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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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können. Hier sollen sie das Bedürfniß, reine frische Luft zu athmen, befriedigen,
und zwar in einem durch körperliche Bewegung, womöglich auch durch Turn¬
übungen gesteigerten Maaße. Dies gilt nicht nur für die Gefangenen in
gemeinsamer Haft, sondern auch für diejenigen, welche ihre Strafe in der
Einzelhaft verbüßen; für letztere können kleine isolirte Höfe so angelegt sein,
daß alle von einem Aufseher bewacht werden können ("panoptische Ein¬
richtung").

Die Kost der Gefangenen muß so beschaffen sein, daß sie eine zweck¬
mäßige Ernährung ermögliche. Demgemäß werden wir im Allgemeinen
die Verbindung von Fleischkost mit Pflanzenkost, also eine "gemischte
Kost" für nothwendig erachten. Selbstverständlich müssen wir darauf
halten, daß das Trinkwasser und die Nahrungsmittel rein und unverdorben
seien. Wenn wir außerdem Gewicht darauf legen, daß letztere in schmackhafter
Zubereitung und in öfterer Abwechselung den Gefangenen verabreicht werden,
folgen wir nicht etwa einer übertriebenen menschenfreundlichen Bestrebung,
sondern der wissenschaftlichen Erwägung, daß bei einer einförmigen und un-
schmackhaften Kost der Appetit sich verliert, und daß hierdurch die Verdauung,
leidet. Außer diesen Rücksichten auf die Gefangenenkost im Allgemeinen, wer¬
den wir aber auch individuelle Rücksichten zu nehmen haben und ihnen zufolge
darauf sehen, daß die Kost nicht für alle Gefangenen ein- und dieselbe sei.
Abgesehen davon, daß kranke Gefangene anders beköstigt werden müssen als
nichtkranke, wird die Kost für die Letzteren eine verschiedene sein müssen, je-
nachdem dieselben mehr oder weniger geschwächt sind. Bei möglichst großer
Einfachheit in der Beköstigung müssen die Gefängnisse deshalb wenigstens
3 Kost-Formen einführen: für Kranke, für Geschwächte, für Nichtgeschwächte.
Die Befolgung dieser Rücksichten verträgt sich sehr wohl mit der den Ge¬
fängnissen gebotenen Sparsamkeit. Wir beanspruchen nicht denjenigen Luxus
der überreichlicher Fleischkost, über welchen Julius*) aus nordamerikanischen
Gefängnissen berichtet, es genügen diejenigen Kostformen, welche wir z. B. in
den Berliner Volks-Küchen vorfinden; diese rühmenswerthen Anstalten liefern
eine ganze, für einen Erwachsenen berechnete Portion, eine schmackhafte aus
Fleisch und Vegetabilien bestehende Mahlzeit, für 1 Sgr. 9 Pf.**) In den
preußischen Strafanstalten wird jetzt 2 bis 3 mal wöchentlich gewiegtes Rind¬
fleisch, 3 Loth pro Kopf, zu Brühe verkocht, dem sonstigen Mittagsessen bei.
gemengt, -- das reicht indeß für eine zweckmäßige Beköstigung nicht aus. --
Baer***) erachtet zwar gemischte Kost (mit Fleisch) für eine Anzahl von Sträf¬
lingen als nothwendig, ist aber der Ansicht, daß dieselbe "nicht als allgemeiner





Julius- Nordamerika's sittliche Zustände. Bd. 2. Hamburg 1839, S. 218.
") Lina Morgenstern- Die Berliner Volksküchen. Berlin 18K8.
") I. e. S. 148.

können. Hier sollen sie das Bedürfniß, reine frische Luft zu athmen, befriedigen,
und zwar in einem durch körperliche Bewegung, womöglich auch durch Turn¬
übungen gesteigerten Maaße. Dies gilt nicht nur für die Gefangenen in
gemeinsamer Haft, sondern auch für diejenigen, welche ihre Strafe in der
Einzelhaft verbüßen; für letztere können kleine isolirte Höfe so angelegt sein,
daß alle von einem Aufseher bewacht werden können („panoptische Ein¬
richtung").

Die Kost der Gefangenen muß so beschaffen sein, daß sie eine zweck¬
mäßige Ernährung ermögliche. Demgemäß werden wir im Allgemeinen
die Verbindung von Fleischkost mit Pflanzenkost, also eine „gemischte
Kost" für nothwendig erachten. Selbstverständlich müssen wir darauf
halten, daß das Trinkwasser und die Nahrungsmittel rein und unverdorben
seien. Wenn wir außerdem Gewicht darauf legen, daß letztere in schmackhafter
Zubereitung und in öfterer Abwechselung den Gefangenen verabreicht werden,
folgen wir nicht etwa einer übertriebenen menschenfreundlichen Bestrebung,
sondern der wissenschaftlichen Erwägung, daß bei einer einförmigen und un-
schmackhaften Kost der Appetit sich verliert, und daß hierdurch die Verdauung,
leidet. Außer diesen Rücksichten auf die Gefangenenkost im Allgemeinen, wer¬
den wir aber auch individuelle Rücksichten zu nehmen haben und ihnen zufolge
darauf sehen, daß die Kost nicht für alle Gefangenen ein- und dieselbe sei.
Abgesehen davon, daß kranke Gefangene anders beköstigt werden müssen als
nichtkranke, wird die Kost für die Letzteren eine verschiedene sein müssen, je-
nachdem dieselben mehr oder weniger geschwächt sind. Bei möglichst großer
Einfachheit in der Beköstigung müssen die Gefängnisse deshalb wenigstens
3 Kost-Formen einführen: für Kranke, für Geschwächte, für Nichtgeschwächte.
Die Befolgung dieser Rücksichten verträgt sich sehr wohl mit der den Ge¬
fängnissen gebotenen Sparsamkeit. Wir beanspruchen nicht denjenigen Luxus
der überreichlicher Fleischkost, über welchen Julius*) aus nordamerikanischen
Gefängnissen berichtet, es genügen diejenigen Kostformen, welche wir z. B. in
den Berliner Volks-Küchen vorfinden; diese rühmenswerthen Anstalten liefern
eine ganze, für einen Erwachsenen berechnete Portion, eine schmackhafte aus
Fleisch und Vegetabilien bestehende Mahlzeit, für 1 Sgr. 9 Pf.**) In den
preußischen Strafanstalten wird jetzt 2 bis 3 mal wöchentlich gewiegtes Rind¬
fleisch, 3 Loth pro Kopf, zu Brühe verkocht, dem sonstigen Mittagsessen bei.
gemengt, — das reicht indeß für eine zweckmäßige Beköstigung nicht aus. —
Baer***) erachtet zwar gemischte Kost (mit Fleisch) für eine Anzahl von Sträf¬
lingen als nothwendig, ist aber der Ansicht, daß dieselbe „nicht als allgemeiner





Julius- Nordamerika's sittliche Zustände. Bd. 2. Hamburg 1839, S. 218.
") Lina Morgenstern- Die Berliner Volksküchen. Berlin 18K8.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/300>, abgerufen am 24.08.2024.