Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

(in der Nähe des Grafen Blome, des Herbergsvaters der Gesellschaft Jesu)
in Sicherheit gebracht haben.

AIs die schottischen Lords sich gegen das Haus Hannover erhoben,
schickten sie nicht ihre Lehnsleute vor und blieben selber zu Hause. Sie waren
immer in der ersten Schlachtreihe. Sie betrugen sich wie Gentlemen im Felde
und wie Gentlemen auf dem Schaffst. Aber diese Dorf schlagen einen an¬
dern Curs ein. Sie halten das Kriegführen für garstige Arbeit und ziehen
vor, ihre "Puros" zu schmauchen, zu spielgaunern und mit ihres Nächsten
Weib zu liebeln. Don Carlos allerdings kam selbst, aber nur, weil es un¬
vermeidlich war, und er hat sich eben nicht hervorgethan, vielmehr Gott ge¬
dankt, als er ein Loch nach der Grenze offen sah. Die letzte Nachricht von
ihm war, er hätte ein paar Finger eingebüßt. Das war aber -- vorausge¬
setzt, daß die Geschichte wahr -- nicht die Folge einer Verwundung, sondern
ein gewöhnlicher Unglücksfall, der ihm auch im friedlichen Genf hätte Passiren
können.

Die schlimmste Seite dieses carlistischen Versuchs liegt, vom nationalen
Standpunkte aus betrachtet, darin, daß er gerade stattfindet, wo das unglück¬
liche Land sich der Aussicht auf ein gedeihliches Jahr erfreute. Wir leben
jetzt im südlichen Frühling, der ungewöhnlich viel Regen brachte, was für
die vielen dürren Gegenden der Halbinsel ein großer Segen ist. Schon steht
das Getreide zwei Fuß hoch und beginnt gelb zu werden. Obst ist in Menge
auf den Bäumen, und die Ernte wird in beiden Beziehungen außerordentlich
reich sein. Aber vieles von diesen Vortheilen wird durch den Unfug verloren
gehen, den diese alberne und ruchlose Störung im Gefolge hat; denn dieselbe
wirkt auch auf Provinzen, wo der Prätendent kaum irgend welchen Anhang
hat. Catalonien z. B. ist fast durchaus liberal und republikanisch gesinnt.
Zwar hat man hier ein paar flüchtige "Partidas" gesehen, und Räuberban¬
den, welche Carlisten sein wollten, haben ein paar Mal Postkutschen zwischen
Gerona und den Pyrenäen ausgeplündert. Aber das will wenig bedeuten.
Dagegen ist Störung des Handels und Verkehrs keine unbedeutende Sache,
und Handel und Verkehr leiden allerdings beträchtlich. Die Kaufleute klagen
bitter, daß sie ihre Außenstände nicht einziehen können, und in der That gibt
es viele Catalanen, welche immer vergnügt sind, wenn sich ein plausibler Vor¬
wand findet, ihre Wechsel bis auf Weiteres uneingelöst lassen zu können.
Es ist dies ein Zug dieser Provinz wie das häufige Vorkommen falschen
Geldes.

In Betreff der Gefechte muß man sich durch die von spanischen Blättern
berichteten Wunderthaten nicht beirren lassen. Der Krieg, wenn Krieg nicht
ein zu vornehmer Name dafür ist, ist das alte Guerilla-Treiben der Jberier
Strabos und aller ihrer Nachkommen bis auf den heutigen Tag. Wenn es


(in der Nähe des Grafen Blome, des Herbergsvaters der Gesellschaft Jesu)
in Sicherheit gebracht haben.

AIs die schottischen Lords sich gegen das Haus Hannover erhoben,
schickten sie nicht ihre Lehnsleute vor und blieben selber zu Hause. Sie waren
immer in der ersten Schlachtreihe. Sie betrugen sich wie Gentlemen im Felde
und wie Gentlemen auf dem Schaffst. Aber diese Dorf schlagen einen an¬
dern Curs ein. Sie halten das Kriegführen für garstige Arbeit und ziehen
vor, ihre „Puros" zu schmauchen, zu spielgaunern und mit ihres Nächsten
Weib zu liebeln. Don Carlos allerdings kam selbst, aber nur, weil es un¬
vermeidlich war, und er hat sich eben nicht hervorgethan, vielmehr Gott ge¬
dankt, als er ein Loch nach der Grenze offen sah. Die letzte Nachricht von
ihm war, er hätte ein paar Finger eingebüßt. Das war aber — vorausge¬
setzt, daß die Geschichte wahr — nicht die Folge einer Verwundung, sondern
ein gewöhnlicher Unglücksfall, der ihm auch im friedlichen Genf hätte Passiren
können.

