Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.wie jener Satz voraussetze. Das Mißtrauen sei ganz ungerechtfertigt und die Aus Luxemburg. Wir haben den Vorzug, ein kleines Land zu sein mit einer großen In¬ Grenzboten II. 1872. ^
wie jener Satz voraussetze. Das Mißtrauen sei ganz ungerechtfertigt und die Aus Luxemburg. Wir haben den Vorzug, ein kleines Land zu sein mit einer großen In¬ Grenzboten II. 1872. ^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127437"/> <p xml:id="ID_134" prev="#ID_133"> wie jener Satz voraussetze. Das Mißtrauen sei ganz ungerechtfertigt und die<lb/> Theorie von der Staatsgefährlichkeit der neuen Dogmen werde selbst von<lb/> denen nicht geglaubt, die sie aufstellen. Staat und Kirche hätten eine sich er¬<lb/> gänzende Mission. Uebergriffe seien bisher vom Staat in's Gebiet der Kirche,<lb/> aber nicht umgekehrt geschehen. Uebrigens besitze der Bund Competenzen genug,<lb/> in der Ausübung derselben sei er nie scrupulös gewesen, nach dem Satz: hat<lb/> man keine, so macht man eine. Auch hätten sich bisher in Staaten, die sich<lb/> selbst keiner Provocation schuldig machten, in Folge der neuen Dogmen noch<lb/> nirgends politische Verwickelungen gezeigt. Die Unfehlbarkeit des Papstes<lb/> bloß in Sachen des Glaubens und der Sitten berühre den Staat in keiner<lb/> Weise, wie selbst Frohschammer in München zugegeben. Wenn endlich<lb/> das Volk dem confessions- d. h. glaubenslosen Staate zugethan wäre, so hätte<lb/> man nicht nöthig, den Bund zu Hülfe zu rufen. Der glaubenslose Staat<lb/> aber führe zu Streit, bösem Beispiel, Jndifferentismus und so zur Intoleranz,<lb/> denn die Gleichgültigen nennen die Gläubigen Finsterlinge, Ultramontane<lb/> und bekreuzen sich vor ihnen. „Wir müssen somit Alles thun, was wir<lb/> können, damit das Christenthum nicht von uns genommen werde. Der Bund<lb/> soll die, welche glauben, auch in seinen Schutz nehmen und nicht bloß die,<lb/> welche indirect den Glauben zerstören." — Trotz alledem wurde der Artikel<lb/> in folgendem Wortlaut in beiden Räthen angenommen: „Die freie Ausübung<lb/> der gottesdienstlichen Handlungen ist innerhalb der Schranken der öffentlichen<lb/> Sittlichkeit und Ordnung gewährleistet. Den Cantonen wie dem Bunde bleibt<lb/> vorbehalten, für Handhabung der öffentlichen Ordnung und des Friedens<lb/> unter den Confessionen, sowie gegen Eingriffe kirchl. Behörden in die Rechte<lb/> der Bürger und des Staates die geeigneten Maßregeln zu treffen."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus Luxemburg.</head><lb/> <p xml:id="ID_135" next="#ID_136"> Wir haben den Vorzug, ein kleines Land zu sein mit einer großen In¬<lb/> dustrie, ein neutrales Land und folglich ohne Kriegsdienst- und Kriegssteuer¬<lb/> last für die Bevölkerung. Der Frieden unserer Fluren wird von den Gro߬<lb/> mächten behütet. Dabei entbehren wir jedoch nicht den Bortheil einer großen<lb/> Handelsgemeinschaft. Denn wir sind — ich hätte beinahe etwas Falsches<lb/> gesagt, denn ich wollte sagen: wir sind im deutschen Zollverein. Aber der<lb/> besteht ja gar nicht mehr. Vielmehr wir, das souveräne Großherzogthum<lb/> Luxemburg bilden ganz allein einen Zollverein mit dem deutschen Reich, einen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1872. ^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
wie jener Satz voraussetze. Das Mißtrauen sei ganz ungerechtfertigt und die
Theorie von der Staatsgefährlichkeit der neuen Dogmen werde selbst von
denen nicht geglaubt, die sie aufstellen. Staat und Kirche hätten eine sich er¬
gänzende Mission. Uebergriffe seien bisher vom Staat in's Gebiet der Kirche,
aber nicht umgekehrt geschehen. Uebrigens besitze der Bund Competenzen genug,
in der Ausübung derselben sei er nie scrupulös gewesen, nach dem Satz: hat
man keine, so macht man eine. Auch hätten sich bisher in Staaten, die sich
selbst keiner Provocation schuldig machten, in Folge der neuen Dogmen noch
nirgends politische Verwickelungen gezeigt. Die Unfehlbarkeit des Papstes
bloß in Sachen des Glaubens und der Sitten berühre den Staat in keiner
Weise, wie selbst Frohschammer in München zugegeben. Wenn endlich
das Volk dem confessions- d. h. glaubenslosen Staate zugethan wäre, so hätte
man nicht nöthig, den Bund zu Hülfe zu rufen. Der glaubenslose Staat
aber führe zu Streit, bösem Beispiel, Jndifferentismus und so zur Intoleranz,
denn die Gleichgültigen nennen die Gläubigen Finsterlinge, Ultramontane
und bekreuzen sich vor ihnen. „Wir müssen somit Alles thun, was wir
können, damit das Christenthum nicht von uns genommen werde. Der Bund
soll die, welche glauben, auch in seinen Schutz nehmen und nicht bloß die,
welche indirect den Glauben zerstören." — Trotz alledem wurde der Artikel
in folgendem Wortlaut in beiden Räthen angenommen: „Die freie Ausübung
der gottesdienstlichen Handlungen ist innerhalb der Schranken der öffentlichen
Sittlichkeit und Ordnung gewährleistet. Den Cantonen wie dem Bunde bleibt
vorbehalten, für Handhabung der öffentlichen Ordnung und des Friedens
unter den Confessionen, sowie gegen Eingriffe kirchl. Behörden in die Rechte
der Bürger und des Staates die geeigneten Maßregeln zu treffen."
Aus Luxemburg.
Wir haben den Vorzug, ein kleines Land zu sein mit einer großen In¬
dustrie, ein neutrales Land und folglich ohne Kriegsdienst- und Kriegssteuer¬
last für die Bevölkerung. Der Frieden unserer Fluren wird von den Gro߬
mächten behütet. Dabei entbehren wir jedoch nicht den Bortheil einer großen
Handelsgemeinschaft. Denn wir sind — ich hätte beinahe etwas Falsches
gesagt, denn ich wollte sagen: wir sind im deutschen Zollverein. Aber der
besteht ja gar nicht mehr. Vielmehr wir, das souveräne Großherzogthum
Luxemburg bilden ganz allein einen Zollverein mit dem deutschen Reich, einen
Grenzboten II. 1872. ^
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