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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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unitarische oder, was vielleicht richtiger ist, die spezifisch preußische Richtung in
denselben wurde noch schärfer ausgeprägt, noch kräftiger betont. Das Jahr
1866 war das praktische Experiment, durch das die Richtigkeit seiner historisch¬
politischer Deductionen erwiesen wurde. Von Freiburg wurde der Autor
damals nach Kiel versprengt; enger knüpften sich ihm die Bande mit den
Preußischen Jahrbüchern, die von da an geradezu als sein Organ anzusehen
sind. Nachher, im Herbst 1867. wurde ihm der Lehrstuhl des zu früh geschie¬
denen Hauffer in Heidelberg zu Theil. Es ist bekannt, mit welchem Erfolge
er dort des akademischen Amtes Aufgaben erfüllt: nach Hunderten zählen die
Jünglinge, die dort ihre historisch-politische Bildung erhalten und zu patrio¬
tischen Bürgern des neuen Deutschland die Weihe durch ihn empfangen.

Von" dem Ansehen und der Bedeutung aller politischen Aeußerungen
Treitschke's seit 1866 ist hier nicht nöthig weitläufiger zu sprechen. Alle Welt
kennt und liest die Broschüren und die Artikel in den Preußischen Jahrbüchern,
in welchen er die Probleme der fortgehenden politischen Arbeit bespricht, und
schon mehr wie einmal in die Gestaltung der Verhältnisse. Deutschlands erfolg¬
reich und heilsam eingegriffen hat. Treitschke gehört heute nicht allein zu
unseren hervorragendsten akademischen Lehrern, unseren glänzendsten Schrift¬
stellern, er nimmt auch unter unseren Staatsmännern schon einen achtung¬
gebietenden Platz ein: durch seine Pamphlete und durch seine Reden wirkt er
an dem Bau des deutschen Reiches mit. in treuer Erfüllung der Ideale, wie
er seit 1864 sie so begeistert verkündet, in ausharrendem opferbereitem Dienste
an der Stelle, wohin sein Beruf ihn gestellt hat. Wir betrachten es nicht
als unsere Sache, diese Seite hier weiter zu beleuchten.

Neben allen diesen politischen und literarischen Arbeiten des Tages hat
Treitschke sich auch dem Dienste seiner historischen Wissenschaft noch erhalten.
Eine Anzahl gediegener historischer Arbeiten über Frankreich und den Bona¬
partismus, über die italienische Einheitsbewegung, über die Republik der Nie¬
derlande seit dem 16. Jahrhundert hat er nach und nach veröffentlicht und
1870 zu einer "Neuen Folge" seiner Aufsätze vereinigt. Jetzt endlich, neu
revidirt und neu geordnet bietet er uns das Ganze in einer zusammenhän¬
genden Reihe von "Historischen und Politischen Aufsätzen" -- 4.
Auflage -- in drei stattlichen Bänden dar, ein willkommener Anlaß Art
und Weise und Bedeutung des Historikers Treitschke hier zu charakterisiren.
Nachdem wir bisher versucht seiner politischen Bedeutung gerecht zu werden,
sei es also noch gestattet, seinen wissenschaftlichen,Charakter genauer ins
Auge zu fassen.

Wir bemerken zuerst, daß Treitschke selbst eine Sichtung unter seinen Ar¬
beiten vorgenommen hat. In die Sammlung hat er nicht eingestellt, was
der Tagespolitik gedient, was nur dem Momente bestimmt war: alles was


unitarische oder, was vielleicht richtiger ist, die spezifisch preußische Richtung in
denselben wurde noch schärfer ausgeprägt, noch kräftiger betont. Das Jahr
1866 war das praktische Experiment, durch das die Richtigkeit seiner historisch¬
politischer Deductionen erwiesen wurde. Von Freiburg wurde der Autor
damals nach Kiel versprengt; enger knüpften sich ihm die Bande mit den
Preußischen Jahrbüchern, die von da an geradezu als sein Organ anzusehen
sind. Nachher, im Herbst 1867. wurde ihm der Lehrstuhl des zu früh geschie¬
denen Hauffer in Heidelberg zu Theil. Es ist bekannt, mit welchem Erfolge
er dort des akademischen Amtes Aufgaben erfüllt: nach Hunderten zählen die
Jünglinge, die dort ihre historisch-politische Bildung erhalten und zu patrio¬
tischen Bürgern des neuen Deutschland die Weihe durch ihn empfangen.

Von" dem Ansehen und der Bedeutung aller politischen Aeußerungen
Treitschke's seit 1866 ist hier nicht nöthig weitläufiger zu sprechen. Alle Welt
kennt und liest die Broschüren und die Artikel in den Preußischen Jahrbüchern,
in welchen er die Probleme der fortgehenden politischen Arbeit bespricht, und
schon mehr wie einmal in die Gestaltung der Verhältnisse. Deutschlands erfolg¬
reich und heilsam eingegriffen hat. Treitschke gehört heute nicht allein zu
unseren hervorragendsten akademischen Lehrern, unseren glänzendsten Schrift¬
stellern, er nimmt auch unter unseren Staatsmännern schon einen achtung¬
gebietenden Platz ein: durch seine Pamphlete und durch seine Reden wirkt er
an dem Bau des deutschen Reiches mit. in treuer Erfüllung der Ideale, wie
er seit 1864 sie so begeistert verkündet, in ausharrendem opferbereitem Dienste
an der Stelle, wohin sein Beruf ihn gestellt hat. Wir betrachten es nicht
als unsere Sache, diese Seite hier weiter zu beleuchten.

Neben allen diesen politischen und literarischen Arbeiten des Tages hat
Treitschke sich auch dem Dienste seiner historischen Wissenschaft noch erhalten.
Eine Anzahl gediegener historischer Arbeiten über Frankreich und den Bona¬
partismus, über die italienische Einheitsbewegung, über die Republik der Nie¬
derlande seit dem 16. Jahrhundert hat er nach und nach veröffentlicht und
1870 zu einer „Neuen Folge" seiner Aufsätze vereinigt. Jetzt endlich, neu
revidirt und neu geordnet bietet er uns das Ganze in einer zusammenhän¬
genden Reihe von „Historischen und Politischen Aufsätzen" — 4.
Auflage — in drei stattlichen Bänden dar, ein willkommener Anlaß Art
und Weise und Bedeutung des Historikers Treitschke hier zu charakterisiren.
Nachdem wir bisher versucht seiner politischen Bedeutung gerecht zu werden,
sei es also noch gestattet, seinen wissenschaftlichen,Charakter genauer ins
Auge zu fassen.

Wir bemerken zuerst, daß Treitschke selbst eine Sichtung unter seinen Ar¬
beiten vorgenommen hat. In die Sammlung hat er nicht eingestellt, was
der Tagespolitik gedient, was nur dem Momente bestimmt war: alles was


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/54>, abgerufen am 22.12.2024.