; nicht minder wurden</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0095] ausgesprochenen Wissensdrang zur Universität brachte, zugleich mit lebhaftem Interesse für die Politik, im alltäglichen und wissenschaftlichen Sinne des Wortes. Während Philosophie und Politik solchergestalt auf der Universität neben der fachmäßig betriebenen Jurisprudenz ihm die intensiven Kräfte ab- sorbirten, zog ihn der Ernst seiner Studien und seine aparte Natur ab vom Studentenleben, dessen unphilosophische und noch viel mehr unpolitische Rich¬ tung auf der rohen alas, mater von Gießen ihn mit Abscheu gegen das Corpsleben erfüllte. — An den deutschen Hochschulen stand damals die nach- hegelische Richtung auf ihrer Höhe, und Bamberger wurde sofort in sie hin¬ eingezogen.— Weit mehr Nahrung für seinen Geist und seine philosophisch¬ politische Richtung, namentlich auch unter den Studiengenossen fand er in¬ dessen, als er 1843 nach Heidelberg sich wandte. Unter seiner Mitwirkung that sich hier eine freie studentische Vereinigung „Walhalla" auf, welcher eine große Anzahl Jünglinge angehörte, denen Bamberger später auf seinen poli¬ tischen Wegen wieder häufig begegnet ist, und deren Namen in ganz Deutsch¬ land wohlbekannt sind. Wir nennen nur: Karl Aegidi, Lent, Friedrich Kapp, Florian Mörder, Gemahl und den Hamburger Senator Versmann. Selbst¬ verständlich ward allmählig die französische Tradition abgelegt, und das deutsch-wissenschaftliche Leben Mittelpunkt der Anschauungen und Strebungen Bambergers und seiner Freunde. Doch in der Politik galt ihm die Inspira¬ tion des National und was dazu gehörte immer noch als Vorbild. Ein letztes Semester in Göttingen (184S) ward strengen pandektistischen Studien und der ersten Bekanntschaft mit Spinoza's Werken gewidmet, die Bamberger bis dahin nur aus geschichtlichen Darstellungen der Philosophie gekannt hatte. Göttingen ward ihm die eigentliche Schule des Fleißes und Studirens, und das daselbst eingeleitete Leben wurde auch fortgesetzt, als er, nachdem er im Frühjahr 1845 Doctor beider Rechte geworden, als Hilfsarbeiter auf der Kanzlei des Appellhofes in Mainz und dann zur „stage" bei einem Rechts¬ anwalt in Mainz mit der Vorbereitung zu seiner praktischen Ausbildung be¬ schäftigt war. Denn neben französischem Recht und rheinischem Verfahren wurden noch ungelesene Philosophen, namentlich Spinoza, eifrig durchforscht; und zu alledem gesellte sich nun noch eine ihm ganz neue Wissenschaft, die Bolkswirthschaft. Die letztere fesselte nun für mehrere Jahre seinen Fleiß am meisten. „Alle englischen und französischen Stifter der volkswirtschaft¬ lichen Schulen" — schreibt er selbst — „wurden vorgenommen und daneben die eben in Schwung kommenden socialen Theorien mit Eifer und Andacht aufgenommen. In diese drei beschaulichen Jahre von 184S—1848, während deren auch das praktische Staats-Examen im französischen Recht absolvirt wurde, fällt die enge Bekanntschaft mit Spinoza, Hobbes, Hume, Locke, Ad. Smith, Ricardo, Sah, Aug. Blanqui, Fr. Bastiat; nicht minder wurden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/95
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/95>, abgerufen am 22.12.2024.