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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Seit Ausbruch des Krieges hat er sich als Bürger des freien Amerika naturalisiren
lassen und setzt unter diesem Deckmantel seine geheimen Dienste fort. Er hat
sich sogar mit der Tochter eines französischen Generals verlobt, der von dem
wahren Beruf seines zukünftigen Schwiegersohns keine Ahnung hat und ihm
arglos die geheimsten Pläne mittheilt. --

So lernen wir also durch den geistreichen Mitarbeiter der Kövuo ass
cieux ilwnäes, Herrn P. Albane, in der Person "Fritz Meiningens" den
Hauptspion kennen, dem Moltke jedenfalls die Grundzüge seines Planes gegen
Paris verdankt; das ohnehin längst bestrittene Verdienst des deutschen Stra¬
tegen wird dadurch immer hinfälliger. --

Unter der Führung seines Freundes Fritz gelingt es Hermann sogar, in
einer Verkleidung in das belagerte Paris hineinzuschlüpfen, und er findet an
dieser Ercursion, zum großen Kummer seiner besorgten Dorothea, solches Ge¬
fallen, daß er sie fortan öfters wiederholt. Leider ist die ängstliche Eifersucht
Dorotheens nicht ohne Grund. Nach Abschluß des Waffenstillstandes taucht
der sittsame deutsche Professor so tief in den Pariser Strudel unter, daß wir
ihn sehr bald in den Banden einer Hetäre Fidelis, der Frau oder Maitresse
eines kommunistischen Capitäns, später Generals, wiederfinden. Der Brief¬
wechsel mit Dorothea geräth in Folge dessen ins Stocken, für sie tritt ein
Freund Balthasar Flock ein, den Hermann fortan zum Vertrauten seiner
Liebesabenteuer macht.

Es versteht sich von selbst, daß mit dieser sublimen Wendung der fran¬
zösische Autor erst in das rechte Fahrwasser der pariser Novellistik geräth, und
daß er in der Schilderung jenes zweifelhaften Verhältnisses die Farben nicht
spart. Da Hetären für Gaben nicht unempfänglich sind, so kann es uns bei
der reichen Beute, die Hermann überall macht, nicht weiter in Erstaunen setzen,
daß er in einem zärtlichen Augenblick ein Schmuckkästchen aus der Tasche zieht,
welches er in einem Haus von Montmorency entdeckt und Fidelis zu Liebe an
sich genommen hat. Sie öffnet dasselbe und findet darin ein Paar Ohrringe
mit Türkisen und Opalen, die sie mit Entzücken annimmt. Damit begnügt
sie sich jedoch nicht; um ihren Sieg über die deutsche Braut vollständig zu
machen, weiß sie Hermann das Kreuz von Carneol, das er als Andenken an
Dorothea auf der Brust trägt, abzuschmeicheln -- und bei seinem nächsten
Besuch sieht er, daß der Schoßhund der Hetäre Dorotheens Kreuz am Hals¬
band trägt. Nach einer kurzen Regung seines Gewissens nimmt der liebestolle
Professor diesen Hohn geduldig hin.

In diesem Styl spinnt sich das Abenteuer weiter. Hermann begleitet
Fidelis als getreuer Ritter durch den schrecklichen Todeskampf der Commune,
sogar bis zu dem letzten Gemetzel auf dem Friedhof?ore-I^cKiuso, wo sie
von einer Kugel getroffen in seinen Armen stirbt.


Seit Ausbruch des Krieges hat er sich als Bürger des freien Amerika naturalisiren
lassen und setzt unter diesem Deckmantel seine geheimen Dienste fort. Er hat
sich sogar mit der Tochter eines französischen Generals verlobt, der von dem
wahren Beruf seines zukünftigen Schwiegersohns keine Ahnung hat und ihm
arglos die geheimsten Pläne mittheilt. —

So lernen wir also durch den geistreichen Mitarbeiter der Kövuo ass
cieux ilwnäes, Herrn P. Albane, in der Person „Fritz Meiningens" den
Hauptspion kennen, dem Moltke jedenfalls die Grundzüge seines Planes gegen
Paris verdankt; das ohnehin längst bestrittene Verdienst des deutschen Stra¬
tegen wird dadurch immer hinfälliger. —

Unter der Führung seines Freundes Fritz gelingt es Hermann sogar, in
einer Verkleidung in das belagerte Paris hineinzuschlüpfen, und er findet an
dieser Ercursion, zum großen Kummer seiner besorgten Dorothea, solches Ge¬
fallen, daß er sie fortan öfters wiederholt. Leider ist die ängstliche Eifersucht
Dorotheens nicht ohne Grund. Nach Abschluß des Waffenstillstandes taucht
der sittsame deutsche Professor so tief in den Pariser Strudel unter, daß wir
ihn sehr bald in den Banden einer Hetäre Fidelis, der Frau oder Maitresse
eines kommunistischen Capitäns, später Generals, wiederfinden. Der Brief¬
wechsel mit Dorothea geräth in Folge dessen ins Stocken, für sie tritt ein
Freund Balthasar Flock ein, den Hermann fortan zum Vertrauten seiner
Liebesabenteuer macht.

Es versteht sich von selbst, daß mit dieser sublimen Wendung der fran¬
zösische Autor erst in das rechte Fahrwasser der pariser Novellistik geräth, und
daß er in der Schilderung jenes zweifelhaften Verhältnisses die Farben nicht
spart. Da Hetären für Gaben nicht unempfänglich sind, so kann es uns bei
der reichen Beute, die Hermann überall macht, nicht weiter in Erstaunen setzen,
daß er in einem zärtlichen Augenblick ein Schmuckkästchen aus der Tasche zieht,
welches er in einem Haus von Montmorency entdeckt und Fidelis zu Liebe an
sich genommen hat. Sie öffnet dasselbe und findet darin ein Paar Ohrringe
mit Türkisen und Opalen, die sie mit Entzücken annimmt. Damit begnügt
sie sich jedoch nicht; um ihren Sieg über die deutsche Braut vollständig zu
machen, weiß sie Hermann das Kreuz von Carneol, das er als Andenken an
Dorothea auf der Brust trägt, abzuschmeicheln — und bei seinem nächsten
Besuch sieht er, daß der Schoßhund der Hetäre Dorotheens Kreuz am Hals¬
band trägt. Nach einer kurzen Regung seines Gewissens nimmt der liebestolle
Professor diesen Hohn geduldig hin.

In diesem Styl spinnt sich das Abenteuer weiter. Hermann begleitet
Fidelis als getreuer Ritter durch den schrecklichen Todeskampf der Commune,
sogar bis zu dem letzten Gemetzel auf dem Friedhof?ore-I^cKiuso, wo sie
von einer Kugel getroffen in seinen Armen stirbt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/466>, abgerufen am 22.12.2024.