Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nossen hat. Letztere ist dem von religiösen Orden entsendeten Personale eben
so unentbehrlich wie andern Personen, welche als Gefängnißaufseher fungiren.
Solche Ausbildungsanstalten können selbstverständlich nur in Gefängnissen er¬
richtet werden, weil sonst es nicht möglich ist, den praktischen Unterricht mit
dem theoretischen zu verbinden. Angesichts der vielfachen Verbesserungen,
welche die Regierung, in richtiger Würdigung des Zweckes der Gefängnisse,
einzuführen bemüht ist, dürfen wir hoffen, daß sie auch auf die Errichtung von
Ausbildungsanstalten für Gefängnißbeamte bedacht sein und dem Eintritte von
Eleven in dieselben allen möglichen Vorschub leisten werde. Die Rücksicht auf die
allerdings nicht unbedeutenden Kosten, welche hieraus dem Staate erwachsen
werden, ist sicherlich nur eine untergeordnete gegenüber der Erwägung, daß
ein gut ausgebildetes Aufsichtspersonal sehr viel dazu beitragen kann, die Ge¬
fangenen zu derjenigen Führung zu bestimmen, durch welche ihre vorläufige
Entlassung ermöglicht und ihre Rückfälligkeit verhütet wird. Die vorläufige
Entlassung und das Ausbleiben der Rückfälligkeit liegen ohne Weiteres in
dem Interesse des Staates, denn einerseits verringern sie die Zahl der Haft¬
tage, für welche der Fiscus die Kosten zu tragen hat, anderntheils vermehren
sie den Nationalwohlstand durch den Erwerb der aus der Haft Entlassener.

Aus die Verhütung der Rückfälligkeit der aus der Strafhaft
entlassenen Personen muß die öffentliche Gesundheitspflege ein ganz besonderes
Gewicht legen. Wie viel in dieser Beziehung noch zu wünschen übrig sei, zeigt z. B.
der Umstand, daß im Jahre 1869 in Preußen unter 7128 in die Gefängnisse einge¬
lieferten Verbrechern 71 Proc. Männer und 64 Proc. Weiber rückfällig waren.
Das Ausbleiben der Rückfälligkeit können wir nur unter einer zwiefachen Be¬
dingung erwarten, welche zunächst darin besteht, daß der Gefangene die Fähigkeit
erlangt, nach der Entlassung durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße
Verhältnisse zu gelangen, sodann aber auch darin, daß der Entlassene Gelegen¬
heit zu einem solchen Erwerbe findet. Die Erfüllung dieser zwiefachen Be¬
dingung macht es möglich, daß der Entlassene Freude an "der Freiheit finde,
und gewährt ihm somit den besten Schutz gegen die Rückfälligkeit. Auf jene
Fähigkeit zu einem ehrlichen Erwerbe hinzuwirken, müssen, wie wir gezeigt
haben, die Gefängnisse sich bestreben. So eifrig sie dies aber auch thun mögen,
wird es doch immer eine Anzahl unter den Entlassener geben, welche einer
fortgesetzten sittlichen Einwirkung bedürfen, um nicht rückfällig zu werden.
Vor Allem kommt es bei solchen Personen darauf an, sie in guten Vorsätzen
zu bestärken und gegen den Einfluß der Verführung zu schützen. Indeß
kann dies nur dann gelingen, wenn sich Menschen finden, welche das gegen
einen entlassenen Sträfling gewöhnlich vorhandene Mißtrauen unterdrücken und
ihm Arbeit geben. Den aus der Haft entlassenen Personen einen sittlichen


nossen hat. Letztere ist dem von religiösen Orden entsendeten Personale eben
so unentbehrlich wie andern Personen, welche als Gefängnißaufseher fungiren.
Solche Ausbildungsanstalten können selbstverständlich nur in Gefängnissen er¬
richtet werden, weil sonst es nicht möglich ist, den praktischen Unterricht mit
dem theoretischen zu verbinden. Angesichts der vielfachen Verbesserungen,
welche die Regierung, in richtiger Würdigung des Zweckes der Gefängnisse,
einzuführen bemüht ist, dürfen wir hoffen, daß sie auch auf die Errichtung von
Ausbildungsanstalten für Gefängnißbeamte bedacht sein und dem Eintritte von
Eleven in dieselben allen möglichen Vorschub leisten werde. Die Rücksicht auf die
allerdings nicht unbedeutenden Kosten, welche hieraus dem Staate erwachsen
werden, ist sicherlich nur eine untergeordnete gegenüber der Erwägung, daß
ein gut ausgebildetes Aufsichtspersonal sehr viel dazu beitragen kann, die Ge¬
fangenen zu derjenigen Führung zu bestimmen, durch welche ihre vorläufige
Entlassung ermöglicht und ihre Rückfälligkeit verhütet wird. Die vorläufige
Entlassung und das Ausbleiben der Rückfälligkeit liegen ohne Weiteres in
dem Interesse des Staates, denn einerseits verringern sie die Zahl der Haft¬
tage, für welche der Fiscus die Kosten zu tragen hat, anderntheils vermehren
sie den Nationalwohlstand durch den Erwerb der aus der Haft Entlassener.

