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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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deutschlcmd" (Preuß. Jahrb. Januar 1865) zeichneten ein dunkles Bild von
der damaligen Lage und warfen dunkle Schatten in die nächste Zukunft.
Eine der unzweifelhaft competentesten Stimmen, Einer der angesehensten
Führer der "Gothaer", Einer derjenigen wissenschaftlich-politischen Männer,
deren Wort für die Masse der Partei schwer ins Gewicht fiel, hatte sich also
gegen die bedingte Versöhnung der nationalen und liberalen Majorität mit
Bismarck ausgesprochen: er hatte gegen die deutsche Politik, wenn sie von
den Junkern ausging, Einsprache gethan. Es war ein wohl erwogenes Ur¬
theil, eine Parteinahme aus sittlichen Motiven entsprungen, das Resultat
eines historischen und politischen Studien gewidmeten Lebens. Wer Häussers
"Deutsche Geschichte" nicht blos einmal gelesen, sondern studirt hat, wird es
fühlen, wie jedes Wort der "Sylvesterbetrachtungen" auch nur der° Ausfluß
seiner durch historisches Studium begründeten Geschichtsanschauung ist. Uns
will es unmöglich erscheinen, daß der Autor der deutschen Geschichte damals
sich anders als gegen Bismarck hätte entscheiden können! Häussers ernstes
Mahnwort durfte nicht unerwiedert bleiben; und besser, als irgend Jemand
es vermocht hätte, ertheilte Treitschke dem hochverehrten Lehrer in Heidelberg
die dringend erforderte Antwort. Schon das Februarheft der Jahrbücher
brachte die schlagfertige Replik, welche in offenster Weise, mit sittlichem Nach¬
drucke, mit hohem Pathos die Unterstützung Bismarcks in der Schleswig'schen
und deutschen Frage als eine Pflicht der nationalen hinstellte. Wie hell
und frisch stach die Farbe dieses Bildes von der düsteren Beleuchtung Häussers
ab! Wie zuversichtlich und freudig klang der Ton dieser Sprache neben der
schwermüthigen Stimme des älteren Parteigenossen! Wenn wir uns den
Ausdruck erlauben dürfen: die Generation von 1866 trat hier zum ersten
Male neben das Geschlecht von 1848! Der Unterschied, ja auch der theil¬
weise Gegensatz der beiden blutsverwandten Generationen, -- in den beiden
genannten Aufsätzen spricht er sich aus. Hauffer und Treitschke, so eng der
Zusammenhang zwischen ihnen und die Verwandtschaft der Naturen sein
mag, gelten uns heute als Repräsentanten zweier geistigen Bildungsschichten
in unserem Volke, die aus einander gefolgt sind: 1840 bis 1850 dort, hier
1860 bis 1870.

Anfeindungen wegen dieser Aeußerungen blieben nicht aus. Auf eine
derselben hat H. von Treitschke sehr kräftig und schlagend geantwortet (d. d.
22. Februar 1865 in den Grenzboten). Herrn Prof. Biedermann in Leipzig,
einem der Liberalen von-1848. der jetzt noch nicht sich in die neue preußische Politik
finden konnte, erklärte er ganz unumwunden es für patriotische Pflicht, das
"preiswürdige Unternehmen" einer Verstärkung und Vergrößerung Preußens
nach Kräften zu unterstützen.

Schon im Herbste 1865 erlebten die Aufsätze eine zweite Auflage. Die


deutschlcmd" (Preuß. Jahrb. Januar 1865) zeichneten ein dunkles Bild von
der damaligen Lage und warfen dunkle Schatten in die nächste Zukunft.
Eine der unzweifelhaft competentesten Stimmen, Einer der angesehensten
Führer der „Gothaer", Einer derjenigen wissenschaftlich-politischen Männer,
deren Wort für die Masse der Partei schwer ins Gewicht fiel, hatte sich also
gegen die bedingte Versöhnung der nationalen und liberalen Majorität mit
Bismarck ausgesprochen: er hatte gegen die deutsche Politik, wenn sie von
den Junkern ausging, Einsprache gethan. Es war ein wohl erwogenes Ur¬
theil, eine Parteinahme aus sittlichen Motiven entsprungen, das Resultat
eines historischen und politischen Studien gewidmeten Lebens. Wer Häussers
„Deutsche Geschichte" nicht blos einmal gelesen, sondern studirt hat, wird es
fühlen, wie jedes Wort der „Sylvesterbetrachtungen" auch nur der° Ausfluß
seiner durch historisches Studium begründeten Geschichtsanschauung ist. Uns
will es unmöglich erscheinen, daß der Autor der deutschen Geschichte damals
sich anders als gegen Bismarck hätte entscheiden können! Häussers ernstes
Mahnwort durfte nicht unerwiedert bleiben; und besser, als irgend Jemand
es vermocht hätte, ertheilte Treitschke dem hochverehrten Lehrer in Heidelberg
die dringend erforderte Antwort. Schon das Februarheft der Jahrbücher
brachte die schlagfertige Replik, welche in offenster Weise, mit sittlichem Nach¬
drucke, mit hohem Pathos die Unterstützung Bismarcks in der Schleswig'schen
und deutschen Frage als eine Pflicht der nationalen hinstellte. Wie hell
und frisch stach die Farbe dieses Bildes von der düsteren Beleuchtung Häussers
ab! Wie zuversichtlich und freudig klang der Ton dieser Sprache neben der
schwermüthigen Stimme des älteren Parteigenossen! Wenn wir uns den
Ausdruck erlauben dürfen: die Generation von 1866 trat hier zum ersten
Male neben das Geschlecht von 1848! Der Unterschied, ja auch der theil¬
weise Gegensatz der beiden blutsverwandten Generationen, — in den beiden
genannten Aufsätzen spricht er sich aus. Hauffer und Treitschke, so eng der
Zusammenhang zwischen ihnen und die Verwandtschaft der Naturen sein
mag, gelten uns heute als Repräsentanten zweier geistigen Bildungsschichten
in unserem Volke, die aus einander gefolgt sind: 1840 bis 1850 dort, hier
1860 bis 1870.

Anfeindungen wegen dieser Aeußerungen blieben nicht aus. Auf eine
derselben hat H. von Treitschke sehr kräftig und schlagend geantwortet (d. d.
22. Februar 1865 in den Grenzboten). Herrn Prof. Biedermann in Leipzig,
einem der Liberalen von-1848. der jetzt noch nicht sich in die neue preußische Politik
finden konnte, erklärte er ganz unumwunden es für patriotische Pflicht, das
„preiswürdige Unternehmen" einer Verstärkung und Vergrößerung Preußens
nach Kräften zu unterstützen.

Schon im Herbste 1865 erlebten die Aufsätze eine zweite Auflage. Die


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[0053] deutschlcmd" (Preuß. Jahrb. Januar 1865) zeichneten ein dunkles Bild von der damaligen Lage und warfen dunkle Schatten in die nächste Zukunft. Eine der unzweifelhaft competentesten Stimmen, Einer der angesehensten Führer der „Gothaer", Einer derjenigen wissenschaftlich-politischen Männer, deren Wort für die Masse der Partei schwer ins Gewicht fiel, hatte sich also gegen die bedingte Versöhnung der nationalen und liberalen Majorität mit Bismarck ausgesprochen: er hatte gegen die deutsche Politik, wenn sie von den Junkern ausging, Einsprache gethan. Es war ein wohl erwogenes Ur¬ theil, eine Parteinahme aus sittlichen Motiven entsprungen, das Resultat eines historischen und politischen Studien gewidmeten Lebens. Wer Häussers „Deutsche Geschichte" nicht blos einmal gelesen, sondern studirt hat, wird es fühlen, wie jedes Wort der „Sylvesterbetrachtungen" auch nur der° Ausfluß seiner durch historisches Studium begründeten Geschichtsanschauung ist. Uns will es unmöglich erscheinen, daß der Autor der deutschen Geschichte damals sich anders als gegen Bismarck hätte entscheiden können! Häussers ernstes Mahnwort durfte nicht unerwiedert bleiben; und besser, als irgend Jemand es vermocht hätte, ertheilte Treitschke dem hochverehrten Lehrer in Heidelberg die dringend erforderte Antwort. Schon das Februarheft der Jahrbücher brachte die schlagfertige Replik, welche in offenster Weise, mit sittlichem Nach¬ drucke, mit hohem Pathos die Unterstützung Bismarcks in der Schleswig'schen und deutschen Frage als eine Pflicht der nationalen hinstellte. Wie hell und frisch stach die Farbe dieses Bildes von der düsteren Beleuchtung Häussers ab! Wie zuversichtlich und freudig klang der Ton dieser Sprache neben der schwermüthigen Stimme des älteren Parteigenossen! Wenn wir uns den Ausdruck erlauben dürfen: die Generation von 1866 trat hier zum ersten Male neben das Geschlecht von 1848! Der Unterschied, ja auch der theil¬ weise Gegensatz der beiden blutsverwandten Generationen, — in den beiden genannten Aufsätzen spricht er sich aus. Hauffer und Treitschke, so eng der Zusammenhang zwischen ihnen und die Verwandtschaft der Naturen sein mag, gelten uns heute als Repräsentanten zweier geistigen Bildungsschichten in unserem Volke, die aus einander gefolgt sind: 1840 bis 1850 dort, hier 1860 bis 1870. Anfeindungen wegen dieser Aeußerungen blieben nicht aus. Auf eine derselben hat H. von Treitschke sehr kräftig und schlagend geantwortet (d. d. 22. Februar 1865 in den Grenzboten). Herrn Prof. Biedermann in Leipzig, einem der Liberalen von-1848. der jetzt noch nicht sich in die neue preußische Politik finden konnte, erklärte er ganz unumwunden es für patriotische Pflicht, das „preiswürdige Unternehmen" einer Verstärkung und Vergrößerung Preußens nach Kräften zu unterstützen. Schon im Herbste 1865 erlebten die Aufsätze eine zweite Auflage. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/53>, abgerufen am 22.12.2024.