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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Am 14. Mai kam aus Anlaß des Neichshaushältes bei den Ausgaben
des auswärtigen Amtes die Gesandtschaft in Rom zur Sprache. Der Abge¬
ordnete von Bennigsen gab dem Gefühl der deutschen Nation Ausdruck,
welches dieselbe über die Beleidigung ihres Oberhauptes durch die Zurück¬
weisung des Cardinals Hohenlohe als kaiserlichen Gesandten empfinden muß.
Der Abgeordnete sprach die Hoffnung aus, daß das deutsche Reich den Weg
der Concordate niemals wieder betreten, sondern das Verhältniß zwischen
Staat und Kirche auf dem Wege seiner eigenen Gesetzgebung regeln werde.
Bon dieser Rede nahm Fürst Bismarck Anlaß, das Wort zu ergreifen. Der
Kanzler bestätigte die geringen Aussichten, durch Verhandlung bei der päpst¬
lichen Curie Etwas auszurichten. Und zwar bezeichnete er diese Aussichts¬
losigkeit als eine gegenseitige, sofern die in Rom maßgebenden Stimmungen
ihrerseits unbeugsam erscheinen, sofern aber andererseits auch die deutsche
Regierung weder körperlich noch geistig nach Canossa gehen wird. Diese
Worte riefen einen Beifallsturm hervor. Schon mancher hat Canossa in den
Mund genommen, um sich gegen seine Wiederholung zu verwahren. Bei dem
Kanzler aber, der mit Ankündigungen zukünftigen Verhaltens sehr sparsam
ist, weiß man, was dahinterstecke, wenn er eine solche Ankündigung macht.
Daher der große Eindruck dieses Wortes, dem der nicht minder bedeutende
Ausspruch zur Erläuterung folgte: der confessionelle Friede des deutschen
Reiches werde auf dem Wege einer allgemeinen Reichsgesetzgebung zu sichern
sein. Der Kanzler führte dann weiter aus, daß diese Gesetzgebung die Richtig¬
stellung des inneren Friedens auf die für die confessionellen Empfindungen,
auch solche die wir nicht theilen, schonendste Weise herbeizuführen bemüht sein
müsse. Dazu gehöre, daß man auf Seiten der römischen Kirche über die Ab¬
sichten der deutschen Regierungen nach Möglichkeit gut unterrichtet sei. Dies
und nicht die Herbeiführung von Concordaten sei die Aufgabe der deutschen
Botschaft in Rom. Der Kanzler ging nun auf die Wahl des Cardinals
Hohenlohe zum Botschafter ein. Er habe gehofft, daß man in dieser Wahl
ein Pfand erblicken würde dafür, daß das deutsche Reich von Seiner Heilig¬
keit dem Papste Nichts verlangen werde, als was durch eine mit ihm durch
die engsten und zartesten Verhältnisse verbundene Persönlichkeit vorgebracht
werden könne. Nachdem der Fürst noch den auffälligen Charakter der Ab¬
lehnung festgestellt, erklärte er, durch letztere sich nicht entmuthigen lassen,
sondern fortfahren zu wollen bei dem Kaiser dahin zu wirken, daß ein Ver¬
treter des Reichs für Rom gefunden werde, welcher sich des Vertrauens beider
Mächte, wenn nicht im gleichen, doch in einem hinlänglichen Maße bei seinem
Geschäftsbetrieb erfreue. Daß diese Aufgabe durch das Geschehene wesentlich
erschwert sei, wollte der Kanzler nicht verhehlen.

Auf die Rede des Kanzlers erhob sich ein eigenthümliches Nachspiel.


Am 14. Mai kam aus Anlaß des Neichshaushältes bei den Ausgaben
des auswärtigen Amtes die Gesandtschaft in Rom zur Sprache. Der Abge¬
ordnete von Bennigsen gab dem Gefühl der deutschen Nation Ausdruck,
welches dieselbe über die Beleidigung ihres Oberhauptes durch die Zurück¬
weisung des Cardinals Hohenlohe als kaiserlichen Gesandten empfinden muß.
Der Abgeordnete sprach die Hoffnung aus, daß das deutsche Reich den Weg
der Concordate niemals wieder betreten, sondern das Verhältniß zwischen
Staat und Kirche auf dem Wege seiner eigenen Gesetzgebung regeln werde.
Bon dieser Rede nahm Fürst Bismarck Anlaß, das Wort zu ergreifen. Der
Kanzler bestätigte die geringen Aussichten, durch Verhandlung bei der päpst¬
lichen Curie Etwas auszurichten. Und zwar bezeichnete er diese Aussichts¬
losigkeit als eine gegenseitige, sofern die in Rom maßgebenden Stimmungen
ihrerseits unbeugsam erscheinen, sofern aber andererseits auch die deutsche
Regierung weder körperlich noch geistig nach Canossa gehen wird. Diese
Worte riefen einen Beifallsturm hervor. Schon mancher hat Canossa in den
Mund genommen, um sich gegen seine Wiederholung zu verwahren. Bei dem
Kanzler aber, der mit Ankündigungen zukünftigen Verhaltens sehr sparsam
ist, weiß man, was dahinterstecke, wenn er eine solche Ankündigung macht.
Daher der große Eindruck dieses Wortes, dem der nicht minder bedeutende
Ausspruch zur Erläuterung folgte: der confessionelle Friede des deutschen
Reiches werde auf dem Wege einer allgemeinen Reichsgesetzgebung zu sichern
sein. Der Kanzler führte dann weiter aus, daß diese Gesetzgebung die Richtig¬
stellung des inneren Friedens auf die für die confessionellen Empfindungen,
auch solche die wir nicht theilen, schonendste Weise herbeizuführen bemüht sein
müsse. Dazu gehöre, daß man auf Seiten der römischen Kirche über die Ab¬
sichten der deutschen Regierungen nach Möglichkeit gut unterrichtet sei. Dies
und nicht die Herbeiführung von Concordaten sei die Aufgabe der deutschen
Botschaft in Rom. Der Kanzler ging nun auf die Wahl des Cardinals
Hohenlohe zum Botschafter ein. Er habe gehofft, daß man in dieser Wahl
ein Pfand erblicken würde dafür, daß das deutsche Reich von Seiner Heilig¬
keit dem Papste Nichts verlangen werde, als was durch eine mit ihm durch
die engsten und zartesten Verhältnisse verbundene Persönlichkeit vorgebracht
werden könne. Nachdem der Fürst noch den auffälligen Charakter der Ab¬
lehnung festgestellt, erklärte er, durch letztere sich nicht entmuthigen lassen,
sondern fortfahren zu wollen bei dem Kaiser dahin zu wirken, daß ein Ver¬
treter des Reichs für Rom gefunden werde, welcher sich des Vertrauens beider
Mächte, wenn nicht im gleichen, doch in einem hinlänglichen Maße bei seinem
Geschäftsbetrieb erfreue. Daß diese Aufgabe durch das Geschehene wesentlich
erschwert sei, wollte der Kanzler nicht verhehlen.

