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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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unter den Moslemiten in Damaskus und Syrien. Eine Ansprache gehalten
im katholischen Gesellenhause Münchens am 2S.^September 1871 von Johann
Leipold." Es ist zu erwarten, daß die Presse in der deutschen Heimath den
Stoff noch fernerhin besprechen und insbesondere dieselbe englische Quelle
weiter ausbeuten wird. Letzteres ist aber durchaus nicht zu wünschen. Denn
diese englische Schrift ist eine Tendenzschrift zu Gunsten des Capitän Burton,
des vormaligen großbritannischen Consuls zu Damaskus, und man wird nicht
fehlgehen, wenn man annimmt, daß falls er nicht selbst der Verfasser ist,
dieser ihm doch sehr nahe steht. Capitän Burton ist der weltbekannte muthige
und ausdauernde Reisende, berühmt namentlich durch seine gefahrvollen Reisen
in Arabien, wo er als mohamedanischer Pilger verkleidet, Mekka und den
östlichen Theil Afrika's besuchte. Seit einigen Jahren englischer Consul in
Damaskus, war er allmählig in ein geradezu feindseliges Verhältniß zu dem
daselbst resioirenden Wali (Generalgouvemeur) von Syrien, Raschid Pascha
getreten. Warum, wissen wir nicht; es mag wohl viel Persönliches dabei in's
Spiel gekommen sein. Vor Allem darf man die Rücksichtslosigkeit und Heftigkeit
Burtons und auch die Charakteranlage seiner Frau, deren excentrisches, stark
zum Amazonenthum sich neigendes Wesen für Ursachen dieses Zerwürfnisses
halten. Burton machte aus seiner Abneigung und Feindschaft gegen Raschid
Pascha durchaus kein Hehl; so brachte namentlich bereits vor einiger Zeit der
Levant Herald, eins der angesehensten Blätter des türkischen Orients, nach
einander eine große Anzahl von Correspondenzen aus Syrien, voll der heftigsten
verschiedensten Angriffe gegen den Generalgouvemeur. Sie erschienen zwar
anonym, doch bekannten sich Burton und dessen Frau offen als deren Ver¬
fasser. Es scheint, daß Raschid Pascha sich darüber beschwert, und die Pforte
deswegen Schritte bei der englischen Regierung gethan hat; denn jene Cor¬
respondenzen hörten ganz plötzlich eine Zeit lang auf. Um die Mitte des
vorigen Jahres aber erschienen abermals derartige Artikel im Levant Herald
noch viel schlimmer, als die früheren; man beschuldigte darin den Wali na¬
mentlich offen des Hochverraths, indem man ihm vorwarf, daß er Syrien den
Egyptern, deren Vice-König er nahe stehe, in die Hände spielen wolle. Wie
man sagt, forderte Burton um die nämliche Zeit die Drusen des Hauran,
d^n kriegerischsten und unabhängigsten Theil des drusischen Volkes, auf, die
Waffen zu ergreifen, um sich gegen die drohende egyptische Invasion zur Wehr
zu setzen. In Folge dessen wurde Burton im August vorigen Jahres von
seinem Posten abberufen. Im höchsten Grade lächerlich ist daher, wenn eng¬
lische Zeitungen nun berichten, daß Raschid Pascha aus reiner Rücksicht für
Burton, weil er wegen des glühenden Hasses der Bevölkerung Syriens wider
denselben sein Leben nicht mehr verbürgen könne,, dessen Abberufung erbeten


unter den Moslemiten in Damaskus und Syrien. Eine Ansprache gehalten
im katholischen Gesellenhause Münchens am 2S.^September 1871 von Johann
Leipold." Es ist zu erwarten, daß die Presse in der deutschen Heimath den
Stoff noch fernerhin besprechen und insbesondere dieselbe englische Quelle
weiter ausbeuten wird. Letzteres ist aber durchaus nicht zu wünschen. Denn
diese englische Schrift ist eine Tendenzschrift zu Gunsten des Capitän Burton,
des vormaligen großbritannischen Consuls zu Damaskus, und man wird nicht
fehlgehen, wenn man annimmt, daß falls er nicht selbst der Verfasser ist,
dieser ihm doch sehr nahe steht. Capitän Burton ist der weltbekannte muthige
und ausdauernde Reisende, berühmt namentlich durch seine gefahrvollen Reisen
in Arabien, wo er als mohamedanischer Pilger verkleidet, Mekka und den
östlichen Theil Afrika's besuchte. Seit einigen Jahren englischer Consul in
Damaskus, war er allmählig in ein geradezu feindseliges Verhältniß zu dem
daselbst resioirenden Wali (Generalgouvemeur) von Syrien, Raschid Pascha
getreten. Warum, wissen wir nicht; es mag wohl viel Persönliches dabei in's
Spiel gekommen sein. Vor Allem darf man die Rücksichtslosigkeit und Heftigkeit
Burtons und auch die Charakteranlage seiner Frau, deren excentrisches, stark
zum Amazonenthum sich neigendes Wesen für Ursachen dieses Zerwürfnisses
halten. Burton machte aus seiner Abneigung und Feindschaft gegen Raschid
