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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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irgend eine Schlacht gegeben hat -- das Treffen, in welchem Monoms siegte,
hatte eine Aehnlichkeit damit -- so stand die Zahl der Todten und Verwun¬
deten in keinem Verhältniß zu der Zahl der dabei Betheiligten und der
Dauer des Kampfes. Es ist unmöglich, den Dutzenden von kleinen Busch¬
plänkeleien an den Bergen von Biscaya und Navarra ins Einzelne zu folgen,
wo die Carlisten nach ein paar Schüssen Fersengeld gaben und die königlichen
Truppen sich abmühten, sie zu Hetzen. Wenn ich von diesem Feldzuge lese,
fällt mir immer ein, was der alte Herzog von Wellington, ein gründlicher
Kenner Spaniens, sagte, als er vom Ausbruche des Bürgerkrieges hörte:
"Laßt sie nur machen", ließ sich der alte Herr vernehmen, "sie werden einan¬
der nicht viel Schaden anthun."

> Es heißt, der König Amadeo wünsche in Person ins Feld zu gehen und
sich mit dem Vertreter des verfaultesten aller Zweige des alten bourbonischen
Stammes messen. Aber, wie es scheint, halten ihn seine Räthe zurück, ver¬
muthlich aus Furcht vor der mächtigen Unabhängigkeit von den Parteien,
die ein im Felde siegreicher König sicherlich gewinnen würde. Seine Dynastie
ist durch die carlistische Jnsurrection nicht gefährdet. Aber daß er an die
Möglichkeit denkt, Jemand von seinen Angehörigen nach Italien zu senden,
wird durch eine Thatsache bewiesen, die ich verbürgen kann -- schon seit ge¬
raumer Zeit ankern drei italienische Kriegsschiffe auf der Außenrhede von
Carthagena.

Ich sagte, daß die Carlisten unter Anderm auf die Unterstützung der
Republikaner gerechnet hätten. Für jetzt haben die Republikaner sich ent¬
schlossen, ruhig zu bleiben, obwohl sie das Ministerium so im Magen haben,
daß sie und die Radicalen fast auf dem Punkte stehen, die Cortes aufzu¬
geben. So geht ein unbehagliches Gefühl durch das Land, daß, wenn die
carlistische Erhebung noch eine Weile dauert, die Republikaner die Verlegen¬
heit der Regierung benutzen könnten, einen Umsturz derselben zu versuchen,
in welchem Falle wir lang anhaltende Verwirrung zu gewärtigen hätten.
Der schlechte Stand der Geschäfte in Catalonien ist schon erwähnt. Man
fürchtet sogar ein Stillstehen der großen Baumwollenfabriken in Barcelona,
wo es dann, da die Arbeiterbevölkerung dieser Stadt beinahe ausnahmslos
republikanisch gesinnt ist, sicherlich einen Losbruch geben würde. Die Arbeit
aus patriotischen Beweggründen eine Zeit lang mit Verlust fortzusetzen, ist
ein Barceloneser Fabrikherr nicht der Mann. Dazu mangelt es ihm viel zu
sehr an Großherzigkeit und Gemeinsinn.

Die Verhandlungen der Cortes tragen inzwischen den üblichen Stempel
des Parteigezänks. In dieser Hinsicht ist die Versammlung nicht um ein
Haar besser als die Parlamente vor der Revolution vom Jahre 1868. Sa-
D. Red.) gasta mit seinem quasiconservativen Ministerium (seitdem verdrängt.


irgend eine Schlacht gegeben hat — das Treffen, in welchem Monoms siegte,
hatte eine Aehnlichkeit damit — so stand die Zahl der Todten und Verwun¬
deten in keinem Verhältniß zu der Zahl der dabei Betheiligten und der
Dauer des Kampfes. Es ist unmöglich, den Dutzenden von kleinen Busch¬
plänkeleien an den Bergen von Biscaya und Navarra ins Einzelne zu folgen,
wo die Carlisten nach ein paar Schüssen Fersengeld gaben und die königlichen
Truppen sich abmühten, sie zu Hetzen. Wenn ich von diesem Feldzuge lese,
fällt mir immer ein, was der alte Herzog von Wellington, ein gründlicher
Kenner Spaniens, sagte, als er vom Ausbruche des Bürgerkrieges hörte:
„Laßt sie nur machen", ließ sich der alte Herr vernehmen, „sie werden einan¬
der nicht viel Schaden anthun."

> Es heißt, der König Amadeo wünsche in Person ins Feld zu gehen und
sich mit dem Vertreter des verfaultesten aller Zweige des alten bourbonischen
Stammes messen. Aber, wie es scheint, halten ihn seine Räthe zurück, ver¬
muthlich aus Furcht vor der mächtigen Unabhängigkeit von den Parteien,
die ein im Felde siegreicher König sicherlich gewinnen würde. Seine Dynastie
ist durch die carlistische Jnsurrection nicht gefährdet. Aber daß er an die
Möglichkeit denkt, Jemand von seinen Angehörigen nach Italien zu senden,
wird durch eine Thatsache bewiesen, die ich verbürgen kann — schon seit ge¬
raumer Zeit ankern drei italienische Kriegsschiffe auf der Außenrhede von
Carthagena.

