währten Verfassungsstreiter zur Vorsicht, Zurückhaltung und zum Widerstande gegen alle das Wesen der 700jährigen sächsischen Selbständigkeit in der Stuhls- und Gemeindeverwaltung antastenden centralisirenden Bestrebungen der ungarischen Negierung ernährten. Der Kern der siebenbürgisch-sächsischen Verfassung bestand in einem freien Gemeindeleben, in dem Verbände der 11 Stühle zu einem Vertretungskörper, der Universität, endlich in dem Rechte der Wahl eines vom Könige bestätigten Oberhauptes, dem Grafen (Comes), mit Sitz und Stimme im Rathe der Krone. Die Stühle selbst besaßen frei ge¬ wählte Richter und Verwaltungsbeamte (Bürgermeister, Königsrichter, Stuhl¬ richter), welche die Gemeinderechte und Freiheiten zu wahren hatten. An¬ fänglich achtete die ungarische Regierung zu Pest dieses Verfassungsleben, das ja zu allen Zeiten die ungarischen Könige gutgeheißen und das sie um so lieber den Sachsen beließen, je mehr sie sich deren Dankbarkeit und Treue für vergewissert halten konnten. Vielleicht, wenn die Jungsachsen, wie die unbe¬ dingten Negierungsanhcinger bald benannt wurden, weniger hingebend ihren Anschluß an die Forderungen der Ungarn bewerkstelligt, mehr das Alter und die Erfahrung inmitten ihrer Nationsgenossen geehrt hätten, vielleicht daß dann die Klugheits- wie Billigkeitsgründen nicht verschlossene Deakpartei in den Sachsen.das Deutschthum auch mehr geehrt hätte, als es nachmals der Fall gewesen und noch der Fall zu sein scheint. Auf Sachsenboden hatte man ja bereits seit 1848 der Zeit in soweit Rechnung getragen, daß den Rumä¬ nen vollständiges Bürgerrecht gewährt worden war, ja sie saßen in der sächsi¬ schen Nationsuniversität und bedienten sich gleich den ungarischen Vertretern ihrer eigenen Muttersprache in dem Berathungszimmer desselben sächsischen Nationsgebäudes zu Hermannstadt, in welchem bis dahin nur die siebenbür- gisch-sächsisch-deutsche Mundart laut geworden. Aber als Bürger des sieben¬ bürgisch-sächsischen Königsbodens sollten sich die nichtsächsischen Vertreter in der Universität fühlen und in dem sächsischen Nationsgrafen immerhin ihren nächsten politischen Vorstand, unbeschadet der ungarischen Staatsangehörigkeit, erkennen. Das war und ist das gerechte Begehren der Sachsen alten Schlages, denen die Jungsachsen leider darin entgegenwirkten, daß sie mit der ungarischen Reichsregierung dem Bestände der Nationsuniversität keine Wichtig¬ keit mehr beilegten. In einer freien ungarischen Staatsverfassung hielten die Jungsachsen die siebenbürgisch^sächsische Gemeindefreiheit für gesichert, und in der gemeinsamen Vertretung aller sächsischen Stühle im Pester Reichstag das sächsische Einheitsband hinlänglich gefestigt. Und die Pester Reichsregierung wußte wirklich zur Zeit die Nationsuniversität zu beseitigen, wirklich ein von ihr sicher besser als von den Jungsachsen gewürdigtes sächsisches Einheitsband aufzulösen.
Möglicherweise wäre das siebenbürgisch-sächsische Volksleben solchergestalt
währten Verfassungsstreiter zur Vorsicht, Zurückhaltung und zum Widerstande gegen alle das Wesen der 700jährigen sächsischen Selbständigkeit in der Stuhls- und Gemeindeverwaltung antastenden centralisirenden Bestrebungen der ungarischen Negierung ernährten. Der Kern der siebenbürgisch-sächsischen Verfassung bestand in einem freien Gemeindeleben, in dem Verbände der 11 Stühle zu einem Vertretungskörper, der Universität, endlich in dem Rechte der Wahl eines vom Könige bestätigten Oberhauptes, dem Grafen (Comes), mit Sitz und Stimme im Rathe der Krone. Die Stühle selbst besaßen frei ge¬ wählte Richter und Verwaltungsbeamte (Bürgermeister, Königsrichter, Stuhl¬ richter), welche die Gemeinderechte und Freiheiten zu wahren hatten. An¬ fänglich achtete die ungarische Regierung zu Pest dieses Verfassungsleben, das ja zu allen Zeiten die ungarischen Könige gutgeheißen und das sie um so lieber den Sachsen beließen, je mehr sie sich deren Dankbarkeit und Treue für vergewissert halten konnten. Vielleicht, wenn die Jungsachsen, wie die unbe¬ dingten Negierungsanhcinger bald benannt wurden, weniger hingebend ihren Anschluß an die Forderungen der Ungarn bewerkstelligt, mehr