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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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aus jener Zeit sprechen namentlich von der Ausführung des 3. Theiles des
Messias und der Nroiea in Ausdrücken wahrhaft begeisterter Anerkennung. --
Am 11, Juli war Weber bereits in Marienbad, um dort bis zum 11.
August behufs einer ernsten Cur zu verweilen, von der er jedoch mit wenigem
Erfolge für seine Gesundheit zurückkehrte. In Hosterwitz fand er eine be¬
stimmte Aufforderung von Kemble, dem Director des Londoner Covent-
garden-Theaters, vor, eine neue Oper für diese Bühne zu schreiben. Deshalb
war ihm die Ankunft Moscheles' in Dresden doppelt willkommen, da dieser
in die Londoner Kunst- und Theater-Verhältnisse genau eingeweiht war und
sich ihm sofort in warmer Verehrung anschloß, die sich nicht nur bei Weber's
Anwesenheit in London und unmittelbar nach dessen Tode daselbst, sondern
bis zum eignen 1870 erfolgten Hintritt treu bewährte. -- Es war Weber
rücksichtlich der neuen Oper zwischen "Faust" und "Oberon" die Wahl gelassen
worden. Er wählte "Oberon." Sofort schritt er, wie immer, energisch
dem ihm gesteckten Ziele zu. Mit richtigem Tacte fühlte er, daß eine Oper
für das englische Volk auch nur in englischer Sprache componirt werden
dürfe. Um dem zu genügen, unterwarf er sich den ernstesten Sprachstudien,
(153 englische Lehrstunden zwischen dem 2. October 1824 und 11. Februar
1826, fünf Tage vor seiner Abreise nach London) für deren Erfolg anzu¬
führen ist, daß ihm von den Engländern die schmeichelhaftesten Aeußerungen
über sein Englisch zu Theil wurden, wenn nicht der in dieser Sprache com-
ponirte Oberon als das redendste Zeugniß für die Erreichung seines Zieles
gelten müßte.

Schon zu Ostern 1825 sollte die Oper zu London in Scene gehen; bis
dahin waren nur noch sechs Monate. Als aber die Zusendung des ersten
Actes von England aus erst am 30. December 1824 erfolgte, wurde die Auf¬
führung bis auf Ostern 1826 hinausgeschoben. Still beschäftigte sich Weber,
(nach Empfang des zweiten Acts am 18. Januar 1 82 5) mit der Komposition.
Das Tagebuch sagt am 23: "die ersten Ideen zu Oberon gesaßt." Doch schon
der 2. Februar brachte eine neue Aufgabe: die Bearbeitung von zehn
schottischen Nationalgesängen, zu denen Begleitung, Vor- und Nachspiel
für Pianoforte, Violine, Violoncell und Flöte zu schreiben waren. George Thom¬
son in Edinburgh gab nämlich seit langen Jahren eine große Sammlung schot¬
tischer Lieder (songs) heraus, von denen viele auf seinen Wunsch durch Haydn.
Beethoven, Hummel oder andere deutsche Meister bearbeitet worden. Jetzt
forderte er Weber zu der gleichen Arbeit auf, die schon um der ausgezeichneten
Vorgänger willen erfreulich und lockend war. Weber ging sofort an die Aus¬
führung, die jedoch erst im Juli beendet wurde. Inzwischen hatte schon der
27. Februar das Erste an Entwürfen zu Oberon gebracht: den zu Huon's Arie
Ur. 5, bald darauf die zum Elfenchor Ur. 1, zu Ur. 3 und 4. - Doch anfangs


aus jener Zeit sprechen namentlich von der Ausführung des 3. Theiles des
Messias und der Nroiea in Ausdrücken wahrhaft begeisterter Anerkennung. —
Am 11, Juli war Weber bereits in Marienbad, um dort bis zum 11.
August behufs einer ernsten Cur zu verweilen, von der er jedoch mit wenigem
Erfolge für seine Gesundheit zurückkehrte. In Hosterwitz fand er eine be¬
stimmte Aufforderung von Kemble, dem Director des Londoner Covent-
garden-Theaters, vor, eine neue Oper für diese Bühne zu schreiben. Deshalb
war ihm die Ankunft Moscheles' in Dresden doppelt willkommen, da dieser
in die Londoner Kunst- und Theater-Verhältnisse genau eingeweiht war und
sich ihm sofort in warmer Verehrung anschloß, die sich nicht nur bei Weber's
Anwesenheit in London und unmittelbar nach dessen Tode daselbst, sondern
bis zum eignen 1870 erfolgten Hintritt treu bewährte. — Es war Weber
rücksichtlich der neuen Oper zwischen „Faust" und „Oberon" die Wahl gelassen
worden. Er wählte „Oberon." Sofort schritt er, wie immer, energisch
dem ihm gesteckten Ziele zu. Mit richtigem Tacte fühlte er, daß eine Oper
für das englische Volk auch nur in englischer Sprache componirt werden
dürfe. Um dem zu genügen, unterwarf er sich den ernstesten Sprachstudien,
(153 englische Lehrstunden zwischen dem 2. October 1824 und 11. Februar
1826, fünf Tage vor seiner Abreise nach London) für deren Erfolg anzu¬
führen ist, daß ihm von den Engländern die schmeichelhaftesten Aeußerungen
über sein Englisch zu Theil wurden, wenn nicht der in dieser Sprache com-
ponirte Oberon als das redendste Zeugniß für die Erreichung seines Zieles
gelten müßte.

