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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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fünfzehn Monate lange Pause in seinem sah äffen ein, denn nichts als
eine kleine französische Romanze von 23 Tacten "Nils plait simxls se Zsn-
tillette" verdankt dieser Zeit ihre Entstehung. Einerseits war wohl die An¬
spannung eine zu große gewesen, andrerseits drückten Urtheile über Euryanthe,
denen hier Verständniß, dort Wohlwollen abging, den ohnehin schon lange
körperlich immer mehr und mehr Leidenden vollends nieder.

Im Januar 1824 fügte Weber zu den schon in Wien ihm abgedrungenen
Kürzungen der Euryanthe noch eine hinzu, welche für die erste Scene des
dritten Acts von Berlin aus gewünscht wurde, welche Kürzungen aber später
in Wien durch Kreutzer und noch später an vielen Orten durch Andre bis in's
Unglaubliche, und leider zum schweren Schaden des Werks vermehrt worden
sind. -- Anfangs März schrieb Weber seinen ausgezeichneten Aufsatz über
musikalische Tempi als Vorwort zu der für die höchst gelungene Aufführung
von Euryanthe zu Leipzig am 24. Mai 1826 von ihm vorgenommen aus¬
führlichen Medron omisirun g dieser Oper*). -- Am 31. März 1824 ging
Euryanthe in Dresden mit der Schröder-Devrient unter Weber's Directton
mit stürmischem Jubel in Scene und sein erheiterter Blick richtete sich nun
nach Berlin, wo die Oper mit Sehnsucht erwartet wurde. Aber bis es
zur Berliner Aufführung kam, sollten von dorther viel bittre Tropfen in den
ohnehin schon herben Lebenskelch des Meisters fließen. Mit April des Jahres
1824 eröffnete sich nämlich jene unselige Correspondenz zwischen ihm und
Spontini, welcher in dieser Zeit allmächtiger denn je zu Berlin herrschte und
sich nicht scheute, in seiner Eifersucht gegen den von aller Welt gefeierten
deutschen Meister die Euryanthe über zwei Jahre von der dortigen Bühne
mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln fern zu halten. -- Unterdeß führte
Weberam 6. Juni in besonderer Vortrefflichkeit Haydn'.s "Jahreszeiten"
zum Besten der abgebrannten Stadt Schwarzenberg im großen Opernhause
zu Dresden mit einem Reingewinn von 1000 Thlrn. auf. Er selbst nennt
diese Aufführung in seinem Tagebuche "über alle Maaßen herrlich!" Am
11. Juni aber erhielt er. als der verehrteste Tonmeister des deutschen Vater¬
landes, die Einladung, das große vom 1. bis 3. Juli fallende Musikfest
in Quedlinburg zu leiten, welches dort zu Ehren von Klopstock's hun¬
dertsten Geburtstage gegeben werden sollte. Der Einladung folgend wurde
Weber hiebei mit Beweisen von Verehrung und Liebe überschüttet, und über¬
traf dennoch die schon ohnedies hochgespannter Erwartungen. Die Berichte



') Zuerst durch mich veröffentlicht in Ur. 8 der Vrcitkopf K Härtel'schen Leipziger Allge¬
meinen Musik-Zeitung von 1848: "Tempo-Bezeichnungen nach Mälzl's Metronom zur
Oper Euryanthe. Gegeben von C. M. v. Weber, nebst dazu gehörigem Aufsatze von eben¬
demselben/' -- Leider aber bei den Aufführungen der Oper seitdem wenig oder
gar nicht beherzigt!

fünfzehn Monate lange Pause in seinem sah äffen ein, denn nichts als
eine kleine französische Romanze von 23 Tacten „Nils plait simxls se Zsn-
tillette" verdankt dieser Zeit ihre Entstehung. Einerseits war wohl die An¬
spannung eine zu große gewesen, andrerseits drückten Urtheile über Euryanthe,
denen hier Verständniß, dort Wohlwollen abging, den ohnehin schon lange
körperlich immer mehr und mehr Leidenden vollends nieder.

