Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in einer Republik oder einer Monarchie, immer ist der eigentlichste und schlimmste
Despot in der gegenwärtigen Gesellschaft das Capital oder, um deutlicher zu
sein, die Classe der Capitalien, die Bourgeoisie. Alle unsere Regierer, wer
sie auch seien, Kaiser, konstitutionelle Könige, republikanische Präsidenten,
ziehen nicht wie ehedem ihre Macht aus sich selbst, sondern vielmehr aus der
bevorrechteten Classe, deren Vertreter, aus dem Capital, dessen Fleischwerdung
sie sind/'

Der Verfasser setzt dann seinen Lesern auseinander, wie die Bourgeoisie,
erschrocken durch die täglich wachsenden Erfolge der Internationale, einen
Vorwand sucht, um dieselbe zu unterdrücken. Sie sinnt fortwährend auf
Mittel, um die Arbeiter zu reizen, daß sie die Arbeit einstellen, um dann diese
Arbeitsniederlegung als Aufruhr denunciren zu können.

"Das ist", so fährt das Blatt fort, "der Ursprung jener gräßlichen
Komödie mit tragischen Scenen, welche vergangene Woche begann und sich
vor unseren Augen entrollt, in der die Proletarier im Soldatenrocke und die
Proletarier in der Arbeitsblouse die Acteurs, der Bourgeois der Regisseur,
die Ufer der Maas und die Ebenen von Borinage die Schaubühne waren,
bei der aber das Publieum nicht der Getäuschte sein wird. Welches Interesse
könnte die Internationale haben, solche Emeuten zu sehen? Ist's, weil sie
will, daß die Arbeitseinstellungen ihren Zweck erreichen? Aber die Emeute ist
ja gerade das Mittel, sie scheitern zu machen. Ist's, weil sie auf eine Revo¬
lution nicht blos in Betreff der Form, wie die von 1830, sondern von Grund
aus hinstrebt, das heißt auf eine solche Revolution, welche die Abschaffung
des individuellen Grundeigenthums, die Herrschaft der Arbeit über das Capi¬
tal, die Beseitigung der Löhne, den vollständigen Unterricht zum Gegenstande
hat? Aber die Emeuten lassen ja nur ohne irgend welchen Gewinn die
geistige und körperliche Kraft verschwenden, welche nicht eher auf die Bühne
gebracht werden sollten, als an dem großen Tage der socialen Abrechnung.
Nur die Bourgeoisie kann ein Interesse an den Arbeiterunruhen haben, weil
dies ihnen Gelegenheit gibt, diese Sclaven auszurotten, sie in Schrecken zu
setzen, die socialistische Bewegung zu hemmen. Illo keen cui proäest. Nach
diesem Grundsatz verlangen wir die Verhaftung der Häupter unserer Bour¬
geoisie, das heißt unserer großen Industriellen, unserer Herren von der hohen
Finanz, unserer Großhändler, unserer reichen Capitalien, unserer großen
Landeigenthümer und ihrer officiellen Vertreter, sowie die schnellste Freigebung
unserer hinter Schloß und Riegel gebrachten Genossen. Die Gerechtigkeit
muß, wenn sie wirklich dieses erhabenen Namens werth sein soll, endlich die
großen und allein schuldigen Sünder ergreifen, das Blut der Märtyrer von
Seraing und Frameries muß über die kommen, welche es vergießen ließen."


in einer Republik oder einer Monarchie, immer ist der eigentlichste und schlimmste
Despot in der gegenwärtigen Gesellschaft das Capital oder, um deutlicher zu
sein, die Classe der Capitalien, die Bourgeoisie. Alle unsere Regierer, wer
sie auch seien, Kaiser, konstitutionelle Könige, republikanische Präsidenten,
ziehen nicht wie ehedem ihre Macht aus sich selbst, sondern vielmehr aus der
bevorrechteten Classe, deren Vertreter, aus dem Capital, dessen Fleischwerdung
sie sind/'

Der Verfasser setzt dann seinen Lesern auseinander, wie die Bourgeoisie,
erschrocken durch die täglich wachsenden Erfolge der Internationale, einen
Vorwand sucht, um dieselbe zu unterdrücken. Sie sinnt fortwährend auf
Mittel, um die Arbeiter zu reizen, daß sie die Arbeit einstellen, um dann diese
Arbeitsniederlegung als Aufruhr denunciren zu können.

