Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sein höchst verdienstvolles Werk über seinen Vater*) diesem ein ebenso be¬
deutungsvolles Denkmal gestiftet, als der Kunstgeschichte die reichste Quelle
über denselben erschlossen. -- Erst nachdem Carl Maria am 13. Mai sein
stilles Ho se er witz wieder erreicht, begann die Composition der Euryanthe
mit dem Entwürfe von Adolar's nur-Arie "Wehen mir Lüfte Ruh'", welchem
bis Anfangs August die Entwürfe von acht anderen Nummern folgten. In
diese Zeit fiel die Einstudirung der Preciosa für Dresden, das Gastspiel
der Schröder-Devrient, ferner die Vollendung der letzten seiner vier großen
Pianoforte-Sonaten, der meist tief schwermüthigen in L woll (op. 70)
(der letzten Composition für dies Instrument) und die vollständige Umarbeitung
seines 1811 componirter Fagott-Concerts (op. 75). -- Von Hosterwitz Ende
September nach Dresden zurückgekehrt, schwieg nun Euryanthe bis Ende
October, und kaum war Weber am 24. d. Mes. wieder daran gegangen, so mußte
er eine Fest-Cantate zur Vermählung des Prinzen, jetzigen Königs Johann
von Sachsen schreiben, die am 13. November vollendet und am 23. aufgeführt
wurde. Im December gelangte die Frage wegen einer neuen Oper für
London an ihn, die natürlich vorläufig eine offne blieb, und erst, nachdem
Weber zwischen dem 6. und 9. Januar 1823 abermals eine Festmusik (dies¬
mal für die Prinzessin, nachmalige Königin Therese von Sachsen) geschrieben
hatte, konnte er endlich am 16. d. Mes. auf's Neue an sein großes Werk
gehen, das er von nun an nicht mehr verließ. Namentlich während seines
Aufenthaltes in H o se er Witz zwischen Mai und September schuf er unablässig
daran und brachte es am 29. August daselbst zum Abschluß, mit Ausnahme
der Ouvertüre, welche er erst kurz vor der Aufführung in Wien componirte.
Der Zeitraum, welchem die Arbeit an der Euryanthe gewidmet war. be¬
darf noch einer besonderen Erwähnung, da er auf das Unwiderleglichste Zeugniß
giebt für Weber's seltne Schöpferkraft; denn er gebrauchte zur Herstellung
dieses mächtigen Werkes, seines umfangreichsten (ausschließlich der Ouvertüre):
elf Monate (1822 von Mitte Mai bis Mitte August, drei Tage im October.
1823 von Mitte Januar bis Ende August). Die Instrumentirung an
- und für sich vollzog er, während dieser Zeit, in 43 Tagen, und zwar die
des ersten Actes "in zwölf Tagen", wie dies in feinem Tagebuch und
in der Original-Partitur ausdrücklich von ihm bemerkt ist.

Unterdeß hatte Weber im März 1823 Abu Hassan in Dresden einstudirt,
dann aber auch Fidelio, der mit hinreißender Wirkung am 29. April, in
der Titelrolle mit der nunmehr in Dresden engagirten Schröder-Devrient,
gegeben wurde. Daß alle Briefe, die laut Weber's Tagebuche zwischen ihm
und Beethoven bezüglich dieser Aufführung gewechselt wurden, spurlos ver-



") Max Maria von Weber: "Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild." Z Bande. Leip¬
zig E. Keil. 1864-1866.

