Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Künstler selbst und ganz unmittelbar, und so haben beide Opern, Freischütz Bevor Weber an die Composition der neuen Oper gehen konnte, war es Künstler selbst und ganz unmittelbar, und so haben beide Opern, Freischütz Bevor Weber an die Composition der neuen Oper gehen konnte, war es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127888"/> <p xml:id="ID_1549" prev="#ID_1548"> Künstler selbst und ganz unmittelbar, und so haben beide Opern, Freischütz<lb/> und Euryanthe, nächst Zauberflöte, Don Juan und Fidelio, auf deutsches<lb/> Volk und deutsche Kunst folgenreicher gewirkt, als jemals irgend welche andre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1550" next="#ID_1551"> Bevor Weber an die Composition der neuen Oper gehen konnte, war es<lb/> nöthig, in Wien das Sängerpersonal kennen zu lernen, welches dieselbe später<lb/> ausführen sollte; auch hatte man ihn eingeladen, den „Freischütz" dort selbst<lb/> zu dirigiren. — Nachdem am 26. Januar 1822 letztere Oper bei ihrer ersten<lb/> Aufführung auch in Dresden mit Enthusiasmus aufgenommen war, reiste<lb/> Weber am 11. Februar nach Wien, wobei er auf der Durchreise in Prag<lb/> ebenfalls den Freischütz bei gleichem Erfolge dirigirte und er zugleich Henri et te<lb/> Sontag, für die er die Euryanthe zu schreiben hatte, als „Agathe" kennen<lb/> lernte. Nach seiner Ankunft in Wien enthält sein Tagebuch vom 19., an<lb/> welchem Tage er den „Freischütz" dort zum ersten Male gehört, nichts, als:<lb/> „Um 6 Uhr ins Theater. Freischütz. Ach Gott!" — letztere Worte drei¬<lb/> mal unterstrichen — ein genügendes Zeugniß für dessen in der That unglaub¬<lb/> liche Entstellung. Es war klerikale Befangenheit, die dem Werke derart zu<lb/> nahe getreten, daß es kaum wieder zu erkennen war, obwohl Wilhelmine<lb/> Schröder, die spätere Schröder-Devrient. die „Agathe" gab. Nun wurde dem<lb/> Componisten gestattet, der Oper einigermaßen ihre eigentliche Gestalt (z. B.<lb/> den Samiel und das Kugelgießen) zurückzugeben und unter unglaublichem<lb/> Jubel des Publicums und begeisterten Huldigungen der ausführenden Künstler<lb/> ging es aufs neue am 7. März zum Benefiz der Schröder in Scene, wonach<lb/> er in einem Briefe an Lichtenstein ausruft: „Der verdammte" Freischütz<lb/> „wird seiner Schwester Euryanthe schweres Spiel machen, und manchmal<lb/> „bekomme ich fliegende Hizze, wenn ich daran denke, daß der Beifall eigentlich<lb/> „nicht steigen kann. Nun, wie Gott will, ich thue, was ich nicht lassen kann,<lb/> „wie ich immer gethan, und schaue nicht rechts noch links, sondern auf das<lb/> „mir selbst gesteckte Ziel." — Am 19. gab Weber Concert, nachdem er neun<lb/> Tage wegen ernstlichen Halsübels das Haus hatte hüten müssen, und am 21.<lb/> verließ er Wien, in welchem er den Hauptzweck seiner Reise. Kenntniß seines<lb/> Euryanthen-Personals, vollständig erreicht und eine Menge ausgezeichneter<lb/> Persönlichkeiten kennen gelernt hatte, darunter: Erzherzog Carl. Salieri,<lb/> Seyfried. Franz Schubert, Grillparzer, Castelli, Saphir, Kanne (Kritiker) und<lb/> Steiner, letzterer der spätere Verleger der Euryanthe. — Am 26. März wieder<lb/> in Dresden, hielt ihn ein erneutes Unwohlsein vom Beginne der Arbeit an<lb/> Euryanthe bis in den Mai hinein fern. Inzwischen wurde ihm am 25. April<lb/> ein Sohn geboren, Max Maria, jetzt (1872) k. k. Hof- und Ministerial-<lb/> rath und technischer Rath im k. k. Handels - Ministerium zu Wien. In der<lb/> Literatur seines Faches, wie als Belletristiker ausgezeichnet, hat er auch durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
Künstler selbst und ganz unmittelbar, und so haben beide Opern, Freischütz
und Euryanthe, nächst Zauberflöte, Don Juan und Fidelio, auf deutsches
Volk und deutsche Kunst folgenreicher gewirkt, als jemals irgend welche andre.
