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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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faßtes Gebet, welches für den Preis von einem Viertcldollar zu haben ist.
Die Finsterniß aber ist, so predigen die Mönche den Leuten, vom lieben Gott
über die Menschheit verhängt, weil sie dem bösen Victor Emanuel erlaubt,
dem guten Pio Nouv sein Land wegzunehmen, das er doch von Sanct Peter
geerbt hat.

Erklärte man die Sache nicht auf diese Art, so müßte billig Wunder
nehmen, daß die Prophezeiung, die angeblich von einer kürzlich im Geruch der
Heiligkeit verstorbenen italienischen Nonne herrührt, sich so rasch bis an die
Anden und das Stille Meer verbreitet hat. Wir würden uns dann nur mit
der Annahme helfen können, daß die Händler mit geweihtem Wachs eine kos¬
mopolitische Verbindung haben müßten, die mit vereinten Kräften eine Hauffe
in ihrem Artikel zu Wege zu bringen strebte. So aber muß man wohl
glauben, daß hier eine andere internationale Maschinerie gearbeitet hat, viel¬
leicht die der Jesuiten, die jetzt in hellen Haufen in Südamerika auftreten.
Schade, daß die Sonne so fern ist, und daß es nicht wohl möglich sein wird,
sie auf physikalischem oder chemischem Wege für eine Woche zu verdunkeln,
etwa wie man Marienbilder Thränen vergießen oder das Blut des heiligen
Januarius fließen macht.

Wir lächeln über die Chilenen, die sich von ihren Patres solch dummes
Zeug in den Kopf setzen lassen. Aber ähnliche Leichtgläubigkeit wohnt uns
viel näher, als Mancher meint, z. B. in England, wo die Welt in den letzten
vierzig Jahren schon unterschiedliche Male an einem bestimmten Tage unter¬
gehen sollte, und wo sie. wenn der Professor Plantamour ein regelrechter
Prophet wäre, etwa binnen fünf Wochen wirklich untergehen würde, und
zwar durch einen Kometen. Ja, gewisse Zeitungsnotizen deuten an, daß dieses
Unglück selbst in einigen deutschen und österreichischen Landstrichen als be¬
vorstehend angesehen worden ist und Leute veranlaßt hat, ihr Haus zu be¬
stellen.

Irren wir nicht sehr, so waren es katholische Gegenden, wo der Spuk
rumorte, und es sollte uns nicht wundern, wenn das eine oder das andere
Pfäfflein dabei einen mehr oder minder deutlichen Wink für nützlich erachtet
hätte, daß der Komet wohl die Rache Gottes sein möge für den Frevel, den
die ruchlosen Italiener am Erbgut des Apostelfürsten begangen, und dem die
übrigen Völker gleichgültig zugeschaut hätten.

Nach der Ethik Und Logik, welche der jüngsten Generation unsres katho¬
lischen Klerus in den Seminarien beigebracht worden ist, könnte zur Noth
schon durch die gegen das Concordat verstoßenden Beschlüsse des österreichischen
Reichstags, durch das preußische Schulaufsichtsgesetz oder durch den Ausgang
der Debatte über und das Gesetz gegen die Jesuiten eine gelinde Zerstörung der
Welt als gerechtfertigt erscheinen, Rief nicht ein biblischer Prophet, dem Kinder


faßtes Gebet, welches für den Preis von einem Viertcldollar zu haben ist.
Die Finsterniß aber ist, so predigen die Mönche den Leuten, vom lieben Gott
über die Menschheit verhängt, weil sie dem bösen Victor Emanuel erlaubt,
dem guten Pio Nouv sein Land wegzunehmen, das er doch von Sanct Peter
geerbt hat.

Erklärte man die Sache nicht auf diese Art, so müßte billig Wunder
nehmen, daß die Prophezeiung, die angeblich von einer kürzlich im Geruch der
Heiligkeit verstorbenen italienischen Nonne herrührt, sich so rasch bis an die
Anden und das Stille Meer verbreitet hat. Wir würden uns dann nur mit
der Annahme helfen können, daß die Händler mit geweihtem Wachs eine kos¬
mopolitische Verbindung haben müßten, die mit vereinten Kräften eine Hauffe
in ihrem Artikel zu Wege zu bringen strebte. So aber muß man wohl
glauben, daß hier eine andere internationale Maschinerie gearbeitet hat, viel¬
leicht die der Jesuiten, die jetzt in hellen Haufen in Südamerika auftreten.
Schade, daß die Sonne so fern ist, und daß es nicht wohl möglich sein wird,
sie auf physikalischem oder chemischem Wege für eine Woche zu verdunkeln,
etwa wie man Marienbilder Thränen vergießen oder das Blut des heiligen
Januarius fließen macht.

Wir lächeln über die Chilenen, die sich von ihren Patres solch dummes
Zeug in den Kopf setzen lassen. Aber ähnliche Leichtgläubigkeit wohnt uns
viel näher, als Mancher meint, z. B. in England, wo die Welt in den letzten
vierzig Jahren schon unterschiedliche Male an einem bestimmten Tage unter¬
gehen sollte, und wo sie. wenn der Professor Plantamour ein regelrechter
Prophet wäre, etwa binnen fünf Wochen wirklich untergehen würde, und
zwar durch einen Kometen. Ja, gewisse Zeitungsnotizen deuten an, daß dieses
Unglück selbst in einigen deutschen und österreichischen Landstrichen als be¬
vorstehend angesehen worden ist und Leute veranlaßt hat, ihr Haus zu be¬
stellen.

Irren wir nicht sehr, so waren es katholische Gegenden, wo der Spuk
rumorte, und es sollte uns nicht wundern, wenn das eine oder das andere
Pfäfflein dabei einen mehr oder minder deutlichen Wink für nützlich erachtet
hätte, daß der Komet wohl die Rache Gottes sein möge für den Frevel, den
die ruchlosen Italiener am Erbgut des Apostelfürsten begangen, und dem die
übrigen Völker gleichgültig zugeschaut hätten.

Nach der Ethik Und Logik, welche der jüngsten Generation unsres katho¬
lischen Klerus in den Seminarien beigebracht worden ist, könnte zur Noth
schon durch die gegen das Concordat verstoßenden Beschlüsse des österreichischen
Reichstags, durch das preußische Schulaufsichtsgesetz oder durch den Ausgang
der Debatte über und das Gesetz gegen die Jesuiten eine gelinde Zerstörung der
Welt als gerechtfertigt erscheinen, Rief nicht ein biblischer Prophet, dem Kinder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/490>, abgerufen am 22.07.2024.