Pascha durchaus kein Hehl; so brachte namentlich bereits vor einiger Zeit der
Levant Herald, eins der angesehensten Blätter des türkischen Orients, nach
einander eine große Anzahl von Correspondenzen aus Syrien, voll der heftigsten
verschiedensten Angriffe gegen den Generalgouvemeur. Sie erschienen zwar
anonym, doch bekannten sich Burton und dessen Frau offen als deren Ver¬
fasser. Es scheint, daß Raschid Pascha sich darüber beschwert, und die Pforte
deswegen Schritte bei der englischen Regierung gethan hat; denn jene Cor¬
respondenzen hörten ganz plötzlich eine Zeit lang auf. Um die Mitte des
vorigen Jahres aber erschienen abermals derartige Artikel im Levant Herald
noch viel schlimmer, als die früheren; man beschuldigte darin den Wali na¬
mentlich offen des Hochverraths, indem man ihm vorwarf, daß er Syrien den
Egyptern, deren Vice-König er nahe stehe, in die Hände spielen wolle. Wie
man sagt, forderte Burton um die nämliche Zeit die Drusen des Hauran,
d^n kriegerischsten und unabhängigsten Theil des drusischen Volkes, auf, die
Waffen zu ergreifen, um sich gegen die drohende egyptische Invasion zur Wehr
zu setzen. In Folge dessen wurde Burton im August vorigen Jahres von
seinem Posten abberufen. Im höchsten Grade lächerlich ist daher, wenn eng¬
lische Zeitungen nun berichten, daß Raschid Pascha aus reiner Rücksicht für
Burton, weil er wegen des glühenden Hasses der Bevölkerung Syriens wider
denselben sein Leben nicht mehr verbürgen könne,, dessen Abberufung erbeten


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[0352] unter den Moslemiten in Damaskus und Syrien. Eine Ansprache gehalten im katholischen Gesellenhause Münchens am 2S.^September 1871 von Johann Leipold." Es ist zu erwarten, daß die Presse in der deutschen Heimath den Stoff noch fernerhin besprechen und insbesondere dieselbe englische Quelle weiter ausbeuten wird. Letzteres ist aber durchaus nicht zu wünschen. Denn diese englische Schrift ist eine Tendenzschrift zu Gunsten des Capitän Burton, des vormaligen großbritannischen Consuls zu Damaskus, und man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß falls er nicht selbst der Verfasser ist, dieser ihm doch sehr nahe steht. Capitän Burton ist der weltbekannte muthige und ausdauernde Reisende, berühmt namentlich durch seine gefahrvollen Reisen in Arabien, wo er als mohamedanischer Pilger verkleidet, Mekka und den östlichen Theil Afrika's besuchte. Seit einigen Jahren englischer Consul in Damaskus, war er allmählig in ein geradezu feindseliges Verhältniß zu dem daselbst resioirenden Wali (Generalgouvemeur) von Syrien, Raschid Pascha getreten. Warum, wissen wir nicht; es mag wohl viel Persönliches dabei in's Spiel gekommen sein. Vor Allem darf man die Rücksichtslosigkeit und Heftigkeit Burtons und auch die Charakteranlage seiner Frau, deren excentrisches, stark zum Amazonenthum sich neigendes Wesen für Ursachen dieses Zerwürfnisses halten. Burton machte aus seiner Abneigung und Feindschaft gegen Raschid Pascha durchaus kein Hehl; so brachte namentlich bereits vor einiger Zeit der Levant Herald, eins der angesehensten Blätter des türkischen Orients, nach einander eine große Anzahl von Correspondenzen aus Syrien, voll der heftigsten verschiedensten Angriffe gegen den Generalgouvemeur. Sie erschienen zwar anonym, doch bekannten sich Burton und dessen Frau offen als deren Ver¬ fasser. Es scheint, daß Raschid Pascha sich darüber beschwert, und die Pforte deswegen Schritte bei der englischen Regierung gethan hat; denn jene Cor¬ respondenzen hörten ganz plötzlich eine Zeit lang auf. Um die Mitte des vorigen Jahres aber erschienen abermals derartige Artikel im Levant Herald noch viel schlimmer, als die früheren; man beschuldigte darin den Wali na¬ mentlich offen des Hochverraths, indem man ihm vorwarf, daß er Syrien den Egyptern, deren Vice-König er nahe stehe, in die Hände spielen wolle. Wie man sagt, forderte Burton um die nämliche Zeit die Drusen des Hauran, d^n kriegerischsten und unabhängigsten Theil des drusischen Volkes, auf, die Waffen zu ergreifen, um sich gegen die drohende egyptische Invasion zur Wehr zu setzen. In Folge dessen wurde Burton im August vorigen Jahres von seinem Posten abberufen. Im höchsten Grade lächerlich ist daher, wenn eng¬ lische Zeitungen nun berichten, daß Raschid Pascha aus reiner Rücksicht für Burton, weil er wegen des glühenden Hasses der Bevölkerung Syriens wider denselben sein Leben nicht mehr verbürgen könne,, dessen Abberufung erbeten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/352>, abgerufen am 22.07.2024.