Aus die Verhütung der Rückfälligkeit der aus der Strafhaft
entlassenen Personen muß die öffentliche Gesundheitspflege ein ganz besonderes
Gewicht legen. Wie viel in dieser Beziehung noch zu wünschen übrig sei, zeigt z. B.
der Umstand, daß im Jahre 1869 in Preußen unter 7128 in die Gefängnisse einge¬
lieferten Verbrechern 71 Proc. Männer und 64 Proc. Weiber rückfällig waren.
Das Ausbleiben der Rückfälligkeit können wir nur unter einer zwiefachen Be¬
dingung erwarten, welche zunächst darin besteht, daß der Gefangene die Fähigkeit
erlangt, nach der Entlassung durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße
Verhältnisse zu gelangen, sodann aber auch darin, daß der Entlassene Gelegen¬
heit zu einem solchen Erwerbe findet. Die Erfüllung dieser zwiefachen Be¬
dingung macht es möglich, daß der Entlassene Freude an «der Freiheit finde,
und gewährt ihm somit den besten Schutz gegen die Rückfälligkeit. Auf jene
Fähigkeit zu einem ehrlichen Erwerbe hinzuwirken, müssen, wie wir gezeigt
haben, die Gefängnisse sich bestreben. So eifrig sie dies aber auch thun mögen,
wird es doch immer eine Anzahl unter den Entlassener geben, welche einer
fortgesetzten sittlichen Einwirkung bedürfen, um nicht rückfällig zu werden.
Vor Allem kommt es bei solchen Personen darauf an, sie in guten Vorsätzen
zu bestärken und gegen den Einfluß der Verführung zu schützen. Indeß
kann dies nur dann gelingen, wenn sich Menschen finden, welche das gegen
einen entlassenen Sträfling gewöhnlich vorhandene Mißtrauen unterdrücken und
ihm Arbeit geben. Den aus der Haft entlassenen Personen einen sittlichen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127746"/>
          <p xml:id="ID_1112" prev="#ID_1111"> nossen hat. Letztere ist dem von religiösen Orden entsendeten Personale eben<lb/>
so unentbehrlich wie andern Personen, welche als Gefängnißaufseher fungiren.<lb/>
Solche Ausbildungsanstalten können selbstverständlich nur in Gefängnissen er¬<lb/>
richtet werden, weil sonst es nicht möglich ist, den praktischen Unterricht mit<lb/>
dem theoretischen zu verbinden. Angesichts der vielfachen Verbesserungen,<lb/>
welche die Regierung, in richtiger Würdigung des Zweckes der Gefängnisse,<lb/>
einzuführen bemüht ist, dürfen wir hoffen, daß sie auch auf die Errichtung von<lb/>
Ausbildungsanstalten für Gefängnißbeamte bedacht sein und dem Eintritte von<lb/>
Eleven in dieselben allen möglichen Vorschub leisten werde. Die Rücksicht auf die<lb/>
allerdings nicht unbedeutenden Kosten, welche hieraus dem Staate erwachsen<lb/>
werden, ist sicherlich nur eine untergeordnete gegenüber der Erwägung, daß<lb/>
ein gut ausgebildetes Aufsichtspersonal sehr viel dazu beitragen kann, die Ge¬<lb/>
fangenen zu derjenigen Führung zu bestimmen, durch welche ihre vorläufige<lb/>
Entlassung ermöglicht und ihre Rückfälligkeit verhütet wird. Die vorläufige<lb/>
Entlassung und das Ausbleiben der Rückfälligkeit liegen ohne Weiteres in<lb/>
dem Interesse des Staates, denn einerseits verringern sie die Zahl der Haft¬<lb/>
tage, für welche der Fiscus die Kosten zu tragen hat, anderntheils vermehren<lb/>
sie den Nationalwohlstand durch den Erwerb der aus der Haft Entlassener.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1113" next="#ID_1114"> Aus die Verhütung der Rückfälligkeit der aus der Strafhaft<lb/>
entlassenen Personen muß die öffentliche Gesundheitspflege ein ganz besonderes<lb/>
Gewicht legen. Wie viel in dieser Beziehung noch zu wünschen übrig sei, zeigt z. B.<lb/>
der Umstand, daß im Jahre 1869 in Preußen unter 7128 in die Gefängnisse einge¬<lb/>
lieferten Verbrechern 71 Proc. Männer und 64 Proc. Weiber rückfällig waren.<lb/>
Das Ausbleiben der Rückfälligkeit können wir nur unter einer zwiefachen Be¬<lb/>
dingung erwarten, welche zunächst darin besteht, daß der Gefangene die Fähigkeit<lb/>
erlangt, nach der Entlassung durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße<lb/>
Verhältnisse zu gelangen, sodann aber auch darin, daß der Entlassene Gelegen¬<lb/>