Die schlimmste Seite dieses carlistischen Versuchs liegt, vom nationalen
Standpunkte aus betrachtet, darin, daß er gerade stattfindet, wo das unglück¬
liche Land sich der Aussicht auf ein gedeihliches Jahr erfreute. Wir leben
jetzt im südlichen Frühling, der ungewöhnlich viel Regen brachte, was für
die vielen dürren Gegenden der Halbinsel ein großer Segen ist. Schon steht
das Getreide zwei Fuß hoch und beginnt gelb zu werden. Obst ist in Menge
auf den Bäumen, und die Ernte wird in beiden Beziehungen außerordentlich
reich sein. Aber vieles von diesen Vortheilen wird durch den Unfug verloren
gehen, den diese alberne und ruchlose Störung im Gefolge hat; denn dieselbe
wirkt auch auf Provinzen, wo der Prätendent kaum irgend welchen Anhang
hat. Catalonien z. B. ist fast durchaus liberal und republikanisch gesinnt.
Zwar hat man hier ein paar flüchtige „Partidas" gesehen, und Räuberban¬
den, welche Carlisten sein wollten, haben ein paar Mal Postkutschen zwischen
Gerona und den Pyrenäen ausgeplündert. Aber das will wenig bedeuten.
Dagegen ist Störung des Handels und Verkehrs keine unbedeutende Sache,
und Handel und Verkehr leiden allerdings beträchtlich. Die Kaufleute klagen
bitter, daß sie ihre Außenstände nicht einziehen können, und in der That gibt
es viele Catalanen, welche immer vergnügt sind, wenn sich ein plausibler Vor¬
wand findet, ihre Wechsel bis auf Weiteres uneingelöst lassen zu können.
Es ist dies ein Zug dieser Provinz wie das häufige Vorkommen falschen
Geldes.

In Betreff der Gefechte muß man sich durch die von spanischen Blättern
berichteten Wunderthaten nicht beirren lassen. Der Krieg, wenn Krieg nicht
ein zu vornehmer Name dafür ist, ist das alte Guerilla-Treiben der Jberier
Strabos und aller ihrer Nachkommen bis auf den heutigen Tag. Wenn es


