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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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aber für Behagen, Nuhe, Sauberkeit, flinke Bedienung und wirklich gute
Leistungen von Küche und Keller. Das luxuriöse Wesen imponirt nur der
mäßig bemittelten und ebenso mäßig gebildeten Classe, dem kleinen Fabrikan¬
ten, dem Kaufmann zweiten Ranges, dem Junker hinten aus der Provinz.
Diese lassen sich durch Berichte von jenem Glänze locken, diese freuen sich,
von den geschnitzten Möbeln, den mit Perlmutter ausgelegten Bettstellen, den
seidenen Portieren und Gardinen, den Sammet-Tapeten, Pracht-Teppichen
und gemalten Plafonds, dem elektrischen Klingelzug-System und den hydrau¬
lischen Omnibus, welche Gäste und Aufwärter in die obern Stockwerke
pumpen, zu Hause als von Wunderdingen erzählen zu können. Kommt aber
dann die Rechnung, so übersehen sie in der Regel, daß sie ihren Beitrag zur
Verzinsung der Kosten dieser Herrlichkeit zahlen müssen, finden sich geschnitten,
geprellt, und kommen nicht nur selbst nicht wieder, sondern warnen auch an¬
dere vor dem Vampyr, der unter dem Gefieder des goldenen Truthahns sich
verbirgt.

Nach unsrer Schrift wäre es nicht einmal so sehr Gewinnsucht als Ehr¬
geiz, welcher den Truthahns-Wirth zur Ausstattung und Verbrämung seines
Hauses mit zweckwidrigen Prunk verleitete. Er dächte weniger an seine
Kasse als an den Glanz, welchen die Titel seiner vornehmen Gäste auf seinen
Namen herniederstrahlten, an die lange Reihe deutscher Fürstlichkeiten und
Minister, englischer Lords und wnlachischer Bojaren, die in seinen Büchern
figuriren würden, wenn er sein Hotel in einen Palast umschüfe.

Das mag sein, doch muß man sich dann wundern, daß die Glücklichen,
denen solcher Besuch zu Theil zu werden geruht, nicht auf ihren Aushänge¬
schildern darauf Bezug nehmen wie unsre Hoflieferanten oder es nicht in
ihre Zeitungsannoncen setzen wie die Lotteriecollecteure, die ein oder zwei
Mal das große Loos in ihre Collecte fallen sahen.

Wirksamer würde allerdings sein, wenn statt dessen in den Annoncen und
Placaten angedeutet wäre, daß der Besitzer des Truthahns gewisse, sogleich
näher zu erörternde Bedürfnisse und Wünsche verwöhnter und kränklicher
Gäste als berechtigt anerkannt und berücksichtigt habe. Fürsten und Große
sollen undankbar sein, aber ihre Kammerdiener und Köche pflegen sich weniger
darüber zu beklagen als ihre Minister.

"Vor allem", so läßt sich unser Reisephilosoph vernehmen, "sollten die
Wirthe erwägen, daß jene Klasse, auf die sie vorzugsweise speculiren, nicht zahl¬
reich sein kann, daß überhaupt auch in ihrem Gebiete unsre Zeit Vieles um¬
gestaltet hat. Früher gab es wenig Leute, die reisten, und als Vehikel bediente
man sich hauptsächlich der eigenen Fuße. Wer anders kam als zu Fuße,
mußte, wenn er nicht etwa Fuhrmann oder Musterreiter war, vornehm, reich,


aber für Behagen, Nuhe, Sauberkeit, flinke Bedienung und wirklich gute
Leistungen von Küche und Keller. Das luxuriöse Wesen imponirt nur der
mäßig bemittelten und ebenso mäßig gebildeten Classe, dem kleinen Fabrikan¬
ten, dem Kaufmann zweiten Ranges, dem Junker hinten aus der Provinz.
Diese lassen sich durch Berichte von jenem Glänze locken, diese freuen sich,
von den geschnitzten Möbeln, den mit Perlmutter ausgelegten Bettstellen, den
seidenen Portieren und Gardinen, den Sammet-Tapeten, Pracht-Teppichen
und gemalten Plafonds, dem elektrischen Klingelzug-System und den hydrau¬
lischen Omnibus, welche Gäste und Aufwärter in die obern Stockwerke
pumpen, zu Hause als von Wunderdingen erzählen zu können. Kommt aber
dann die Rechnung, so übersehen sie in der Regel, daß sie ihren Beitrag zur
Verzinsung der Kosten dieser Herrlichkeit zahlen müssen, finden sich geschnitten,
geprellt, und kommen nicht nur selbst nicht wieder, sondern warnen auch an¬
dere vor dem Vampyr, der unter dem Gefieder des goldenen Truthahns sich
verbirgt.

Nach unsrer Schrift wäre es nicht einmal so sehr Gewinnsucht als Ehr¬
geiz, welcher den Truthahns-Wirth zur Ausstattung und Verbrämung seines
Hauses mit zweckwidrigen Prunk verleitete. Er dächte weniger an seine
Kasse als an den Glanz, welchen die Titel seiner vornehmen Gäste auf seinen
Namen herniederstrahlten, an die lange Reihe deutscher Fürstlichkeiten und
Minister, englischer Lords und wnlachischer Bojaren, die in seinen Büchern
figuriren würden, wenn er sein Hotel in einen Palast umschüfe.