Bevor Weber an die Composition der neuen Oper gehen konnte, war es
nöthig, in Wien das Sängerpersonal kennen zu lernen, welches dieselbe später
ausführen sollte; auch hatte man ihn eingeladen, den „Freischütz" dort selbst
zu dirigiren. — Nachdem am 26. Januar 1822 letztere Oper bei ihrer ersten
Aufführung auch in Dresden mit Enthusiasmus aufgenommen war, reiste
Weber am 11. Februar nach Wien, wobei er auf der Durchreise in Prag
ebenfalls den Freischütz bei gleichem Erfolge dirigirte und er zugleich Henri et te
Sontag, für die er die Euryanthe zu schreiben hatte, als „Agathe" kennen
lernte. Nach seiner Ankunft in Wien enthält sein Tagebuch vom 19., an
welchem Tage er den „Freischütz" dort zum ersten Male gehört, nichts, als:
„Um 6 Uhr ins Theater. Freischütz. Ach Gott!" — letztere Worte drei¬
mal unterstrichen — ein genügendes Zeugniß für dessen in der That unglaub¬
liche Entstellung. Es war klerikale Befangenheit, die dem Werke derart zu
nahe getreten, daß es kaum wieder zu erkennen war, obwohl Wilhelmine
Schröder, die spätere Schröder-Devrient. die „Agathe" gab. Nun wurde dem
Componisten gestattet, der Oper einigermaßen ihre eigentliche Gestalt (z. B.
den Samiel und das Kugelgießen) zurückzugeben und unter unglaublichem
Jubel des Publicums und begeisterten Huldigungen der ausführenden Künstler
ging es aufs neue am 7. März zum Benefiz der Schröder in Scene, wonach
er in einem Briefe an Lichtenstein ausruft: „Der verdammte" Freischütz
„wird seiner Schwester Euryanthe schweres Spiel machen, und manchmal
„bekomme ich fliegende Hizze, wenn ich daran denke, daß der Beifall eigentlich
„nicht steigen kann. Nun, wie Gott will, ich thue, was ich nicht lassen kann,
„wie ich immer gethan, und schaue nicht rechts noch links, sondern auf das
„mir selbst gesteckte Ziel." — Am 19. gab Weber Concert, nachdem er neun
Tage wegen ernstlichen Halsübels das Haus hatte hüten müssen, und am 21.
verließ er Wien, in welchem er den Hauptzweck seiner Reise. Kenntniß seines
Euryanthen-Personals, vollständig erreicht und eine Menge ausgezeichneter
Persönlichkeiten kennen gelernt hatte, darunter: Erzherzog Carl. Salieri,
Seyfried. Franz Schubert, Grillparzer, Castelli, Saphir, Kanne (Kritiker) und
Steiner, letzterer der spätere Verleger der Euryanthe. — Am 26. März wieder
in Dresden, hielt ihn ein erneutes Unwohlsein vom Beginne der Arbeit an
Euryanthe bis in den Mai hinein fern. Inzwischen wurde ihm am 25. April
ein Sohn geboren, Max Maria, jetzt (1872) k. k. Hof- und Ministerial-
rath und technischer Rath im k. k. Handels - Ministerium zu Wien. In der
Literatur seines Faches, wie als Belletristiker ausgezeichnet, hat er auch durch
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |