Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Karl Maria von Weber.
Eine Lebensskizze
nach authentischen Quellen.
Von
F. W. Jähns. II.

Weber kam am 4. Mai 18 21 zur Einstudirung und Aufführung seines
"Freischütz" nach Berlin. -- Durch die vorhergegangenen Aufführungen
der "Preciosa" daselbst (die erste am 14. März desselben Jahres) war das
sofort davon eroberte Publicum in glücklichster Form zu dem durchaus neuen,
ungeahnten Eindruck vorbereitet worden, den es durch den Freischütz bald in
großartigster Weise empfangen sollte. Auch Weber selbst hatte dies empfun¬
den, indem er am 26. März 1821 seinem Berliner Freunde Lichtenstein schrieb:
"Es freut mich sehr, auch von Dir zu hören, daß die Preciosa durchaus ge-
"siel; sie ist ein guter Vorläufer für den Freischützen, denn es war doch
"manches Gewagte darin nach gewöhnlicher Handwerks-Ansicht." -- Wenn so
durch Preciosa, in Verbindung mit dem warmen Andenken an den Sänger
der Lieder aus "Leyer und Schwert", einerseits der Boden für eine günstige
Aufnahme des "Freischütz" in Berlin geebnet schien, so war er andererseits
doch keineswegs ohne Schwierigkeiten und Hindernisse, zumal durch die aus¬
gesprochene Neigung eines gewissen Theiles des Berliner Publicums für den
eben in hoher Blüthe stehenden Rossini und durch den Einfluß des derzeitigen
musikalischen Alleinherrschers in Berlin, den stolzen, auf jedes deutsche Ver¬
dienst besonders eifersüchtigen Spontini. Durch die Berliner Aufführung
seiner "Olimpia" im April d. I. waren die Parteien noch schärfer geschieden, und
so hatte der Tag der ersten Aufführung des "Freischütz" allerdings eine höhere
Bedeutung gewonnen, insofern er geeignet war, als Moment zu gelten, wo
die deutsche Kunst, der fremdländischen gegenüber, den Kampfplatz betreten
sollte. -- In welcher Weise der deutsche Meister das Feld behauptete -- wem
ist es nicht bekannt geworden? Ziemlich lange schon sind Spontini's Werke
im Allgemeinen von der Bühne verschwunden, selbst sein vollendetstes ist zur
Seltenheit darauf geworden, während Weber's ewig junger Freischütz auf


Grenzboten II. 1872. 61
Karl Maria von Weber.
Eine Lebensskizze
nach authentischen Quellen.
Von
F. W. Jähns. II.

Weber kam am 4. Mai 18 21 zur Einstudirung und Aufführung seines
„Freischütz" nach Berlin. — Durch die vorhergegangenen Aufführungen
der „Preciosa" daselbst (die erste am 14. März desselben Jahres) war das
sofort davon eroberte Publicum in glücklichster Form zu dem durchaus neuen,
ungeahnten Eindruck vorbereitet worden, den es durch den Freischütz bald in
großartigster Weise empfangen sollte. Auch Weber selbst hatte dies empfun¬
den, indem er am 26. März 1821 seinem Berliner Freunde Lichtenstein schrieb:
„Es freut mich sehr, auch von Dir zu hören, daß die Preciosa durchaus ge-
„siel; sie ist ein guter Vorläufer für den Freischützen, denn es war doch
„manches Gewagte darin nach gewöhnlicher Handwerks-Ansicht." — Wenn so
durch Preciosa, in Verbindung mit dem warmen Andenken an den Sänger
der Lieder aus „Leyer und Schwert", einerseits der Boden für eine günstige
Aufnahme des „Freischütz" in Berlin geebnet schien, so war er andererseits
doch keineswegs ohne Schwierigkeiten und Hindernisse, zumal durch die aus¬
gesprochene Neigung eines gewissen Theiles des Berliner Publicums für den
eben in hoher Blüthe stehenden Rossini und durch den Einfluß des derzeitigen
musikalischen Alleinherrschers in Berlin, den stolzen, auf jedes deutsche Ver¬
dienst besonders eifersüchtigen Spontini. Durch die Berliner Aufführung
seiner „Olimpia" im April d. I. waren die Parteien noch schärfer geschieden, und
so hatte der Tag der ersten Aufführung des „Freischütz" allerdings eine höhere
Bedeutung gewonnen, insofern er geeignet war, als Moment zu gelten, wo
die deutsche Kunst, der fremdländischen gegenüber, den Kampfplatz betreten
sollte. — In welcher Weise der deutsche Meister das Feld behauptete — wem
ist es nicht bekannt geworden? Ziemlich lange schon sind Spontini's Werke
im Allgemeinen von der Bühne verschwunden, selbst sein vollendetstes ist zur
Seltenheit darauf geworden, während Weber's ewig junger Freischütz auf


Grenzboten II. 1872. 61
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127885"/>
        <div n="1">
          <head> Karl Maria von Weber.<lb/>
Eine Lebensskizze<lb/>
nach authentischen Quellen.<lb/><note type="byline"> Von<lb/>
F. W. Jähns.</note> II.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1545" next="#ID_1546"> Weber kam am 4. Mai 18 21 zur Einstudirung und Aufführung seines<lb/>
&#x201E;Freischütz" nach Berlin. &#x2014; Durch die vorhergegangenen Aufführungen<lb/>
der &#x201E;Preciosa" daselbst (die erste am 14. März desselben Jahres) war das<lb/>
sofort davon eroberte Publicum in glücklichster Form zu dem durchaus neuen,<lb/>
ungeahnten Eindruck vorbereitet worden, den es durch den Freischütz bald in<lb/>
großartigster Weise empfangen sollte. Auch Weber selbst hatte dies empfun¬<lb/>
den, indem er am 26. März 1821 seinem Berliner Freunde Lichtenstein schrieb:<lb/>
&#x201E;Es freut mich sehr, auch von Dir zu hören, daß die Preciosa durchaus ge-<lb/>
&#x201E;siel; sie ist ein guter Vorläufer für den Freischützen, denn es war doch<lb/>
&#x201E;manches Gewagte darin nach gewöhnlicher Handwerks-Ansicht." &#x2014; Wenn so<lb/>
durch Preciosa, in Verbindung mit dem warmen Andenken an den Sänger<lb/>
der Lieder aus &#x201E;Leyer und Schwert", einerseits der Boden für eine günstige<lb/>
Aufnahme des &#x201E;Freischütz" in Berlin geebnet schien, so war er andererseits<lb/>
doch keineswegs ohne Schwierigkeiten und Hindernisse, zumal durch die aus¬<lb/>
gesprochene Neigung eines gewissen Theiles des Berliner Publicums für den<lb/>
eben in hoher Blüthe stehenden Rossini und durch den Einfluß des derzeitigen<lb/>
musikalischen Alleinherrschers in Berlin, den stolzen, auf jedes deutsche Ver¬<lb/>
dienst besonders eifersüchtigen Spontini. Durch die Berliner Aufführung<lb/>
seiner &#x201E;Olimpia" im April d. I. waren die Parteien noch schärfer geschieden, und<lb/>
so hatte der Tag der ersten Aufführung des &#x201E;Freischütz" allerdings eine höhere<lb/>
Bedeutung gewonnen, insofern er geeignet war, als Moment zu gelten, wo<lb/>
die deutsche Kunst, der fremdländischen gegenüber, den Kampfplatz betreten<lb/>
sollte. &#x2014; In welcher Weise der deutsche Meister das Feld behauptete &#x2014; wem<lb/>
ist es nicht bekannt geworden? Ziemlich lange schon sind Spontini's Werke<lb/>
im Allgemeinen von der Bühne verschwunden, selbst sein vollendetstes ist zur<lb/>
Seltenheit darauf geworden, während Weber's ewig junger Freischütz auf</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1872. 61</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] Karl Maria von Weber. Eine Lebensskizze nach authentischen Quellen. Von F. W. Jähns. II. Weber kam am 4. Mai 18 21 zur Einstudirung und Aufführung seines „Freischütz" nach Berlin. — Durch die vorhergegangenen Aufführungen der „Preciosa" daselbst (die erste am 14. März desselben Jahres) war das sofort davon eroberte Publicum in glücklichster Form zu dem durchaus neuen, ungeahnten Eindruck vorbereitet worden, den es durch den Freischütz bald in großartigster Weise empfangen sollte. Auch Weber selbst hatte dies empfun¬ den, indem er am 26. März 1821 seinem Berliner Freunde Lichtenstein schrieb: „Es freut mich sehr, auch von Dir zu hören, daß die Preciosa durchaus ge- „siel; sie ist ein guter Vorläufer für den Freischützen, denn es war doch „manches Gewagte darin nach gewöhnlicher Handwerks-Ansicht." — Wenn so durch Preciosa, in Verbindung mit dem warmen Andenken an den Sänger der Lieder aus „Leyer und Schwert", einerseits der Boden für eine günstige Aufnahme des „Freischütz" in Berlin geebnet schien, so war er andererseits doch keineswegs ohne Schwierigkeiten und Hindernisse, zumal durch die aus¬ gesprochene Neigung eines gewissen Theiles des Berliner Publicums für den eben in hoher Blüthe stehenden Rossini und durch den Einfluß des derzeitigen musikalischen Alleinherrschers in Berlin, den stolzen, auf jedes deutsche Ver¬ dienst besonders eifersüchtigen Spontini. Durch die Berliner Aufführung seiner „Olimpia" im April d. I. waren die Parteien noch schärfer geschieden, und so hatte der Tag der ersten Aufführung des „Freischütz" allerdings eine höhere Bedeutung gewonnen, insofern er geeignet war, als Moment zu gelten, wo die deutsche Kunst, der fremdländischen gegenüber, den Kampfplatz betreten sollte. — In welcher Weise der deutsche Meister das Feld behauptete — wem ist es nicht bekannt geworden? Ziemlich lange schon sind Spontini's Werke im Allgemeinen von der Bühne verschwunden, selbst sein vollendetstes ist zur Seltenheit darauf geworden, während Weber's ewig junger Freischütz auf Grenzboten II. 1872. 61

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/477>, abgerufen am 03.07.2024.