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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Idee erfüllt, verfaßte nun das Buch zu der neuen Oper (welche anfänglich
"Der Probeschuß", dann "Die Jäger brant" und erst nach ihrer
Composition "Der Freischütz" genannt wurde) in der kurzen Zeit von kaum
neun Tagen (vom 21. Februar bis 1. März). -- Wenn Weber's Tagebuch
nun erst am 2. Juli die Bemerkung aufweist, "die erste Note von der Jägers¬
braut aufgeschrieben", so wird dies dadurch erklärlich, daß er erst dann seine
Compositionen zu "notiren" unternahm, wenn Alles innerlich bei ihm klare
Form gewonnen hatte. Der Notirung, einem flüchtigen, sehr karg gehaltenen
Entwürfe, folgte dann endlich (oft viel später) die vollständige Ausführung,
bei Orchester-Partituren die fertige Instrumentirung. --

Die Arbeit Weber's am Freischütz war über einen so großen Zeitraum
ausgedehnt, wie dies bei keinem seiner anderen Werke der Fall gewesen ist;
denn er beendete sie erst am 13. Mai 1820, ja deren gänzlicher Abschluß trat
erst ein mit der später noch nothwendig werdenden zweiten Arie Ännchens
"Einst träumte meiner sel'gen Base" am 28. Mai 1821 in Berlin, kurz vor
der ersten Aufführung. Der Grund dieser langsamen Förderung des Werkes
ist theils in der erwähnten großen Bürde seiner Amtspflichten, theils in
Ausführung anderer augenblicklich drängender Compositionen, sowie auch
in Ereignissen seines Privatlebens zu finden. Zu den in die Zeit der
Schöpfung des "Freischütz" fallenden Arbeiten gehören (um nur die bedeu¬
tendsten zu nennen) für das Jahr 1817: die Musik zu Müllner's Trauerspiel
"Angurd" für das Berliner Hoftheater; die "Zum Annentage" (im ox. 63)
und die große italienische Cantate "I^eeoZIionöa," zur Vermählung der
Prinzessin Maria Anna Carolina von Sachsen (ungedruckt), beide letztere für
den sächsischen Hof; ferner die Variationen über ein Zigeunerlied (ox. 66).
-- Abgesehen von einem kurzen Ausfluge Weber's nach Prag, wo er die
Darstellung seiner Silvcina leitete, und einem gleichen zur Aufführung von
"Kampf und Sieg" in Leipzig steht hinsichts der aus Weber's persön¬
lichen Angelegenheiten hervorgehenden Arbeits-Unterbrechungen am Frei¬
schütz in erster Reihe seine Vermählung am 4. Nov. 1817 und eine daran
geknüpfte Kunstreise, auf welcher er in Darmstadt, Gießen und Gotha
Concert gab und von der er am 20. December nach Dresden zurückkehrte. --
Am 13. September war Weber's dortige Stellung vom Könige in eine lebens¬
längliche umgewandelt worden, und nach diesem Beweise der Zufriedenheit
mit seinen Leistungen konnte Weber seine Stellung nun als eine gesicherte
und dauernde betrachten, um so mehr die liebenswürdige und geistvolle Gattin,
welche nun die Bühne verlassen hatte, ihm ein Hauswesen zu gestalten ver¬
stand, das ihm jedes Glück darbot. Jeden Mißklang, der von außen her auf
ihn eindrang, wußte Caroline mit ihrem liebevollen Herzen und feinem
Sinne, wenn nicht ganz zu beschwichtigen, so doch in seinem Eindrucke zu


Idee erfüllt, verfaßte nun das Buch zu der neuen Oper (welche anfänglich
„Der Probeschuß", dann „Die Jäger brant" und erst nach ihrer
Composition „Der Freischütz" genannt wurde) in der kurzen Zeit von kaum
neun Tagen (vom 21. Februar bis 1. März). — Wenn Weber's Tagebuch
nun erst am 2. Juli die Bemerkung aufweist, „die erste Note von der Jägers¬
braut aufgeschrieben", so wird dies dadurch erklärlich, daß er erst dann seine
Compositionen zu „notiren" unternahm, wenn Alles innerlich bei ihm klare
Form gewonnen hatte. Der Notirung, einem flüchtigen, sehr karg gehaltenen
Entwürfe, folgte dann endlich (oft viel später) die vollständige Ausführung,
bei Orchester-Partituren die fertige Instrumentirung. —

Die Arbeit Weber's am Freischütz war über einen so großen Zeitraum
ausgedehnt, wie dies bei keinem seiner anderen Werke der Fall gewesen ist;
denn er beendete sie erst am 13. Mai 1820, ja deren gänzlicher Abschluß trat
erst ein mit der später noch nothwendig werdenden zweiten Arie Ännchens
„Einst träumte meiner sel'gen Base" am 28. Mai 1821 in Berlin, kurz vor
der ersten Aufführung. Der Grund dieser langsamen Förderung des Werkes
ist theils in der erwähnten großen Bürde seiner Amtspflichten, theils in
Ausführung anderer augenblicklich drängender Compositionen, sowie auch
in Ereignissen seines Privatlebens zu finden. Zu den in die Zeit der
Schöpfung des „Freischütz" fallenden Arbeiten gehören (um nur die bedeu¬
tendsten zu nennen) für das Jahr 1817: die Musik zu Müllner's Trauerspiel
„Angurd" für das Berliner Hoftheater; die „Zum Annentage" (im ox. 63)
und die große italienische Cantate „I^eeoZIionöa," zur Vermählung der
Prinzessin Maria Anna Carolina von Sachsen (ungedruckt), beide letztere für
den sächsischen Hof; ferner die Variationen über ein Zigeunerlied (ox. 66).
— Abgesehen von einem kurzen Ausfluge Weber's nach Prag, wo er die
Darstellung seiner Silvcina leitete, und einem gleichen zur Aufführung von
„Kampf und Sieg" in Leipzig steht hinsichts der aus Weber's persön¬
lichen Angelegenheiten hervorgehenden Arbeits-Unterbrechungen am Frei¬
schütz in erster Reihe seine Vermählung am 4. Nov. 1817 und eine daran
geknüpfte Kunstreise, auf welcher er in Darmstadt, Gießen und Gotha
Concert gab und von der er am 20. December nach Dresden zurückkehrte. —
Am 13. September war Weber's dortige Stellung vom Könige in eine lebens¬
längliche umgewandelt worden, und nach diesem Beweise der Zufriedenheit
mit seinen Leistungen konnte Weber seine Stellung nun als eine gesicherte
und dauernde betrachten, um so mehr die liebenswürdige und geistvolle Gattin,
welche nun die Bühne verlassen hatte, ihm ein Hauswesen zu gestalten ver¬
stand, das ihm jedes Glück darbot. Jeden Mißklang, der von außen her auf
ihn eindrang, wußte Caroline mit ihrem liebevollen Herzen und feinem
Sinne, wenn nicht ganz zu beschwichtigen, so doch in seinem Eindrucke zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/449>, abgerufen am 22.12.2024.