Schon zu Ostern 1825 sollte die Oper zu London in Scene gehen; bis
dahin waren nur noch sechs Monate. Als aber die Zusendung des ersten
Actes von England aus erst am 30. December 1824 erfolgte, wurde die Auf¬
führung bis auf Ostern 1826 hinausgeschoben. Still beschäftigte sich Weber,
(nach Empfang des zweiten Acts am 18. Januar 1 82 5) mit der Komposition.
Das Tagebuch sagt am 23: „die ersten Ideen zu Oberon gesaßt." Doch schon
der 2. Februar brachte eine neue Aufgabe: die Bearbeitung von zehn
schottischen Nationalgesängen, zu denen Begleitung, Vor- und Nachspiel
für Pianoforte, Violine, Violoncell und Flöte zu schreiben waren. George Thom¬
son in Edinburgh gab nämlich seit langen Jahren eine große Sammlung schot¬
tischer Lieder (songs) heraus, von denen viele auf seinen Wunsch durch Haydn.
Beethoven, Hummel oder andere deutsche Meister bearbeitet worden. Jetzt
forderte er Weber zu der gleichen Arbeit auf, die schon um der ausgezeichneten
Vorgänger willen erfreulich und lockend war. Weber ging sofort an die Aus¬
führung, die jedoch erst im Juli beendet wurde. Inzwischen hatte schon der
27. Februar das Erste an Entwürfen zu Oberon gebracht: den zu Huon's Arie
Ur. 5, bald darauf die zum Elfenchor Ur. 1, zu Ur. 3 und 4. - Doch anfangs


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[0484] aus jener Zeit sprechen namentlich von der Ausführung des 3. Theiles des Messias und der Nroiea in Ausdrücken wahrhaft begeisterter Anerkennung. — Am 11, Juli war Weber bereits in Marienbad, um dort bis zum 11. August behufs einer ernsten Cur zu verweilen, von der er jedoch mit wenigem Erfolge für seine Gesundheit zurückkehrte. In Hosterwitz fand er eine be¬ stimmte Aufforderung von Kemble, dem Director des Londoner Covent- garden-Theaters, vor, eine neue Oper für diese Bühne zu schreiben. Deshalb war ihm die Ankunft Moscheles' in Dresden doppelt willkommen, da dieser in die Londoner Kunst- und Theater-Verhältnisse genau eingeweiht war und sich ihm sofort in warmer Verehrung anschloß, die sich nicht nur bei Weber's Anwesenheit in London und unmittelbar nach dessen Tode daselbst, sondern bis zum eignen 1870 erfolgten Hintritt treu bewährte. — Es war Weber rücksichtlich der neuen Oper zwischen „Faust" und „Oberon" die Wahl gelassen worden. Er wählte „Oberon." Sofort schritt er, wie immer, energisch dem ihm gesteckten Ziele zu. Mit richtigem Tacte fühlte er, daß eine Oper für das englische Volk auch nur in englischer Sprache componirt werden dürfe. Um dem zu genügen, unterwarf er sich den ernstesten Sprachstudien, (153 englische Lehrstunden zwischen dem 2. October 1824 und 11. Februar 1826, fünf Tage vor seiner Abreise nach London) für deren Erfolg anzu¬ führen ist, daß ihm von den Engländern die schmeichelhaftesten Aeußerungen über sein Englisch zu Theil wurden, wenn nicht der in dieser Sprache com- ponirte Oberon als das redendste Zeugniß für die Erreichung seines Zieles gelten müßte. Schon zu Ostern 1825 sollte die Oper zu London in Scene gehen; bis dahin waren nur noch sechs Monate. Als aber die Zusendung des ersten Actes von England aus erst am 30. December 1824 erfolgte, wurde die Auf¬ führung bis auf Ostern 1826 hinausgeschoben. Still beschäftigte sich Weber, (nach Empfang des zweiten Acts am 18. Januar 1 82 5) mit der Komposition. Das Tagebuch sagt am 23: „die ersten Ideen zu Oberon gesaßt." Doch schon der 2. Februar brachte eine neue Aufgabe: die Bearbeitung von zehn schottischen Nationalgesängen, zu denen Begleitung, Vor- und Nachspiel für Pianoforte, Violine, Violoncell und Flöte zu schreiben waren. George Thom¬ son in Edinburgh gab nämlich seit langen Jahren eine große Sammlung schot¬ tischer Lieder (songs) heraus, von denen viele auf seinen Wunsch durch Haydn. Beethoven, Hummel oder andere deutsche Meister bearbeitet worden. Jetzt forderte er Weber zu der gleichen Arbeit auf, die schon um der ausgezeichneten Vorgänger willen erfreulich und lockend war. Weber ging sofort an die Aus¬ führung, die jedoch erst im Juli beendet wurde. Inzwischen hatte schon der 27. Februar das Erste an Entwürfen zu Oberon gebracht: den zu Huon's Arie Ur. 5, bald darauf die zum Elfenchor Ur. 1, zu Ur. 3 und 4. - Doch anfangs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/484>, abgerufen am 02.10.2024.