„Das ist", so fährt das Blatt fort, „der Ursprung jener gräßlichen
Komödie mit tragischen Scenen, welche vergangene Woche begann und sich
vor unseren Augen entrollt, in der die Proletarier im Soldatenrocke und die
Proletarier in der Arbeitsblouse die Acteurs, der Bourgeois der Regisseur,
die Ufer der Maas und die Ebenen von Borinage die Schaubühne waren,
bei der aber das Publieum nicht der Getäuschte sein wird. Welches Interesse
könnte die Internationale haben, solche Emeuten zu sehen? Ist's, weil sie
will, daß die Arbeitseinstellungen ihren Zweck erreichen? Aber die Emeute ist
ja gerade das Mittel, sie scheitern zu machen. Ist's, weil sie auf eine Revo¬
lution nicht blos in Betreff der Form, wie die von 1830, sondern von Grund
aus hinstrebt, das heißt auf eine solche Revolution, welche die Abschaffung
des individuellen Grundeigenthums, die Herrschaft der Arbeit über das Capi¬
tal, die Beseitigung der Löhne, den vollständigen Unterricht zum Gegenstande
hat? Aber die Emeuten lassen ja nur ohne irgend welchen Gewinn die
geistige und körperliche Kraft verschwenden, welche nicht eher auf die Bühne
gebracht werden sollten, als an dem großen Tage der socialen Abrechnung.
Nur die Bourgeoisie kann ein Interesse an den Arbeiterunruhen haben, weil
dies ihnen Gelegenheit gibt, diese Sclaven auszurotten, sie in Schrecken zu
setzen, die socialistische Bewegung zu hemmen. Illo keen cui proäest. Nach
diesem Grundsatz verlangen wir die Verhaftung der Häupter unserer Bour¬
geoisie, das heißt unserer großen Industriellen, unserer Herren von der hohen
Finanz, unserer Großhändler, unserer reichen Capitalien, unserer großen
Landeigenthümer und ihrer officiellen Vertreter, sowie die schnellste Freigebung
unserer hinter Schloß und Riegel gebrachten Genossen. Die Gerechtigkeit
muß, wenn sie wirklich dieses erhabenen Namens werth sein soll, endlich die
großen und allein schuldigen Sünder ergreifen, das Blut der Märtyrer von
Seraing und Frameries muß über die kommen, welche es vergießen ließen."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127466"/>
            <p xml:id="ID_236" prev="#ID_235"> in einer Republik oder einer Monarchie, immer ist der eigentlichste und schlimmste<lb/>
Despot in der gegenwärtigen Gesellschaft das Capital oder, um deutlicher zu<lb/>
sein, die Classe der Capitalien, die Bourgeoisie. Alle unsere Regierer, wer<lb/>
sie auch seien, Kaiser, konstitutionelle Könige, republikanische Präsidenten,<lb/>
ziehen nicht wie ehedem ihre Macht aus sich selbst, sondern vielmehr aus der<lb/>
bevorrechteten Classe, deren Vertreter, aus dem Capital, dessen Fleischwerdung<lb/>
sie sind/'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_237"> Der Verfasser setzt dann seinen Lesern auseinander, wie die Bourgeoisie,<lb/>
erschrocken durch die täglich wachsenden Erfolge der Internationale, einen<lb/>
Vorwand sucht, um dieselbe zu unterdrücken. Sie sinnt fortwährend auf<lb/>
Mittel, um die Arbeiter zu reizen, daß sie die Arbeit einstellen, um dann diese<lb/>
Arbeitsniederlegung als Aufruhr denunciren zu können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_238"> &#x201E;Das ist", so fährt das Blatt fort, &#x201E;der Ursprung jener gräßlichen<lb/>
Komödie mit tragischen Scenen, welche vergangene Woche begann und sich<lb/>
vor unseren Augen entrollt, in der die Proletarier im Soldatenrocke und die<lb/>
Proletarier in der Arbeitsblouse die Acteurs, der Bourgeois der Regisseur,<lb/>
die Ufer der Maas und die Ebenen von Borinage die Schaubühne waren,<lb/>
bei der aber das Publieum nicht der Getäuschte sein wird. Welches Interesse<lb/>
könnte die Internationale haben, solche Emeuten zu sehen? Ist's, weil sie<lb/>
will, daß die Arbeitseinstellungen ihren Zweck erreichen? Aber die Emeute ist<lb/>
ja gerade das Mittel, sie scheitern zu machen. Ist's, weil sie auf eine Revo¬<lb/>
lution nicht blos in Betreff der Form, wie die von 1830, sondern von Grund<lb/>
aus hinstrebt, das heißt auf eine solche Revolution, welche die Abschaffung<lb/>
des individuellen Grundeigenthums, die Herrschaft der Arbeit über das Capi¬<lb/>
tal, die Beseitigung der Löhne, den vollständigen Unterricht zum Gegenstande<lb/>
hat? Aber die Emeuten lassen ja nur ohne irgend welchen Gewinn die<lb/>
geistige und körperliche Kraft verschwenden, welche nicht eher auf die Bühne<lb/>
gebracht werden sollten, als an dem großen Tage der socialen Abrechnung.<lb/>
Nur die Bourgeoisie kann ein Interesse an den Arbeiterunruhen haben, weil<lb/>
dies ihnen Gelegenheit gibt, diese Sclaven auszurotten, sie in Schrecken zu<lb/>
setzen, die socialistische Bewegung zu hemmen. Illo keen cui proäest. Nach<lb/>
diesem Grundsatz verlangen wir die Verhaftung der Häupter unserer Bour¬<lb/>
geoisie, das heißt unserer großen Industriellen, unserer Herren von der hohen<lb/>
Finanz, unserer Großhändler, unserer reichen Capitalien, unserer großen<lb/>
Landeigenthümer und ihrer officiellen Vertreter, sowie die schnellste Freigebung<lb/>
unserer hinter Schloß und Riegel gebrachten Genossen. Die Gerechtigkeit<lb/>
muß, wenn sie wirklich dieses erhabenen Namens werth sein soll, endlich die<lb/>
großen und allein schuldigen Sünder ergreifen, das Blut der Märtyrer von<lb/>
Seraing und Frameries muß über die kommen, welche es vergießen ließen."</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0070] in einer Republik oder einer Monarchie, immer ist der eigentlichste und schlimmste Despot in der gegenwärtigen Gesellschaft das Capital oder, um deutlicher zu sein, die Classe der Capitalien, die Bourgeoisie. Alle unsere Regierer, wer sie auch seien, Kaiser, konstitutionelle Könige, republikanische Präsidenten, ziehen nicht wie ehedem ihre Macht aus sich selbst, sondern vielmehr aus der bevorrechteten Classe, deren Vertreter, aus dem Capital, dessen Fleischwerdung sie sind/' Der Verfasser setzt dann seinen Lesern auseinander, wie die Bourgeoisie, erschrocken durch die täglich wachsenden Erfolge der Internationale, einen Vorwand sucht, um dieselbe zu unterdrücken. Sie sinnt fortwährend auf Mittel, um die Arbeiter zu reizen, daß sie die Arbeit einstellen, um dann diese Arbeitsniederlegung als Aufruhr denunciren zu können. „Das ist", so fährt das Blatt fort, „der Ursprung jener gräßlichen Komödie mit tragischen Scenen, welche vergangene Woche begann und sich vor unseren Augen entrollt, in der die Proletarier im Soldatenrocke und die Proletarier in der Arbeitsblouse die Acteurs, der Bourgeois der Regisseur, die Ufer der Maas und die Ebenen von Borinage die Schaubühne waren, bei der aber das Publieum nicht der Getäuschte sein wird. Welches Interesse könnte die Internationale haben, solche Emeuten zu sehen? Ist's, weil sie will, daß die Arbeitseinstellungen ihren Zweck erreichen? Aber die Emeute ist ja gerade das Mittel, sie scheitern zu machen. Ist's, weil sie auf eine Revo¬ lution nicht blos in Betreff der Form, wie die von 1830, sondern von Grund aus hinstrebt, das heißt auf eine solche Revolution, welche die Abschaffung des individuellen Grundeigenthums, die Herrschaft der Arbeit über das Capi¬ tal, die Beseitigung der Löhne, den vollständigen Unterricht zum Gegenstande hat? Aber die Emeuten lassen ja nur ohne irgend welchen Gewinn die geistige und körperliche Kraft verschwenden, welche nicht eher auf die Bühne gebracht werden sollten, als an dem großen Tage der socialen Abrechnung. Nur die Bourgeoisie kann ein Interesse an den Arbeiterunruhen haben, weil dies ihnen Gelegenheit gibt, diese Sclaven auszurotten, sie in Schrecken zu setzen, die socialistische Bewegung zu hemmen. Illo keen cui proäest. Nach diesem Grundsatz verlangen wir die Verhaftung der Häupter unserer Bour¬ geoisie, das heißt unserer großen Industriellen, unserer Herren von der hohen Finanz, unserer Großhändler, unserer reichen Capitalien, unserer großen Landeigenthümer und ihrer officiellen Vertreter, sowie die schnellste Freigebung unserer hinter Schloß und Riegel gebrachten Genossen. Die Gerechtigkeit muß, wenn sie wirklich dieses erhabenen Namens werth sein soll, endlich die großen und allein schuldigen Sünder ergreifen, das Blut der Märtyrer von Seraing und Frameries muß über die kommen, welche es vergießen ließen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/70
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/70>, abgerufen am 24.08.2024.