heit zu einem solchen Erwerbe findet. Die Erfüllung dieser zwiefachen Be¬<lb/>
dingung macht es möglich, daß der Entlassene Freude an «der Freiheit finde,<lb/>
und gewährt ihm somit den besten Schutz gegen die Rückfälligkeit. Auf jene<lb/>
Fähigkeit zu einem ehrlichen Erwerbe hinzuwirken, müssen, wie wir gezeigt<lb/>
haben, die Gefängnisse sich bestreben. So eifrig sie dies aber auch thun mögen,<lb/>
wird es doch immer eine Anzahl unter den Entlassener geben, welche einer<lb/>
fortgesetzten sittlichen Einwirkung bedürfen, um nicht rückfällig zu werden.<lb/>
Vor Allem kommt es bei solchen Personen darauf an, sie in guten Vorsätzen<lb/>
zu bestärken und gegen den Einfluß der Verführung zu schützen. Indeß<lb/>
kann dies nur dann gelingen, wenn sich Menschen finden, welche das gegen<lb/>
einen entlassenen Sträfling gewöhnlich vorhandene Mißtrauen unterdrücken und<lb/>
ihm Arbeit geben. Den aus der Haft entlassenen Personen einen sittlichen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] nossen hat. Letztere ist dem von religiösen Orden entsendeten Personale eben so unentbehrlich wie andern Personen, welche als Gefängnißaufseher fungiren. Solche Ausbildungsanstalten können selbstverständlich nur in Gefängnissen er¬ richtet werden, weil sonst es nicht möglich ist, den praktischen Unterricht mit dem theoretischen zu verbinden. Angesichts der vielfachen Verbesserungen, welche die Regierung, in richtiger Würdigung des Zweckes der Gefängnisse, einzuführen bemüht ist, dürfen wir hoffen, daß sie auch auf die Errichtung von Ausbildungsanstalten für Gefängnißbeamte bedacht sein und dem Eintritte von Eleven in dieselben allen möglichen Vorschub leisten werde. Die Rücksicht auf die allerdings nicht unbedeutenden Kosten, welche hieraus dem Staate erwachsen werden, ist sicherlich nur eine untergeordnete gegenüber der Erwägung, daß ein gut ausgebildetes Aufsichtspersonal sehr viel dazu beitragen kann, die Ge¬ fangenen zu derjenigen Führung zu bestimmen, durch welche ihre vorläufige Entlassung ermöglicht und ihre Rückfälligkeit verhütet wird. Die vorläufige Entlassung und das Ausbleiben der Rückfälligkeit liegen ohne Weiteres in dem Interesse des Staates, denn einerseits verringern sie die Zahl der Haft¬ tage, für welche der Fiscus die Kosten zu tragen hat, anderntheils vermehren sie den Nationalwohlstand durch den Erwerb der aus der Haft Entlassener. Aus die Verhütung der Rückfälligkeit der aus der Strafhaft entlassenen Personen muß die öffentliche Gesundheitspflege ein ganz besonderes Gewicht legen. Wie viel in dieser Beziehung noch zu wünschen übrig sei, zeigt z. B. der Umstand, daß im Jahre 1869 in Preußen unter 7128 in die Gefängnisse einge¬ lieferten Verbrechern 71 Proc. Männer und 64 Proc. Weiber rückfällig waren. Das Ausbleiben der Rückfälligkeit können wir nur unter einer zwiefachen Be¬ dingung erwarten, welche zunächst darin besteht, daß der Gefangene die Fähigkeit erlangt, nach der Entlassung durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße Verhältnisse zu gelangen, sodann aber auch darin, daß der Entlassene Gelegen¬ heit zu einem solchen Erwerbe findet. Die Erfüllung dieser zwiefachen Be¬ dingung macht es möglich, daß der Entlassene Freude an «der Freiheit finde, und gewährt ihm somit den besten Schutz gegen die Rückfälligkeit. Auf jene Fähigkeit zu einem ehrlichen Erwerbe hinzuwirken, müssen, wie wir gezeigt haben, die Gefängnisse sich bestreben. So eifrig sie dies aber auch thun mögen, wird es doch immer eine Anzahl unter den Entlassener geben, welche einer fortgesetzten sittlichen Einwirkung bedürfen, um nicht rückfällig zu werden. Vor Allem kommt es bei solchen Personen darauf an, sie in guten Vorsätzen zu bestärken und gegen den Einfluß der Verführung zu schützen. Indeß kann dies nur dann gelingen, wenn sich Menschen finden, welche das gegen einen entlassenen Sträfling gewöhnlich vorhandene Mißtrauen unterdrücken und ihm Arbeit geben. Den aus der Haft entlassenen Personen einen sittlichen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/350>, abgerufen am 22.07.2024.