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127790"/>
            <p xml:id="ID_1248" prev="#ID_1247"> (in der Nähe des Grafen Blome, des Herbergsvaters der Gesellschaft Jesu)<lb/>
in Sicherheit gebracht haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1249"> AIs die schottischen Lords sich gegen das Haus Hannover erhoben,<lb/>
schickten sie nicht ihre Lehnsleute vor und blieben selber zu Hause. Sie waren<lb/>
immer in der ersten Schlachtreihe. Sie betrugen sich wie Gentlemen im Felde<lb/>
und wie Gentlemen auf dem Schaffst. Aber diese Dorf schlagen einen an¬<lb/>
dern Curs ein. Sie halten das Kriegführen für garstige Arbeit und ziehen<lb/>
vor, ihre &#x201E;Puros" zu schmauchen, zu spielgaunern und mit ihres Nächsten<lb/>
Weib zu liebeln. Don Carlos allerdings kam selbst, aber nur, weil es un¬<lb/>
vermeidlich war, und er hat sich eben nicht hervorgethan, vielmehr Gott ge¬<lb/>
dankt, als er ein Loch nach der Grenze offen sah. Die letzte Nachricht von<lb/>
ihm war, er hätte ein paar Finger eingebüßt. Das war aber &#x2014; vorausge¬<lb/>
setzt, daß die Geschichte wahr &#x2014; nicht die Folge einer Verwundung, sondern<lb/>
ein gewöhnlicher Unglücksfall, der ihm auch im friedlichen Genf hätte Passiren<lb/>
können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1250"> Die schlimmste Seite dieses carlistischen Versuchs liegt, vom nationalen<lb/>
Standpunkte aus betrachtet, darin, daß er gerade stattfindet, wo das unglück¬<lb/>
liche Land sich der Aussicht auf ein gedeihliches Jahr erfreute. Wir leben<lb/>
jetzt im südlichen Frühling, der ungewöhnlich viel Regen brachte, was für<lb/>
die vielen dürren Gegenden der Halbinsel ein großer Segen ist. Schon steht<lb/>
das Getreide zwei Fuß hoch und beginnt gelb zu werden. Obst ist in Menge<lb/>
auf den Bäumen, und die Ernte wird in beiden Beziehungen außerordentlich<lb/>
reich sein. Aber vieles von diesen Vortheilen wird durch den Unfug verloren<lb/>
gehen, den diese alberne und ruchlose Störung im Gefolge hat; denn dieselbe<lb/>
wirkt auch auf Provinzen, wo der Prätendent kaum irgend welchen Anhang<lb/>
hat. Catalonien z. B. ist fast durchaus liberal und republikanisch gesinnt.<lb/>
Zwar hat man hier ein paar flüchtige &#x201E;Partidas" gesehen, und Räuberban¬<lb/>
den, welche Carlisten sein wollten, haben ein paar Mal Postkutschen zwischen<lb/>
Gerona und den Pyrenäen ausgeplündert. Aber das will wenig bedeuten.<lb/>
Dagegen ist Störung des Handels und Verkehrs keine unbedeutende Sache,<lb/>
und Handel und Verkehr leiden allerdings beträchtlich. Die Kaufleute klagen<lb/>
bitter, daß sie ihre Außenstände nicht einziehen können, und in der That gibt<lb/>
es viele Catalanen, welche immer vergnügt sind, wenn sich ein plausibler Vor¬<lb/>
wand findet, ihre Wechsel bis auf Weiteres uneingelöst lassen zu können.<lb/>
Es ist dies ein Zug dieser Provinz wie das häufige Vorkommen falschen<lb/>
Geldes.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1251" next="#ID_1252"> In Betreff der Gefechte muß man sich durch die von spanischen Blättern<lb/>
berichteten Wunderthaten nicht beirren lassen. Der Krieg, wenn Krieg nicht<lb/>
ein zu vornehmer Name dafür ist, ist das alte Guerilla-Treiben der Jberier<lb/>
Strabos und aller ihrer Nachkommen bis auf den heutigen Tag. Wenn es</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0394] (in der Nähe des Grafen Blome, des Herbergsvaters der Gesellschaft Jesu) in Sicherheit gebracht haben. AIs die schottischen Lords sich gegen das Haus Hannover erhoben, schickten sie nicht ihre Lehnsleute vor und blieben selber zu Hause. Sie waren immer in der ersten Schlachtreihe. Sie betrugen sich wie Gentlemen im Felde und wie Gentlemen auf dem Schaffst. Aber diese Dorf schlagen einen an¬ dern Curs ein. Sie halten das Kriegführen für garstige Arbeit und ziehen vor, ihre „Puros" zu schmauchen, zu spielgaunern und mit ihres Nächsten Weib zu liebeln. Don Carlos allerdings kam selbst, aber nur, weil es un¬ vermeidlich war, und er hat sich eben nicht hervorgethan, vielmehr Gott ge¬ dankt, als er ein Loch nach der Grenze offen sah. Die letzte Nachricht von ihm war, er hätte ein paar Finger eingebüßt. Das war aber — vorausge¬ setzt, daß die Geschichte wahr — nicht die Folge einer Verwundung, sondern ein gewöhnlicher Unglücksfall, der ihm auch im friedlichen Genf hätte Passiren können. Die schlimmste Seite dieses carlistischen Versuchs liegt, vom nationalen Standpunkte aus betrachtet, darin, daß er gerade stattfindet, wo das unglück¬ liche Land sich der Aussicht auf ein gedeihliches Jahr erfreute. Wir leben jetzt im südlichen Frühling, der ungewöhnlich viel Regen brachte, was für die vielen dürren Gegenden der Halbinsel ein großer Segen ist. Schon steht das Getreide zwei Fuß hoch und beginnt gelb zu werden. Obst ist in Menge auf den Bäumen, und die Ernte wird in beiden Beziehungen außerordentlich reich sein. Aber vieles von diesen Vortheilen wird durch den Unfug verloren gehen, den diese alberne und ruchlose Störung im Gefolge hat; denn dieselbe wirkt auch auf Provinzen, wo der Prätendent kaum irgend welchen Anhang hat. Catalonien z. B. ist fast durchaus liberal und republikanisch gesinnt. Zwar hat man hier ein paar flüchtige „Partidas" gesehen, und Räuberban¬ den, welche Carlisten sein wollten, haben ein paar Mal Postkutschen zwischen Gerona und den Pyrenäen ausgeplündert. Aber das will wenig bedeuten. Dagegen ist Störung des Handels und Verkehrs keine unbedeutende Sache, und Handel und Verkehr leiden allerdings beträchtlich. Die Kaufleute klagen bitter, daß sie ihre Außenstände nicht einziehen können, und in der That gibt es viele Catalanen, welche immer vergnügt sind, wenn sich ein plausibler Vor¬ wand findet, ihre Wechsel bis auf Weiteres uneingelöst lassen zu können. Es ist dies ein Zug dieser Provinz wie das häufige Vorkommen falschen Geldes. In Betreff der Gefechte muß man sich durch die von spanischen Blättern berichteten Wunderthaten nicht beirren lassen. Der Krieg, wenn Krieg nicht ein zu vornehmer Name dafür ist, ist das alte Guerilla-Treiben der Jberier Strabos und aller ihrer Nachkommen bis auf den heutigen Tag. Wenn es

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/394
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/394>, abgerufen am 24.08.2024.