das Alter und die Erfahrung inmitten ihrer Nationsgenossen geehrt hätten, vielleicht daß dann die Klugheits- wie Billigkeitsgründen nicht verschlossene Deakpartei in den Sachsen.das Deutschthum auch mehr geehrt hätte, als es nachmals der Fall gewesen und noch der Fall zu sein scheint. Auf Sachsenboden hatte man ja bereits seit 1848 der Zeit in soweit Rechnung getragen, daß den Rumä¬ nen vollständiges Bürgerrecht gewährt worden war, ja sie saßen in der sächsi¬ schen Nationsuniversität und bedienten sich gleich den ungarischen Vertretern ihrer eigenen Muttersprache in dem Berathungszimmer desselben sächsischen Nationsgebäudes zu Hermannstadt, in welchem bis dahin nur die siebenbür- gisch-sächsisch-deutsche Mundart laut geworden. Aber als Bürger des sieben¬ bürgisch-sächsischen Königsbodens sollten sich die nichtsächsischen Vertreter in der Universität fühlen und in dem sächsischen Nationsgrafen immerhin ihren nächsten politischen Vorstand, unbeschadet der ungarischen Staatsangehörigkeit, erkennen. Das war und ist das gerechte Begehren der Sachsen alten Schlages, denen die Jungsachsen leider darin entgegenwirkten, daß sie mit der ungarischen Reichsregierung dem Bestände der Nationsuniversität keine Wichtig¬ keit mehr beilegten. In einer freien ungarischen Staatsverfassung hielten die Jungsachsen die siebenbürgisch^sächsische Gemeindefreiheit für gesichert, und in der gemeinsamen Vertretung aller sächsischen Stühle im Pester Reichstag das sächsische Einheitsband hinlänglich gefestigt. Und die Pester Reichsregierung wußte wirklich zur Zeit die Nationsuniversität zu beseitigen, wirklich ein von ihr sicher besser als von den Jungsachsen gewürdigtes sächsisches Einheitsband aufzulösen.
Möglicherweise wäre das siebenbürgisch-sächsische Volksleben solchergestalt
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0390"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127786"/><pxml:id="ID_1237"prev="#ID_1236"> währten Verfassungsstreiter zur Vorsicht, Zurückhaltung und zum Widerstande<lb/>
gegen alle das Wesen der 700jährigen sächsischen Selbständigkeit in der<lb/>
Stuhls- und Gemeindeverwaltung antastenden centralisirenden Bestrebungen<lb/>
der ungarischen Negierung ernährten. Der Kern der siebenbürgisch-sächsischen<lb/>
Verfassung bestand in einem freien Gemeindeleben, in dem Verbände der 11<lb/>
Stühle zu einem Vertretungskörper, der Universität, endlich in dem Rechte der<lb/>
Wahl eines vom Könige bestätigten Oberhauptes, dem Grafen (Comes), mit<lb/>
Sitz und Stimme im Rathe der Krone. Die Stühle selbst besaßen frei ge¬<lb/>
wählte Richter und Verwaltungsbeamte (Bürgermeister, Königsrichter, Stuhl¬<lb/>
richter), welche die Gemeinderechte und Freiheiten zu wahren hatten. An¬<lb/>
fänglich achtete die ungarische Regierung zu Pest dieses Verfassungsleben, das<lb/>
ja zu allen Zeiten die ungarischen Könige gutgeheißen und das sie um so<lb/>
lieber den Sachsen beließen, je mehr sie sich deren Dankbarkeit und Treue für<lb/>
vergewissert halten konnten. Vielleicht, wenn die Jungsachsen, wie die unbe¬<lb/>
dingten Negierungsanhcinger bald benannt wurden, weniger hingebend ihren<lb/>
Anschluß an die Forderungen der Ungarn bewerkstelligt, mehr das Alter und<lb/>
die Erfahrung inmitten ihrer Nationsgenossen geehrt hätten, vielleicht daß<lb/>
dann die Klugheits- wie Billigkeitsgründen nicht verschlossene Deakpartei in<lb/>
den Sachsen.das Deutschthum auch mehr geehrt hätte, als es nachmals der<lb/>
Fall gewesen und noch der Fall zu sein scheint. Auf Sachsenboden hatte man<lb/>
ja bereits seit 1848 der Zeit in soweit Rechnung getragen, daß den Rumä¬<lb/>
nen vollständiges Bürgerrecht gewährt worden war, ja sie saßen in der sächsi¬<lb/>
schen Nationsuniversität und bedienten sich gleich den ungarischen Vertretern<lb/>
ihrer eigenen Muttersprache in dem Berathungszimmer desselben sächsischen<lb/>
Nationsgebäudes zu Hermannstadt, in welchem bis dahin nur die siebenbür-<lb/>
gisch-sächsisch-deutsche Mundart laut geworden. Aber als Bürger des sieben¬<lb/>
bürgisch-sächsischen Königsbodens sollten sich die nichtsächsischen Vertreter in<lb/>
der Universität fühlen und in dem sächsischen Nationsgrafen immerhin ihren<lb/>
