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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Naugard: die Nähe von sumpfigen Wiesen und das Umringtsein der Ge¬
fangenenanstalt von einem Graben, in welchem das Wasser stagnirte, be¬
dingte, wie Baer^) angibt, die Entwickelung von Malaria alljährlich so be¬
ständig und so heftig, daß beispielsweise im Jahre 1849 306 Fälle von
Wechselfieber unter der Anstaltsbevölkerung vorkamen, im Jahre 1851 noch
802, im Jahre 1832 noch 491 Fälle; mit der Vermehrung und Tieferlegung
der Abzugsgräben und mit dem Steigen der Cultur jener Wiesen verlor sich
das Wechselfieber bis auf seltene vereinzelte Fälle, welche jetzt noch vorkommen.
-- Die gemeinschaftlichen Schlaf- und Arbeitssäle müssen große und zahlreiche
Fenster haben, welche bei Tage möglichst viel Sonnenstrahlen eintreten lassen
und bei Tag und Nacht die Ventilation befördern. Wenn wir an die luft¬
reinigende Wirkung der Sonnenstrahlen denken, werden wir darauf halten,
daß ihnen nicht durch matte oder gerippte Fensterscheiben, welche wir nicht
selten in Gefängnissen antreffen, der Eintritt in die Säle unmöglich gemacht
werde. Wenn wir die Lufterneuerung durch die Fenster begünstigen wollen,
müssen wir darauf sehen, daß sie an beiden einander gegenüberstehenden Längs¬
seiten der einzelnen Säle angebracht werden. -- In verschiedenen Gefängnissen
finden wir statt eines geölten, dichtgefugten, gedielten Fußbodens, welcher sich
für die Reinerhaltung der Luft am besten eignet, einen Fußboden von Asphalt,
Sandstein oder Ziegeln; wir können einen solchen Fußboden nicht empfehlen,
theils weil er immer kühl ist, ganz besonders aber, weil er Staub in die
Luft absetzt. -- Das Beisammensein so zahlreicher Menschen in den Arbeits¬
und Schlafsälen verunreinigt die Luft in so hohem Maaße, daß die größte
Sorgfalt auf die Verhütung einer anderweitigen Verunreinigung der Luft
und auf eine zweckmäßige Ventilation gerichtet sein muß. Eingedenk des
wichtigen Einflusses, welchen die Reinlichkeit auf die Erhaltung der gesund¬
heitsgemäßen Beschaffenheit der Lust ausübt, werden wir auf die Entfernung
von Staub, Schmutz und fäulnißfähigen organischen Stoffen hier ein besonderes
Gewicht legen. -- Die Ventilation muß in den Gefängnissen um so ergiebiger
sein, als die Räumlichkeit der letzteren für die Zahl der Gefangenen in der
Regel knapp bemessen ist. Der gesundheitsschädliche Einfluß der Unzuläng¬
lichkeit des Raumes ist in den Schlafsälen mehr zu befürchten als in den
Arbeitssälen, weil während der gewöhnlich 8 Stunden dauernden Schlafzeit
Thüren und Fenster nicht geöffnet werden. Die Größe des Raumes für
jeden Gefangenen wird von verschiedenen Schriftstellern in verschiedenem
Maaße beansprucht, Morin z. B., Leblanc u. A. verlangen 5,0 Cubikmeter
pro Kopf, Baer^) wenigstens 600 Cbkfuß. Für die Jsolirzellen verlangt z. B.




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Naugard: die Nähe von sumpfigen Wiesen und das Umringtsein der Ge¬
fangenenanstalt von einem Graben, in welchem das Wasser stagnirte, be¬
dingte, wie Baer^) angibt, die Entwickelung von Malaria alljährlich so be¬
ständig und so heftig, daß beispielsweise im Jahre 1849 306 Fälle von
Wechselfieber unter der Anstaltsbevölkerung vorkamen, im Jahre 1851 noch
802, im Jahre 1832 noch 491 Fälle; mit der Vermehrung und Tieferlegung
der Abzugsgräben und mit dem Steigen der Cultur jener Wiesen verlor sich
das Wechselfieber bis auf seltene vereinzelte Fälle, welche jetzt noch vorkommen.
