Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jünglings Charakter von dem überströmendsten Eifer für den kirchlichen
Katholicismus erfüllt, der im damaligen Spanien als Muster und Vorläufer
einer kirchlichen Erneuerung sich darstellte.

Es war natürlich, daß lange Zeit noch die niederländisch-habsburgische
Politik nicht von der Persönlichkeit des jungen Fürsten abhing. Die Geschäfts¬
leute und Staatsmänner, die im Dienste seines Großvaters Max gestanden,
bestimmten die Haltung und Richtung der Niederlande: Erzherzogin Margarethe
der Herzog von Chievres, Mercurino Gattinara, mit ihnen auch ein Spanier,
Don Juan Manuel, der schon in Philipps Dienst getreten, vor Ferdinand fliehend,
und der als Favorit Philipps der spezifisch spanischen Politik Ferdinand des
Katholischen entgegengearbeitet hatte. Diese Männer überwachten auch Karls
Jugend; sie regierten die Niederlande, oft etwas selbständiger von Kaiser Max,
oft ganz dessen Winken gehorchend. Der junge Karl achtete noch nicht auf
diese politischen Dinge; er war noch nicht zu eigentlichem Leben, noch nicht
zu selbständigem Denken erwacht. Da -- im Januar 1616 --siel ihm durch
den Tod Ferdinands die Erbschaft der spanischen Kronen zu. Schon zu den
mächtigeren Herrschern des damaligen Europa gehörte der sechszehnjährige:
schon richteten sich auf ihn die Blicke der auswärtigen Höfe. Man wußte
noch nicht viel Gutes von ihm zu sagen. "Dieser neue König gilt für Nichts,"
hieß es einmal. Ein Anderer berichtete von ihm: "seinem Charakter nach ist
er nicht der Mann viel von sich reden zu machen." Die Spanier bemerkten
damals über ihn. daß er allzusehr von den niederländischen Großen abhängig
sei, daß er noch gar nicht spanisch zu sprechen gelernt, daß er noch an der
Führung der Geschäfte gar keinen Antheil genommen habe. Der Welt galt
Karl als unbedeutend, phlegmatisch, träge, leicht durch ehrgeizige und hab¬
gierige Menschen zu lenken.

Spanien war damals in eine recht glückliche Zeit seiner Geschichte einge¬
treten. Die Früchte der politischen Arbeit, welche fast vierzig Jahre hindurch
die katholischen Könige hier gethan hatten, waren schon zur Reise gelangt.
Unter die Gewalt der Monarchie hatten sich die ständischen Interessen gebeugt:
Handel und Verkehr im Innern der Halbinsel wie über das Weltmeer in die
fernen Colonien waren zu schöner Blüthe entwickelt: man mußte nur fort¬
gehen auf dem Wege, auf dem man in letzter Zeit gewandelt, und man durfte
auf die Zukunft hoffen. Nach dem Tode Ferdinands führte einstweilen der
Cardinal Nmenez die Regierung weiter. Dann, 1517, kam Karl selbst dort¬
hin, mit großem niederländischen Gefolge. Man hatte in Spanien einen
Augenblick geschwankt, ob dem Niederländer die Krone wirklich zu Theil werden
solle. Die Ungeschicklichkeit des niederländischen Bevollmächtigten, eben jenes
Bischofes Adrian, des Lehrers Karls, hätte beinahe Unheil gestiftet. Viele
hatten ihr Auge auf Karls jüngeren Bruder, den in Spanien erzogenen und


Jünglings Charakter von dem überströmendsten Eifer für den kirchlichen
Katholicismus erfüllt, der im damaligen Spanien als Muster und Vorläufer
einer kirchlichen Erneuerung sich darstellte.

Es war natürlich, daß lange Zeit noch die niederländisch-habsburgische
Politik nicht von der Persönlichkeit des jungen Fürsten abhing. Die Geschäfts¬
leute und Staatsmänner, die im Dienste seines Großvaters Max gestanden,
bestimmten die Haltung und Richtung der Niederlande: Erzherzogin Margarethe
der Herzog von Chievres, Mercurino Gattinara, mit ihnen auch ein Spanier,
Don Juan Manuel, der schon in Philipps Dienst getreten, vor Ferdinand fliehend,
und der als Favorit Philipps der spezifisch spanischen Politik Ferdinand des
Katholischen entgegengearbeitet hatte. Diese Männer überwachten auch Karls
Jugend; sie regierten die Niederlande, oft etwas selbständiger von Kaiser Max,
oft ganz dessen Winken gehorchend. Der junge Karl achtete noch nicht auf
diese politischen Dinge; er war noch nicht zu eigentlichem Leben, noch nicht
zu selbständigem Denken erwacht. Da — im Januar 1616 —siel ihm durch
den Tod Ferdinands die Erbschaft der spanischen Kronen zu. Schon zu den
mächtigeren Herrschern des damaligen Europa gehörte der sechszehnjährige:
schon richteten sich auf ihn die Blicke der auswärtigen Höfe. Man wußte
noch nicht viel Gutes von ihm zu sagen. „Dieser neue König gilt für Nichts,"
hieß es einmal. Ein Anderer berichtete von ihm: „seinem Charakter nach ist
er nicht der Mann viel von sich reden zu machen." Die Spanier bemerkten
damals über ihn. daß er allzusehr von den niederländischen Großen abhängig
sei, daß er noch gar nicht spanisch zu sprechen gelernt, daß er noch an der
Führung der Geschäfte gar keinen Antheil genommen habe. Der Welt galt
Karl als unbedeutend, phlegmatisch, träge, leicht durch ehrgeizige und hab¬
gierige Menschen zu lenken.