Im Januar 1824 fügte Weber zu den schon in Wien ihm abgedrungenen
Kürzungen der Euryanthe noch eine hinzu, welche für die erste Scene des
dritten Acts von Berlin aus gewünscht wurde, welche Kürzungen aber später
in Wien durch Kreutzer und noch später an vielen Orten durch Andre bis in's
Unglaubliche, und leider zum schweren Schaden des Werks vermehrt worden
sind. — Anfangs März schrieb Weber seinen ausgezeichneten Aufsatz über
musikalische Tempi als Vorwort zu der für die höchst gelungene Aufführung
von Euryanthe zu Leipzig am 24. Mai 1826 von ihm vorgenommen aus¬
führlichen Medron omisirun g dieser Oper*). — Am 31. März 1824 ging
Euryanthe in Dresden mit der Schröder-Devrient unter Weber's Directton
mit stürmischem Jubel in Scene und sein erheiterter Blick richtete sich nun
nach Berlin, wo die Oper mit Sehnsucht erwartet wurde. Aber bis es
zur Berliner Aufführung kam, sollten von dorther viel bittre Tropfen in den
ohnehin schon herben Lebenskelch des Meisters fließen. Mit April des Jahres
1824 eröffnete sich nämlich jene unselige Correspondenz zwischen ihm und
Spontini, welcher in dieser Zeit allmächtiger denn je zu Berlin herrschte und
sich nicht scheute, in seiner Eifersucht gegen den von aller Welt gefeierten
deutschen Meister die Euryanthe über zwei Jahre von der dortigen Bühne
mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln fern zu halten. — Unterdeß führte
Weberam 6. Juni in besonderer Vortrefflichkeit Haydn'.s „Jahreszeiten"
zum Besten der abgebrannten Stadt Schwarzenberg im großen Opernhause
zu Dresden mit einem Reingewinn von 1000 Thlrn. auf. Er selbst nennt
diese Aufführung in seinem Tagebuche „über alle Maaßen herrlich!" Am
11. Juni aber erhielt er. als der verehrteste Tonmeister des deutschen Vater¬
landes, die Einladung, das große vom 1. bis 3. Juli fallende Musikfest
in Quedlinburg zu leiten, welches dort zu Ehren von Klopstock's hun¬
dertsten Geburtstage gegeben werden sollte. Der Einladung folgend wurde
Weber hiebei mit Beweisen von Verehrung und Liebe überschüttet, und über¬
traf dennoch die schon ohnedies hochgespannter Erwartungen. Die Berichte



') Zuerst durch mich veröffentlicht in Ur. 8 der Vrcitkopf K Härtel'schen Leipziger Allge¬
meinen Musik-Zeitung von 1848: „Tempo-Bezeichnungen nach Mälzl's Metronom zur
Oper Euryanthe. Gegeben von C. M. v. Weber, nebst dazu gehörigem Aufsatze von eben¬
demselben/' — Leider aber bei den Aufführungen der Oper seitdem wenig oder
gar nicht beherzigt!
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[0483] fünfzehn Monate lange Pause in seinem sah äffen ein, denn nichts als eine kleine französische Romanze von 23 Tacten „Nils plait simxls se Zsn- tillette" verdankt dieser Zeit ihre Entstehung. Einerseits war wohl die An¬ spannung eine zu große gewesen, andrerseits drückten Urtheile über Euryanthe, denen hier Verständniß, dort Wohlwollen abging, den ohnehin schon lange körperlich immer mehr und mehr Leidenden vollends nieder. Im Januar 1824 fügte Weber zu den schon in Wien ihm abgedrungenen Kürzungen der Euryanthe noch eine hinzu, welche für die erste Scene des dritten Acts von Berlin aus gewünscht wurde, welche Kürzungen aber später in Wien durch Kreutzer und noch später an vielen Orten durch Andre bis in's Unglaubliche, und leider zum schweren Schaden des Werks vermehrt worden sind. — Anfangs März schrieb Weber seinen ausgezeichneten Aufsatz über musikalische Tempi als Vorwort zu der für die höchst gelungene Aufführung von Euryanthe zu Leipzig am 24. Mai 1826 von ihm vorgenommen aus¬ führlichen Medron omisirun g dieser Oper*). — Am 31. März 1824 ging Euryanthe in Dresden mit der Schröder-Devrient unter Weber's Directton mit stürmischem Jubel in Scene und sein erheiterter Blick richtete sich nun nach Berlin, wo die Oper mit Sehnsucht erwartet wurde. Aber bis es zur Berliner Aufführung kam, sollten von dorther viel bittre Tropfen in den ohnehin schon herben Lebenskelch des Meisters fließen. Mit April des Jahres 1824 eröffnete sich nämlich jene unselige Correspondenz zwischen ihm und Spontini, welcher in dieser Zeit allmächtiger denn je zu Berlin herrschte und sich nicht scheute, in seiner Eifersucht gegen den von aller Welt gefeierten deutschen Meister die Euryanthe über zwei Jahre von der dortigen Bühne mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln fern zu halten. — Unterdeß führte Weberam 6. Juni in besonderer Vortrefflichkeit Haydn'.s „Jahreszeiten" zum Besten der abgebrannten Stadt Schwarzenberg im großen Opernhause zu Dresden mit einem Reingewinn von 1000 Thlrn. auf. Er selbst nennt diese Aufführung in seinem Tagebuche „über alle Maaßen herrlich!" Am 11. Juni aber erhielt er. als der verehrteste Tonmeister des deutschen Vater¬ landes, die Einladung, das große vom 1. bis 3. Juli fallende Musikfest in Quedlinburg zu leiten, welches dort zu Ehren von Klopstock's hun¬ dertsten Geburtstage gegeben werden sollte. Der Einladung folgend wurde Weber hiebei mit Beweisen von Verehrung und Liebe überschüttet, und über¬ traf dennoch die schon ohnedies hochgespannter Erwartungen. Die Berichte ') Zuerst durch mich veröffentlicht in Ur. 8 der Vrcitkopf K Härtel'schen Leipziger Allge¬ meinen Musik-Zeitung von 1848: „Tempo-Bezeichnungen nach Mälzl's Metronom zur Oper Euryanthe. Gegeben von C. M. v. Weber, nebst dazu gehörigem Aufsatze von eben¬ demselben/' — Leider aber bei den Aufführungen der Oper seitdem wenig oder gar nicht beherzigt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/483>, abgerufen am 02.10.2024.