nächsten politischen Vorstand, unbeschadet der ungarischen Staatsangehörigkeit,<lb/>
erkennen. Das war und ist das gerechte Begehren der Sachsen alten<lb/>
Schlages, denen die Jungsachsen leider darin entgegenwirkten, daß sie mit der<lb/>
ungarischen Reichsregierung dem Bestände der Nationsuniversität keine Wichtig¬<lb/>
keit mehr beilegten. In einer freien ungarischen Staatsverfassung hielten die<lb/>
Jungsachsen die siebenbürgisch^sächsische Gemeindefreiheit für gesichert, und in<lb/>
der gemeinsamen Vertretung aller sächsischen Stühle im Pester Reichstag das<lb/>
sächsische Einheitsband hinlänglich gefestigt. Und die Pester Reichsregierung<lb/>
wußte wirklich zur Zeit die Nationsuniversität zu beseitigen, wirklich ein von<lb/>
ihr sicher besser als von den Jungsachsen gewürdigtes sächsisches Einheitsband<lb/>
aufzulösen.</p><lb/><pxml:id="ID_1238"next="#ID_1239"> Möglicherweise wäre das siebenbürgisch-sächsische Volksleben solchergestalt</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0390]
währten Verfassungsstreiter zur Vorsicht, Zurückhaltung und zum Widerstande
gegen alle das Wesen der 700jährigen sächsischen Selbständigkeit in der
Stuhls- und Gemeindeverwaltung antastenden centralisirenden Bestrebungen
der ungarischen Negierung ernährten. Der Kern der siebenbürgisch-sächsischen
Verfassung bestand in einem freien Gemeindeleben, in dem Verbände der 11
Stühle zu einem Vertretungskörper, der Universität, endlich in dem Rechte der
Wahl eines vom Könige bestätigten Oberhauptes, dem Grafen (Comes), mit
Sitz und Stimme im Rathe der Krone. Die Stühle selbst besaßen frei ge¬
wählte Richter und Verwaltungsbeamte (Bürgermeister, Königsrichter, Stuhl¬
richter), welche die Gemeinderechte und Freiheiten zu wahren hatten. An¬
fänglich achtete die ungarische Regierung zu Pest dieses Verfassungsleben, das
ja zu allen Zeiten die ungarischen Könige gutgeheißen und das sie um so
lieber den Sachsen beließen, je mehr sie sich deren Dankbarkeit und Treue für
vergewissert halten konnten. Vielleicht, wenn die Jungsachsen, wie die unbe¬
dingten Negierungsanhcinger bald benannt wurden, weniger hingebend ihren
Anschluß an die Forderungen der Ungarn bewerkstelligt, mehr das Alter und
die Erfahrung inmitten ihrer Nationsgenossen geehrt hätten, vielleicht daß
dann die Klugheits- wie Billigkeitsgründen nicht verschlossene Deakpartei in
den Sachsen.das Deutschthum auch mehr geehrt hätte, als es nachmals der
Fall gewesen und noch der Fall zu sein scheint. Auf Sachsenboden hatte man
ja bereits seit 1848 der Zeit in soweit Rechnung getragen, daß den Rumä¬
nen vollständiges Bürgerrecht gewährt worden war, ja sie saßen in der sächsi¬
schen Nationsuniversität und bedienten sich gleich den ungarischen Vertretern
ihrer eigenen Muttersprache in dem Berathungszimmer desselben sächsischen
Nationsgebäudes zu Hermannstadt, in welchem bis dahin nur die siebenbür-
gisch-sächsisch-deutsche Mundart laut geworden. Aber als Bürger des sieben¬
bürgisch-sächsischen Königsbodens sollten sich die nichtsächsischen Vertreter in
der Universität fühlen und in dem sächsischen Nationsgrafen immerhin ihren
nächsten politischen Vorstand, unbeschadet der ungarischen Staatsangehörigkeit,
erkennen. Das war und ist das gerechte Begehren der Sachsen alten
Schlages, denen die Jungsachsen leider darin entgegenwirkten, daß sie mit der
ungarischen Reichsregierung dem Bestände der Nationsuniversität keine Wichtig¬
keit mehr beilegten. In einer freien ungarischen Staatsverfassung hielten die
Jungsachsen die siebenbürgisch^sächsische Gemeindefreiheit für gesichert, und in
der gemeinsamen Vertretung aller sächsischen Stühle im Pester Reichstag das
sächsische Einheitsband hinlänglich gefestigt. Und die Pester Reichsregierung
wußte wirklich zur Zeit die Nationsuniversität zu beseitigen, wirklich ein von
ihr sicher besser als von den Jungsachsen gewürdigtes sächsisches Einheitsband
aufzulösen.
Möglicherweise wäre das siebenbürgisch-sächsische Volksleben solchergestalt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/390>, abgerufen am 05.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.