Spanien war damals in eine recht glückliche Zeit seiner Geschichte einge¬
treten. Die Früchte der politischen Arbeit, welche fast vierzig Jahre hindurch
die katholischen Könige hier gethan hatten, waren schon zur Reise gelangt.
Unter die Gewalt der Monarchie hatten sich die ständischen Interessen gebeugt:
Handel und Verkehr im Innern der Halbinsel wie über das Weltmeer in die
fernen Colonien waren zu schöner Blüthe entwickelt: man mußte nur fort¬
gehen auf dem Wege, auf dem man in letzter Zeit gewandelt, und man durfte
auf die Zukunft hoffen. Nach dem Tode Ferdinands führte einstweilen der
Cardinal Nmenez die Regierung weiter. Dann, 1517, kam Karl selbst dort¬
hin, mit großem niederländischen Gefolge. Man hatte in Spanien einen
Augenblick geschwankt, ob dem Niederländer die Krone wirklich zu Theil werden
solle. Die Ungeschicklichkeit des niederländischen Bevollmächtigten, eben jenes
Bischofes Adrian, des Lehrers Karls, hätte beinahe Unheil gestiftet. Viele
hatten ihr Auge auf Karls jüngeren Bruder, den in Spanien erzogenen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127771"/>
          <p xml:id="ID_1180" prev="#ID_1179"> Jünglings Charakter von dem überströmendsten Eifer für den kirchlichen<lb/>
Katholicismus erfüllt, der im damaligen Spanien als Muster und Vorläufer<lb/>
einer kirchlichen Erneuerung sich darstellte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1181"> Es war natürlich, daß lange Zeit noch die niederländisch-habsburgische<lb/>
Politik nicht von der Persönlichkeit des jungen Fürsten abhing. Die Geschäfts¬<lb/>
leute und Staatsmänner, die im Dienste seines Großvaters Max gestanden,<lb/>
bestimmten die Haltung und Richtung der Niederlande: Erzherzogin Margarethe<lb/>
der Herzog von Chievres, Mercurino Gattinara, mit ihnen auch ein Spanier,<lb/>
Don Juan Manuel, der schon in Philipps Dienst getreten, vor Ferdinand fliehend,<lb/>
und der als Favorit Philipps der spezifisch spanischen Politik Ferdinand des<lb/>
Katholischen entgegengearbeitet hatte. Diese Männer überwachten auch Karls<lb/>
Jugend; sie regierten die Niederlande, oft etwas selbständiger von Kaiser Max,<lb/>
oft ganz dessen Winken gehorchend. Der junge Karl achtete noch nicht auf<lb/>
diese politischen Dinge; er war noch nicht zu eigentlichem Leben, noch nicht<lb/>
zu selbständigem Denken erwacht. Da &#x2014; im Januar 1616 &#x2014;siel ihm durch<lb/>
den Tod Ferdinands die Erbschaft der spanischen Kronen zu. Schon zu den<lb/>
mächtigeren Herrschern des damaligen Europa gehörte der sechszehnjährige:<lb/>
schon richteten sich auf ihn die Blicke der auswärtigen Höfe. Man wußte<lb/>
noch nicht viel Gutes von ihm zu sagen. &#x201E;Dieser neue König gilt für Nichts,"<lb/>
hieß es einmal. Ein Anderer berichtete von ihm: &#x201E;seinem Charakter nach ist<lb/>
er nicht der Mann viel von sich reden zu machen." Die Spanier bemerkten<lb/>
damals über ihn. daß er allzusehr von den niederländischen Großen abhängig<lb/>
sei, daß er noch gar nicht spanisch zu sprechen gelernt, daß er noch an der<lb/>
Führung der Geschäfte gar keinen Antheil genommen habe. Der Welt galt<lb/>
Karl als unbedeutend, phlegmatisch, träge, leicht durch ehrgeizige und hab¬<lb/>
gierige Menschen zu lenken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1182" next="#ID_1183"> Spanien war damals in eine recht glückliche Zeit seiner Geschichte einge¬<lb/>
treten. Die Früchte der politischen Arbeit, welche fast vierzig Jahre hindurch<lb/>
die katholischen Könige hier gethan hatten, waren schon zur Reise gelangt.<lb/>
Unter die Gewalt der Monarchie hatten sich die ständischen Interessen gebeugt:<lb/>
Handel und Verkehr im Innern der Halbinsel wie über das Weltmeer in die<lb/>
fernen Colonien waren zu schöner Blüthe entwickelt: man mußte nur fort¬<lb/>
