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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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gewöhnlich das "irische System", eigenthümlich sind ihm aber nur die Ueber¬
gangsanstalten, während die übrigen Glieder dieses Systems schon vor Crof-
ton in anderen Ländern in Gebrauch waren. Die irischen Uebergangsanstal-
tcn schaffen in beweglichen eisernen Baracken für je 80 Gefangene die letzteren
nach solchen Gegenden hin, in denen man ihre Kraft zum Ackerbau, zum
Drainiren u. f. w. bedarf; die Regierung selbst hat Ländereien zu diesem
Zwecke hergegeben. Schon im Jahre 1880 haben 100 Gefangene in zwei
solchen Baracken in sechs Monaten soviel gearbeitet, daß die Kosten ihrer
Verpflegung und Beaufsichtigung, die Zinsen des Anlagecapitals u. s. w. ge¬
deckt waren, und 236 Pfd. Sterl. übrig blieben. Die nicht zum Ackerbau
tauglichen Gefangenen werden theils zu den für die Bedürfnisse der Anstalten
erforderlichen Arbeiten angehalten, theils übernehmen sie, als Boten u. s. w.,
von dem Publicum verschiedene Aufträge. Die Gefangenen tragen bürger¬
liche Kleidung und dürfen mit Nichtgefangenen verkehren. Die Ergebnisse der
irischen Uebergangsanstalten sind glänzend, die Nachfrage nach Arbeiten aus
den letzteren steigt fortwährend, die Gesundheit der Gefangenen hat sich
gebessert, die Zahl der Rückfälligen hat abgenommen. Die Verringerung der
Zahl der in den Gefängnissen in Irland vorgekommenen Erkrankungs- und
Todesfälle ersehen wir z. B. aus dem Umstände, daß, vor Einführung der
Uebergangsanstalten, täglich erkrankten:

im Jahre 1884 10-0 pCt. und im Jahre 1833 10'2 pCt.,
dagegen seit der Einführung der Uebergangsanstalten
im Jahre 1836 nur 6'7 pCt. und im Jahre 1837 nur 51 pCt.;
die Zahl der Todesfälle betrug:
im Jahre 1854 8'0 pCt. und im Jahre 1853 4'7 pCt.,
im Jahre 1886 aber nur 1'9 pCt. und im Jahre 1857 nur 1-8 pCt.

Die Rückfälligkeit verminderte sich dermaßen, daß in dem Zeitraume von
1856 bis 1862 von den theils vorläufig (mit einem Urlaubsscheine, "tieköt
"5 I"ZÄve"), theils definitiv (nach Ablauf der urtheilsmäßigen Haftzeit) Ent¬
lassener 11'09 pCt., dagegen in England, das keine Uebergangsanstalten be¬
sitzt, 24-3 pCt. rückfällig wurden. Solche glänzende Ergebnisse können uns
nicht überraschen, denn die Uebergangsanstalten sind ganz dazu geeignet, die
nachtheiligen Folgen der vorangegangenen Haft zu beseitigen, und gewähren
gesundheitsgemäßen Aufenthalt, kräftigende Kost, Unterricht und Erziehung,
also alle Momente, welche den Gefangenen dazu vorbereiten, daß er nach der
Entlassung im Stande sei, durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße Ver¬
hältnisse zu gelangen. -- Selbstverständlich können den Uebergangsanstalten
nur solche Gefangene überwiesen werden, welche in Gefängnissen bereits einen
Theil der Strafhaft verbüßt haben und durch ihre Führung das Vertrauen


gewöhnlich das „irische System", eigenthümlich sind ihm aber nur die Ueber¬
gangsanstalten, während die übrigen Glieder dieses Systems schon vor Crof-
ton in anderen Ländern in Gebrauch waren. Die irischen Uebergangsanstal-
tcn schaffen in beweglichen eisernen Baracken für je 80 Gefangene die letzteren
nach solchen Gegenden hin, in denen man ihre Kraft zum Ackerbau, zum
Drainiren u. f. w. bedarf; die Regierung selbst hat Ländereien zu diesem
Zwecke hergegeben. Schon im Jahre 1880 haben 100 Gefangene in zwei
solchen Baracken in sechs Monaten soviel gearbeitet, daß die Kosten ihrer
Verpflegung und Beaufsichtigung, die Zinsen des Anlagecapitals u. s. w. ge¬
deckt waren, und 236 Pfd. Sterl. übrig blieben. Die nicht zum Ackerbau
tauglichen Gefangenen werden theils zu den für die Bedürfnisse der Anstalten
erforderlichen Arbeiten angehalten, theils übernehmen sie, als Boten u. s. w.,
von dem Publicum verschiedene Aufträge. Die Gefangenen tragen bürger¬
liche Kleidung und dürfen mit Nichtgefangenen verkehren. Die Ergebnisse der
irischen Uebergangsanstalten sind glänzend, die Nachfrage nach Arbeiten aus
den letzteren steigt fortwährend, die Gesundheit der Gefangenen hat sich
gebessert, die Zahl der Rückfälligen hat abgenommen. Die Verringerung der
Zahl der in den Gefängnissen in Irland vorgekommenen Erkrankungs- und
Todesfälle ersehen wir z. B. aus dem Umstände, daß, vor Einführung der
Uebergangsanstalten, täglich erkrankten:

im Jahre 1884 10-0 pCt. und im Jahre 1833 10'2 pCt.,
dagegen seit der Einführung der Uebergangsanstalten
im Jahre 1836 nur 6'7 pCt. und im Jahre 1837 nur 51 pCt.;
die Zahl der Todesfälle betrug:
im Jahre 1854 8'0 pCt. und im Jahre 1853 4'7 pCt.,
im Jahre 1886 aber nur 1'9 pCt. und im Jahre 1857 nur 1-8 pCt.