sein höchst verdienstvolles Werk über seinen Vater*) diesem ein ebenso be¬
deutungsvolles Denkmal gestiftet, als der Kunstgeschichte die reichste Quelle
über denselben erschlossen. — Erst nachdem Carl Maria am 13. Mai sein
stilles Ho se er witz wieder erreicht, begann die Composition der Euryanthe
mit dem Entwürfe von Adolar's nur-Arie „Wehen mir Lüfte Ruh'", welchem
bis Anfangs August die Entwürfe von acht anderen Nummern folgten. In
diese Zeit fiel die Einstudirung der Preciosa für Dresden, das Gastspiel
der Schröder-Devrient, ferner die Vollendung der letzten seiner vier großen
Pianoforte-Sonaten, der meist tief schwermüthigen in L woll (op. 70)
(der letzten Composition für dies Instrument) und die vollständige Umarbeitung
seines 1811 componirter Fagott-Concerts (op. 75). — Von Hosterwitz Ende
September nach Dresden zurückgekehrt, schwieg nun Euryanthe bis Ende
October, und kaum war Weber am 24. d. Mes. wieder daran gegangen, so mußte
er eine Fest-Cantate zur Vermählung des Prinzen, jetzigen Königs Johann
von Sachsen schreiben, die am 13. November vollendet und am 23. aufgeführt
wurde. Im December gelangte die Frage wegen einer neuen Oper für
London an ihn, die natürlich vorläufig eine offne blieb, und erst, nachdem
Weber zwischen dem 6. und 9. Januar 1823 abermals eine Festmusik (dies¬
mal für die Prinzessin, nachmalige Königin Therese von Sachsen) geschrieben
hatte, konnte er endlich am 16. d. Mes. auf's Neue an sein großes Werk
gehen, das er von nun an nicht mehr verließ. Namentlich während seines
Aufenthaltes in H o se er Witz zwischen Mai und September schuf er unablässig
daran und brachte es am 29. August daselbst zum Abschluß, mit Ausnahme
der Ouvertüre, welche er erst kurz vor der Aufführung in Wien componirte.
Der Zeitraum, welchem die Arbeit an der Euryanthe gewidmet war. be¬
darf noch einer besonderen Erwähnung, da er auf das Unwiderleglichste Zeugniß
giebt für Weber's seltne Schöpferkraft; denn er gebrauchte zur Herstellung
dieses mächtigen Werkes, seines umfangreichsten (ausschließlich der Ouvertüre):
elf Monate (1822 von Mitte Mai bis Mitte August, drei Tage im October.
1823 von Mitte Januar bis Ende August). Die Instrumentirung an
- und für sich vollzog er, während dieser Zeit, in 43 Tagen, und zwar die
des ersten Actes „in zwölf Tagen", wie dies in feinem Tagebuch und
in der Original-Partitur ausdrücklich von ihm bemerkt ist.

Unterdeß hatte Weber im März 1823 Abu Hassan in Dresden einstudirt,
dann aber auch Fidelio, der mit hinreißender Wirkung am 29. April, in
der Titelrolle mit der nunmehr in Dresden engagirten Schröder-Devrient,
gegeben wurde. Daß alle Briefe, die laut Weber's Tagebuche zwischen ihm
und Beethoven bezüglich dieser Aufführung gewechselt wurden, spurlos ver-