— Die gemeinschaftlichen Schlaf- und Arbeitssäle müssen große und zahlreiche
Fenster haben, welche bei Tage möglichst viel Sonnenstrahlen eintreten lassen
und bei Tag und Nacht die Ventilation befördern. Wenn wir an die luft¬
reinigende Wirkung der Sonnenstrahlen denken, werden wir darauf halten,
daß ihnen nicht durch matte oder gerippte Fensterscheiben, welche wir nicht
selten in Gefängnissen antreffen, der Eintritt in die Säle unmöglich gemacht
werde. Wenn wir die Lufterneuerung durch die Fenster begünstigen wollen,
müssen wir darauf sehen, daß sie an beiden einander gegenüberstehenden Längs¬
seiten der einzelnen Säle angebracht werden. — In verschiedenen Gefängnissen
finden wir statt eines geölten, dichtgefugten, gedielten Fußbodens, welcher sich
für die Reinerhaltung der Luft am besten eignet, einen Fußboden von Asphalt,
Sandstein oder Ziegeln; wir können einen solchen Fußboden nicht empfehlen,
theils weil er immer kühl ist, ganz besonders aber, weil er Staub in die
Luft absetzt. — Das Beisammensein so zahlreicher Menschen in den Arbeits¬
und Schlafsälen verunreinigt die Luft in so hohem Maaße, daß die größte
Sorgfalt auf die Verhütung einer anderweitigen Verunreinigung der Luft
und auf eine zweckmäßige Ventilation gerichtet sein muß. Eingedenk des
wichtigen Einflusses, welchen die Reinlichkeit auf die Erhaltung der gesund¬
heitsgemäßen Beschaffenheit der Lust ausübt, werden wir auf die Entfernung
von Staub, Schmutz und fäulnißfähigen organischen Stoffen hier ein besonderes
Gewicht legen. — Die Ventilation muß in den Gefängnissen um so ergiebiger
sein, als die Räumlichkeit der letzteren für die Zahl der Gefangenen in der
Regel knapp bemessen ist. Der gesundheitsschädliche Einfluß der Unzuläng¬
lichkeit des Raumes ist in den Schlafsälen mehr zu befürchten als in den
Arbeitssälen, weil während der gewöhnlich 8 Stunden dauernden Schlafzeit
Thüren und Fenster nicht geöffnet werden. Die Größe des Raumes für
jeden Gefangenen wird von verschiedenen Schriftstellern in verschiedenem
Maaße beansprucht, Morin z. B., Leblanc u. A. verlangen 5,0 Cubikmeter
pro Kopf, Baer^) wenigstens 600 Cbkfuß. Für die Jsolirzellen verlangt z. B.




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[0298] Naugard: die Nähe von sumpfigen Wiesen und das Umringtsein der Ge¬ fangenenanstalt von einem Graben, in welchem das Wasser stagnirte, be¬ dingte, wie Baer^) angibt, die Entwickelung von Malaria alljährlich so be¬ ständig und so heftig, daß beispielsweise im Jahre 1849 306 Fälle von Wechselfieber unter der Anstaltsbevölkerung vorkamen, im Jahre 1851 noch 802, im Jahre 1832 noch 491 Fälle; mit der Vermehrung und Tieferlegung der Abzugsgräben und mit dem Steigen der Cultur jener Wiesen verlor sich das Wechselfieber bis auf seltene vereinzelte Fälle, welche jetzt noch vorkommen. — Die gemeinschaftlichen Schlaf- und Arbeitssäle müssen große und zahlreiche Fenster haben, welche bei Tage möglichst viel Sonnenstrahlen eintreten lassen und bei Tag und Nacht die Ventilation befördern. Wenn wir an die luft¬ reinigende Wirkung der Sonnenstrahlen denken, werden wir darauf halten, daß ihnen nicht durch matte oder gerippte Fensterscheiben, welche wir nicht selten in Gefängnissen antreffen, der Eintritt in die Säle unmöglich gemacht werde. Wenn wir die Lufterneuerung durch die Fenster begünstigen wollen, müssen wir darauf sehen, daß sie an beiden einander gegenüberstehenden Längs¬ seiten der einzelnen Säle angebracht werden. — In verschiedenen Gefängnissen finden wir statt eines geölten, dichtgefugten, gedielten Fußbodens, welcher sich für die Reinerhaltung der Luft am besten eignet, einen Fußboden von Asphalt, Sandstein oder Ziegeln; wir können einen solchen Fußboden nicht empfehlen, theils weil er immer kühl ist, ganz besonders aber, weil er Staub in die Luft absetzt. — Das Beisammensein so zahlreicher Menschen in den Arbeits¬ und Schlafsälen verunreinigt die Luft in so hohem Maaße, daß die größte Sorgfalt auf die Verhütung einer anderweitigen Verunreinigung der Luft und auf eine zweckmäßige Ventilation gerichtet sein muß. Eingedenk des wichtigen Einflusses, welchen die Reinlichkeit auf die Erhaltung der gesund¬ heitsgemäßen Beschaffenheit der Lust ausübt, werden wir auf die Entfernung von Staub, Schmutz und fäulnißfähigen organischen Stoffen hier ein besonderes Gewicht legen. — Die Ventilation muß in den Gefängnissen um so ergiebiger sein, als die Räumlichkeit der letzteren für die Zahl der Gefangenen in der Regel knapp bemessen ist. Der gesundheitsschädliche Einfluß der Unzuläng¬ lichkeit des Raumes ist in den Schlafsälen mehr zu befürchten als in den Arbeitssälen, weil während der gewöhnlich 8 Stunden dauernden Schlafzeit Thüren und Fenster nicht geöffnet werden. Die Größe des Raumes für jeden Gefangenen wird von verschiedenen Schriftstellern in verschiedenem Maaße beansprucht, Morin z. B., Leblanc u. A. verlangen 5,0 Cubikmeter pro Kopf, Baer^) wenigstens 600 Cbkfuß. Für die Jsolirzellen verlangt z. B. ") I. l!. S. <>8. ' ") I, v. S. 85.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/298>, abgerufen am 22.12.2024.