Ich sagte, daß die Carlisten unter Anderm auf die Unterstützung der
Republikaner gerechnet hätten. Für jetzt haben die Republikaner sich ent¬
schlossen, ruhig zu bleiben, obwohl sie das Ministerium so im Magen haben,
daß sie und die Radicalen fast auf dem Punkte stehen, die Cortes aufzu¬
geben. So geht ein unbehagliches Gefühl durch das Land, daß, wenn die
carlistische Erhebung noch eine Weile dauert, die Republikaner die Verlegen¬
heit der Regierung benutzen könnten, einen Umsturz derselben zu versuchen,
in welchem Falle wir lang anhaltende Verwirrung zu gewärtigen hätten.
Der schlechte Stand der Geschäfte in Catalonien ist schon erwähnt. Man
fürchtet sogar ein Stillstehen der großen Baumwollenfabriken in Barcelona,
wo es dann, da die Arbeiterbevölkerung dieser Stadt beinahe ausnahmslos
republikanisch gesinnt ist, sicherlich einen Losbruch geben würde. Die Arbeit
aus patriotischen Beweggründen eine Zeit lang mit Verlust fortzusetzen, ist
ein Barceloneser Fabrikherr nicht der Mann. Dazu mangelt es ihm viel zu
sehr an Großherzigkeit und Gemeinsinn.

Die Verhandlungen der Cortes tragen inzwischen den üblichen Stempel
des Parteigezänks. In dieser Hinsicht ist die Versammlung nicht um ein
Haar besser als die Parlamente vor der Revolution vom Jahre 1868. Sa-
D. Red.) gasta mit seinem quasiconservativen Ministerium (seitdem verdrängt.


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[0395] irgend eine Schlacht gegeben hat — das Treffen, in welchem Monoms siegte, hatte eine Aehnlichkeit damit — so stand die Zahl der Todten und Verwun¬ deten in keinem Verhältniß zu der Zahl der dabei Betheiligten und der Dauer des Kampfes. Es ist unmöglich, den Dutzenden von kleinen Busch¬ plänkeleien an den Bergen von Biscaya und Navarra ins Einzelne zu folgen, wo die Carlisten nach ein paar Schüssen Fersengeld gaben und die königlichen Truppen sich abmühten, sie zu Hetzen. Wenn ich von diesem Feldzuge lese, fällt mir immer ein, was der alte Herzog von Wellington, ein gründlicher Kenner Spaniens, sagte, als er vom Ausbruche des Bürgerkrieges hörte: „Laßt sie nur machen", ließ sich der alte Herr vernehmen, „sie werden einan¬ der nicht viel Schaden anthun." > Es heißt, der König Amadeo wünsche in Person ins Feld zu gehen und sich mit dem Vertreter des verfaultesten aller Zweige des alten bourbonischen Stammes messen. Aber, wie es scheint, halten ihn seine Räthe zurück, ver¬ muthlich aus Furcht vor der mächtigen Unabhängigkeit von den Parteien, die ein im Felde siegreicher König sicherlich gewinnen würde. Seine Dynastie ist durch die carlistische Jnsurrection nicht gefährdet. Aber daß er an die Möglichkeit denkt, Jemand von seinen Angehörigen nach Italien zu senden, wird durch eine Thatsache bewiesen, die ich verbürgen kann — schon seit ge¬ raumer Zeit ankern drei italienische Kriegsschiffe auf der Außenrhede von Carthagena. Ich sagte, daß die Carlisten unter Anderm auf die Unterstützung der Republikaner gerechnet hätten. Für jetzt haben die Republikaner sich ent¬ schlossen, ruhig zu bleiben, obwohl sie das Ministerium so im Magen haben, daß sie und die Radicalen fast auf dem Punkte stehen, die Cortes aufzu¬ geben. So geht ein unbehagliches Gefühl durch das Land, daß, wenn die carlistische Erhebung noch eine Weile dauert, die Republikaner die Verlegen¬ heit der Regierung benutzen könnten, einen Umsturz derselben zu versuchen, in welchem Falle wir lang anhaltende Verwirrung zu gewärtigen hätten. Der schlechte Stand der Geschäfte in Catalonien ist schon erwähnt. Man fürchtet sogar ein Stillstehen der großen Baumwollenfabriken in Barcelona, wo es dann, da die Arbeiterbevölkerung dieser Stadt beinahe ausnahmslos republikanisch gesinnt ist, sicherlich einen Losbruch geben würde. Die Arbeit aus patriotischen Beweggründen eine Zeit lang mit Verlust fortzusetzen, ist ein Barceloneser Fabrikherr nicht der Mann. Dazu mangelt es ihm viel zu sehr an Großherzigkeit und Gemeinsinn. Die Verhandlungen der Cortes tragen inzwischen den üblichen Stempel des Parteigezänks. In dieser Hinsicht ist die Versammlung nicht um ein Haar besser als die Parlamente vor der Revolution vom Jahre 1868. Sa- D. Red.) gasta mit seinem quasiconservativen Ministerium (seitdem verdrängt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/395>, abgerufen am 24.08.2024.