") Max Maria von Weber: „Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild." Z Bande. Leip¬
zig E. Keil. 1864-1866.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127889"/>
          <p xml:id="ID_1551" prev="#ID_1550"> sein höchst verdienstvolles Werk über seinen Vater*) diesem ein ebenso be¬<lb/>
deutungsvolles Denkmal gestiftet, als der Kunstgeschichte die reichste Quelle<lb/>
über denselben erschlossen. &#x2014; Erst nachdem Carl Maria am 13. Mai sein<lb/>
stilles Ho se er witz wieder erreicht, begann die Composition der Euryanthe<lb/>
mit dem Entwürfe von Adolar's nur-Arie &#x201E;Wehen mir Lüfte Ruh'", welchem<lb/>
bis Anfangs August die Entwürfe von acht anderen Nummern folgten. In<lb/>
diese Zeit fiel die Einstudirung der Preciosa für Dresden, das Gastspiel<lb/>
der Schröder-Devrient, ferner die Vollendung der letzten seiner vier großen<lb/>
Pianoforte-Sonaten, der meist tief schwermüthigen in L woll (op. 70)<lb/>
(der letzten Composition für dies Instrument) und die vollständige Umarbeitung<lb/>
seines 1811 componirter Fagott-Concerts (op. 75). &#x2014; Von Hosterwitz Ende<lb/>
September nach Dresden zurückgekehrt, schwieg nun Euryanthe bis Ende<lb/>
October, und kaum war Weber am 24. d. Mes. wieder daran gegangen, so mußte<lb/>
er eine Fest-Cantate zur Vermählung des Prinzen, jetzigen Königs Johann<lb/>
von Sachsen schreiben, die am 13. November vollendet und am 23. aufgeführt<lb/>
wurde. Im December gelangte die Frage wegen einer neuen Oper für<lb/>
London an ihn, die natürlich vorläufig eine offne blieb, und erst, nachdem<lb/>
Weber zwischen dem 6. und 9. Januar 1823 abermals eine Festmusik (dies¬<lb/>
mal für die Prinzessin, nachmalige Königin Therese von Sachsen) geschrieben<lb/>
hatte, konnte er endlich am 16. d. Mes. auf's Neue an sein großes Werk<lb/>
gehen, das er von nun an nicht mehr verließ. Namentlich während seines<lb/>
Aufenthaltes in H o se er Witz zwischen Mai und September schuf er unablässig<lb/>
daran und brachte es am 29. August daselbst zum Abschluß, mit Ausnahme<lb/>
der Ouvertüre, welche er erst kurz vor der Aufführung in Wien componirte.<lb/>
Der Zeitraum, welchem die Arbeit an der Euryanthe gewidmet war. be¬<lb/>
darf noch einer besonderen Erwähnung, da er auf das Unwiderleglichste Zeugniß<lb/>
giebt für Weber's seltne Schöpferkraft; denn er gebrauchte zur Herstellung<lb/>
dieses mächtigen Werkes, seines umfangreichsten (ausschließlich der Ouvertüre):<lb/>
elf Monate (1822 von Mitte Mai bis Mitte August, drei Tage im October.<lb/>
1823 von Mitte Januar bis Ende August). Die Instrumentirung an<lb/>
- und für sich vollzog er, während dieser Zeit, in 43 Tagen, und zwar die<lb/>
des ersten Actes &#x201E;in zwölf Tagen", wie dies in feinem Tagebuch und<lb/>
in der Original-Partitur ausdrücklich von ihm bemerkt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1552" next="#ID_1553"> Unterdeß hatte Weber im März 1823 Abu Hassan in Dresden einstudirt,<lb/>
dann aber auch Fidelio, der mit hinreißender Wirkung am 29. April, in<lb/>
der Titelrolle mit der nunmehr in Dresden engagirten Schröder-Devrient,<lb/>
gegeben wurde. Daß alle Briefe, die laut Weber's Tagebuche zwischen ihm<lb/>
und Beethoven bezüglich dieser Aufführung gewechselt wurden, spurlos ver-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_118" place="foot"> ") Max Maria von Weber: &#x201E;Carl Maria von Weber.  Ein Lebensbild." Z Bande. Leip¬<lb/>
zig E. Keil. 1864-1866.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0481] sein höchst verdienstvolles Werk über seinen Vater*) diesem ein ebenso be¬ deutungsvolles Denkmal gestiftet, als der Kunstgeschichte die reichste Quelle über denselben erschlossen. — Erst nachdem Carl Maria am 13. Mai sein stilles Ho se er witz wieder erreicht, begann die Composition der Euryanthe mit dem Entwürfe von Adolar's nur-Arie „Wehen mir Lüfte Ruh'", welchem bis Anfangs August die Entwürfe von acht anderen Nummern folgten. In diese Zeit fiel die Einstudirung der Preciosa für Dresden, das Gastspiel der Schröder-Devrient, ferner die Vollendung der letzten seiner vier großen Pianoforte-Sonaten, der meist tief schwermüthigen in L woll (op. 70) (der letzten Composition für dies Instrument) und die vollständige Umarbeitung seines 1811 componirter Fagott-Concerts (op. 75). — Von Hosterwitz Ende September nach Dresden zurückgekehrt, schwieg nun Euryanthe bis Ende October, und kaum war Weber am 24. d. Mes. wieder daran gegangen, so mußte er eine Fest-Cantate zur Vermählung des Prinzen, jetzigen Königs Johann von Sachsen schreiben, die am 13. November vollendet und am 23. aufgeführt wurde. Im December gelangte die Frage wegen einer neuen Oper für London an ihn, die natürlich vorläufig eine offne blieb, und erst, nachdem Weber zwischen dem 6. und 9. Januar 1823 abermals eine Festmusik (dies¬ mal für die Prinzessin, nachmalige Königin Therese von Sachsen) geschrieben hatte, konnte er endlich am 16. d. Mes. auf's Neue an sein großes Werk gehen, das er von nun an nicht mehr verließ. Namentlich während seines Aufenthaltes in H o se er Witz zwischen Mai und September schuf er unablässig daran und brachte es am 29. August daselbst zum Abschluß, mit Ausnahme der Ouvertüre, welche er erst kurz vor der Aufführung in Wien componirte. Der Zeitraum, welchem die Arbeit an der Euryanthe gewidmet war. be¬ darf noch einer besonderen Erwähnung, da er auf das Unwiderleglichste Zeugniß giebt für Weber's seltne Schöpferkraft; denn er gebrauchte zur Herstellung dieses mächtigen Werkes, seines umfangreichsten (ausschließlich der Ouvertüre): elf Monate (1822 von Mitte Mai bis Mitte August, drei Tage im October. 1823 von Mitte Januar bis Ende August). Die Instrumentirung an - und für sich vollzog er, während dieser Zeit, in 43 Tagen, und zwar die des ersten Actes „in zwölf Tagen", wie dies in feinem Tagebuch und in der Original-Partitur ausdrücklich von ihm bemerkt ist. Unterdeß hatte Weber im März 1823 Abu Hassan in Dresden einstudirt, dann aber auch Fidelio, der mit hinreißender Wirkung am 29. April, in der Titelrolle mit der nunmehr in Dresden engagirten Schröder-Devrient, gegeben wurde. Daß alle Briefe, die laut Weber's Tagebuche zwischen ihm und Beethoven bezüglich dieser Aufführung gewechselt wurden, spurlos ver- ") Max Maria von Weber: „Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild." Z Bande. Leip¬ zig E. Keil. 1864-1866.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/481
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/481>, abgerufen am 22.12.2024.