gehen auf dem Wege, auf dem man in letzter Zeit gewandelt, und man durfte<lb/>
auf die Zukunft hoffen. Nach dem Tode Ferdinands führte einstweilen der<lb/>
Cardinal Nmenez die Regierung weiter. Dann, 1517, kam Karl selbst dort¬<lb/>
hin, mit großem niederländischen Gefolge. Man hatte in Spanien einen<lb/>
Augenblick geschwankt, ob dem Niederländer die Krone wirklich zu Theil werden<lb/>
solle. Die Ungeschicklichkeit des niederländischen Bevollmächtigten, eben jenes<lb/>
Bischofes Adrian, des Lehrers Karls, hätte beinahe Unheil gestiftet. Viele<lb/>
hatten ihr Auge auf Karls jüngeren Bruder, den in Spanien erzogenen und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0375] Jünglings Charakter von dem überströmendsten Eifer für den kirchlichen Katholicismus erfüllt, der im damaligen Spanien als Muster und Vorläufer einer kirchlichen Erneuerung sich darstellte. Es war natürlich, daß lange Zeit noch die niederländisch-habsburgische Politik nicht von der Persönlichkeit des jungen Fürsten abhing. Die Geschäfts¬ leute und Staatsmänner, die im Dienste seines Großvaters Max gestanden, bestimmten die Haltung und Richtung der Niederlande: Erzherzogin Margarethe der Herzog von Chievres, Mercurino Gattinara, mit ihnen auch ein Spanier, Don Juan Manuel, der schon in Philipps Dienst getreten, vor Ferdinand fliehend, und der als Favorit Philipps der spezifisch spanischen Politik Ferdinand des Katholischen entgegengearbeitet hatte. Diese Männer überwachten auch Karls Jugend; sie regierten die Niederlande, oft etwas selbständiger von Kaiser Max, oft ganz dessen Winken gehorchend. Der junge Karl achtete noch nicht auf diese politischen Dinge; er war noch nicht zu eigentlichem Leben, noch nicht zu selbständigem Denken erwacht. Da — im Januar 1616 —siel ihm durch den Tod Ferdinands die Erbschaft der spanischen Kronen zu. Schon zu den mächtigeren Herrschern des damaligen Europa gehörte der sechszehnjährige: schon richteten sich auf ihn die Blicke der auswärtigen Höfe. Man wußte noch nicht viel Gutes von ihm zu sagen. „Dieser neue König gilt für Nichts," hieß es einmal. Ein Anderer berichtete von ihm: „seinem Charakter nach ist er nicht der Mann viel von sich reden zu machen." Die Spanier bemerkten damals über ihn. daß er allzusehr von den niederländischen Großen abhängig sei, daß er noch gar nicht spanisch zu sprechen gelernt, daß er noch an der Führung der Geschäfte gar keinen Antheil genommen habe. Der Welt galt Karl als unbedeutend, phlegmatisch, träge, leicht durch ehrgeizige und hab¬ gierige Menschen zu lenken. Spanien war damals in eine recht glückliche Zeit seiner Geschichte einge¬ treten. Die Früchte der politischen Arbeit, welche fast vierzig Jahre hindurch die katholischen Könige hier gethan hatten, waren schon zur Reise gelangt. Unter die Gewalt der Monarchie hatten sich die ständischen Interessen gebeugt: Handel und Verkehr im Innern der Halbinsel wie über das Weltmeer in die fernen Colonien waren zu schöner Blüthe entwickelt: man mußte nur fort¬ gehen auf dem Wege, auf dem man in letzter Zeit gewandelt, und man durfte auf die Zukunft hoffen. Nach dem Tode Ferdinands führte einstweilen der Cardinal Nmenez die Regierung weiter. Dann, 1517, kam Karl selbst dort¬ hin, mit großem niederländischen Gefolge. Man hatte in Spanien einen Augenblick geschwankt, ob dem Niederländer die Krone wirklich zu Theil werden solle. Die Ungeschicklichkeit des niederländischen Bevollmächtigten, eben jenes Bischofes Adrian, des Lehrers Karls, hätte beinahe Unheil gestiftet. Viele hatten ihr Auge auf Karls jüngeren Bruder, den in Spanien erzogenen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/375
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/375>, abgerufen am 22.12.2024.