Die Rückfälligkeit verminderte sich dermaßen, daß in dem Zeitraume von
1856 bis 1862 von den theils vorläufig (mit einem Urlaubsscheine, „tieköt
»5 I«ZÄve"), theils definitiv (nach Ablauf der urtheilsmäßigen Haftzeit) Ent¬
lassener 11'09 pCt., dagegen in England, das keine Uebergangsanstalten be¬
sitzt, 24-3 pCt. rückfällig wurden. Solche glänzende Ergebnisse können uns
nicht überraschen, denn die Uebergangsanstalten sind ganz dazu geeignet, die
nachtheiligen Folgen der vorangegangenen Haft zu beseitigen, und gewähren
gesundheitsgemäßen Aufenthalt, kräftigende Kost, Unterricht und Erziehung,
also alle Momente, welche den Gefangenen dazu vorbereiten, daß er nach der
Entlassung im Stande sei, durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße Ver¬
hältnisse zu gelangen. — Selbstverständlich können den Uebergangsanstalten
nur solche Gefangene überwiesen werden, welche in Gefängnissen bereits einen
Theil der Strafhaft verbüßt haben und durch ihre Führung das Vertrauen


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[0348] gewöhnlich das „irische System", eigenthümlich sind ihm aber nur die Ueber¬ gangsanstalten, während die übrigen Glieder dieses Systems schon vor Crof- ton in anderen Ländern in Gebrauch waren. Die irischen Uebergangsanstal- tcn schaffen in beweglichen eisernen Baracken für je 80 Gefangene die letzteren nach solchen Gegenden hin, in denen man ihre Kraft zum Ackerbau, zum Drainiren u. f. w. bedarf; die Regierung selbst hat Ländereien zu diesem Zwecke hergegeben. Schon im Jahre 1880 haben 100 Gefangene in zwei solchen Baracken in sechs Monaten soviel gearbeitet, daß die Kosten ihrer Verpflegung und Beaufsichtigung, die Zinsen des Anlagecapitals u. s. w. ge¬ deckt waren, und 236 Pfd. Sterl. übrig blieben. Die nicht zum Ackerbau tauglichen Gefangenen werden theils zu den für die Bedürfnisse der Anstalten erforderlichen Arbeiten angehalten, theils übernehmen sie, als Boten u. s. w., von dem Publicum verschiedene Aufträge. Die Gefangenen tragen bürger¬ liche Kleidung und dürfen mit Nichtgefangenen verkehren. Die Ergebnisse der irischen Uebergangsanstalten sind glänzend, die Nachfrage nach Arbeiten aus den letzteren steigt fortwährend, die Gesundheit der Gefangenen hat sich gebessert, die Zahl der Rückfälligen hat abgenommen. Die Verringerung der Zahl der in den Gefängnissen in Irland vorgekommenen Erkrankungs- und Todesfälle ersehen wir z. B. aus dem Umstände, daß, vor Einführung der Uebergangsanstalten, täglich erkrankten: im Jahre 1884 10-0 pCt. und im Jahre 1833 10'2 pCt., dagegen seit der Einführung der Uebergangsanstalten im Jahre 1836 nur 6'7 pCt. und im Jahre 1837 nur 51 pCt.; die Zahl der Todesfälle betrug: im Jahre 1854 8'0 pCt. und im Jahre 1853 4'7 pCt., im Jahre 1886 aber nur 1'9 pCt. und im Jahre 1857 nur 1-8 pCt. Die Rückfälligkeit verminderte sich dermaßen, daß in dem Zeitraume von 1856 bis 1862 von den theils vorläufig (mit einem Urlaubsscheine, „tieköt »5 I«ZÄve"), theils definitiv (nach Ablauf der urtheilsmäßigen Haftzeit) Ent¬ lassener 11'09 pCt., dagegen in England, das keine Uebergangsanstalten be¬ sitzt, 24-3 pCt. rückfällig wurden. Solche glänzende Ergebnisse können uns nicht überraschen, denn die Uebergangsanstalten sind ganz dazu geeignet, die nachtheiligen Folgen der vorangegangenen Haft zu beseitigen, und gewähren gesundheitsgemäßen Aufenthalt, kräftigende Kost, Unterricht und Erziehung, also alle Momente, welche den Gefangenen dazu vorbereiten, daß er nach der Entlassung im Stande sei, durch ehrlichen Erwerb in gesundheitsgemäße Ver¬ hältnisse zu gelangen. — Selbstverständlich können den Uebergangsanstalten nur solche Gefangene überwiesen werden, welche in Gefängnissen bereits einen Theil der Strafhaft verbüßt haben und durch ihre Führung das Vertrauen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/348>, abgerufen am 22.12.2024.