Auf die Rede des Kanzlers erhob sich ein eigenthümliches Nachspiel.


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[0363] Am 14. Mai kam aus Anlaß des Neichshaushältes bei den Ausgaben des auswärtigen Amtes die Gesandtschaft in Rom zur Sprache. Der Abge¬ ordnete von Bennigsen gab dem Gefühl der deutschen Nation Ausdruck, welches dieselbe über die Beleidigung ihres Oberhauptes durch die Zurück¬ weisung des Cardinals Hohenlohe als kaiserlichen Gesandten empfinden muß. Der Abgeordnete sprach die Hoffnung aus, daß das deutsche Reich den Weg der Concordate niemals wieder betreten, sondern das Verhältniß zwischen Staat und Kirche auf dem Wege seiner eigenen Gesetzgebung regeln werde. Bon dieser Rede nahm Fürst Bismarck Anlaß, das Wort zu ergreifen. Der Kanzler bestätigte die geringen Aussichten, durch Verhandlung bei der päpst¬ lichen Curie Etwas auszurichten. Und zwar bezeichnete er diese Aussichts¬ losigkeit als eine gegenseitige, sofern die in Rom maßgebenden Stimmungen ihrerseits unbeugsam erscheinen, sofern aber andererseits auch die deutsche Regierung weder körperlich noch geistig nach Canossa gehen wird. Diese Worte riefen einen Beifallsturm hervor. Schon mancher hat Canossa in den Mund genommen, um sich gegen seine Wiederholung zu verwahren. Bei dem Kanzler aber, der mit Ankündigungen zukünftigen Verhaltens sehr sparsam ist, weiß man, was dahinterstecke, wenn er eine solche Ankündigung macht. Daher der große Eindruck dieses Wortes, dem der nicht minder bedeutende Ausspruch zur Erläuterung folgte: der confessionelle Friede des deutschen Reiches werde auf dem Wege einer allgemeinen Reichsgesetzgebung zu sichern sein. Der Kanzler führte dann weiter aus, daß diese Gesetzgebung die Richtig¬ stellung des inneren Friedens auf die für die confessionellen Empfindungen, auch solche die wir nicht theilen, schonendste Weise herbeizuführen bemüht sein müsse. Dazu gehöre, daß man auf Seiten der römischen Kirche über die Ab¬ sichten der deutschen Regierungen nach Möglichkeit gut unterrichtet sei. Dies und nicht die Herbeiführung von Concordaten sei die Aufgabe der deutschen Botschaft in Rom. Der Kanzler ging nun auf die Wahl des Cardinals Hohenlohe zum Botschafter ein. Er habe gehofft, daß man in dieser Wahl ein Pfand erblicken würde dafür, daß das deutsche Reich von Seiner Heilig¬ keit dem Papste Nichts verlangen werde, als was durch eine mit ihm durch die engsten und zartesten Verhältnisse verbundene Persönlichkeit vorgebracht werden könne. Nachdem der Fürst noch den auffälligen Charakter der Ab¬ lehnung festgestellt, erklärte er, durch letztere sich nicht entmuthigen lassen, sondern fortfahren zu wollen bei dem Kaiser dahin zu wirken, daß ein Ver¬ treter des Reichs für Rom gefunden werde, welcher sich des Vertrauens beider Mächte, wenn nicht im gleichen, doch in einem hinlänglichen Maße bei seinem Geschäftsbetrieb erfreue. Daß diese Aufgabe durch das Geschehene wesentlich erschwert sei, wollte der Kanzler nicht verhehlen. Auf die Rede des Kanzlers erhob sich ein eigenthümliches Nachspiel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/363>, abgerufen am 22.07.2024.