Das mag sein, doch muß man sich dann wundern, daß die Glücklichen,
denen solcher Besuch zu Theil zu werden geruht, nicht auf ihren Aushänge¬
schildern darauf Bezug nehmen wie unsre Hoflieferanten oder es nicht in
ihre Zeitungsannoncen setzen wie die Lotteriecollecteure, die ein oder zwei
Mal das große Loos in ihre Collecte fallen sahen.

Wirksamer würde allerdings sein, wenn statt dessen in den Annoncen und
Placaten angedeutet wäre, daß der Besitzer des Truthahns gewisse, sogleich
näher zu erörternde Bedürfnisse und Wünsche verwöhnter und kränklicher
Gäste als berechtigt anerkannt und berücksichtigt habe. Fürsten und Große
sollen undankbar sein, aber ihre Kammerdiener und Köche pflegen sich weniger
darüber zu beklagen als ihre Minister.

„Vor allem", so läßt sich unser Reisephilosoph vernehmen, „sollten die
Wirthe erwägen, daß jene Klasse, auf die sie vorzugsweise speculiren, nicht zahl¬
reich sein kann, daß überhaupt auch in ihrem Gebiete unsre Zeit Vieles um¬
gestaltet hat. Früher gab es wenig Leute, die reisten, und als Vehikel bediente
man sich hauptsächlich der eigenen Fuße. Wer anders kam als zu Fuße,
mußte, wenn er nicht etwa Fuhrmann oder Musterreiter war, vornehm, reich,


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[0423] aber für Behagen, Nuhe, Sauberkeit, flinke Bedienung und wirklich gute Leistungen von Küche und Keller. Das luxuriöse Wesen imponirt nur der mäßig bemittelten und ebenso mäßig gebildeten Classe, dem kleinen Fabrikan¬ ten, dem Kaufmann zweiten Ranges, dem Junker hinten aus der Provinz. Diese lassen sich durch Berichte von jenem Glänze locken, diese freuen sich, von den geschnitzten Möbeln, den mit Perlmutter ausgelegten Bettstellen, den seidenen Portieren und Gardinen, den Sammet-Tapeten, Pracht-Teppichen und gemalten Plafonds, dem elektrischen Klingelzug-System und den hydrau¬ lischen Omnibus, welche Gäste und Aufwärter in die obern Stockwerke pumpen, zu Hause als von Wunderdingen erzählen zu können. Kommt aber dann die Rechnung, so übersehen sie in der Regel, daß sie ihren Beitrag zur Verzinsung der Kosten dieser Herrlichkeit zahlen müssen, finden sich geschnitten, geprellt, und kommen nicht nur selbst nicht wieder, sondern warnen auch an¬ dere vor dem Vampyr, der unter dem Gefieder des goldenen Truthahns sich verbirgt. Nach unsrer Schrift wäre es nicht einmal so sehr Gewinnsucht als Ehr¬ geiz, welcher den Truthahns-Wirth zur Ausstattung und Verbrämung seines Hauses mit zweckwidrigen Prunk verleitete. Er dächte weniger an seine Kasse als an den Glanz, welchen die Titel seiner vornehmen Gäste auf seinen Namen herniederstrahlten, an die lange Reihe deutscher Fürstlichkeiten und Minister, englischer Lords und wnlachischer Bojaren, die in seinen Büchern figuriren würden, wenn er sein Hotel in einen Palast umschüfe. Das mag sein, doch muß man sich dann wundern, daß die Glücklichen, denen solcher Besuch zu Theil zu werden geruht, nicht auf ihren Aushänge¬ schildern darauf Bezug nehmen wie unsre Hoflieferanten oder es nicht in ihre Zeitungsannoncen setzen wie die Lotteriecollecteure, die ein oder zwei Mal das große Loos in ihre Collecte fallen sahen. Wirksamer würde allerdings sein, wenn statt dessen in den Annoncen und Placaten angedeutet wäre, daß der Besitzer des Truthahns gewisse, sogleich näher zu erörternde Bedürfnisse und Wünsche verwöhnter und kränklicher Gäste als berechtigt anerkannt und berücksichtigt habe. Fürsten und Große sollen undankbar sein, aber ihre Kammerdiener und Köche pflegen sich weniger darüber zu beklagen als ihre Minister. „Vor allem", so läßt sich unser Reisephilosoph vernehmen, „sollten die Wirthe erwägen, daß jene Klasse, auf die sie vorzugsweise speculiren, nicht zahl¬ reich sein kann, daß überhaupt auch in ihrem Gebiete unsre Zeit Vieles um¬ gestaltet hat. Früher gab es wenig Leute, die reisten, und als Vehikel bediente man sich hauptsächlich der eigenen Fuße. Wer anders kam als zu Fuße, mußte, wenn er nicht etwa Fuhrmann oder Musterreiter war, vornehm, reich,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/423>, abgerufen am 24.08.2024.