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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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stimmen nicht mehr als etwa achtzig Häuser zählen, Sandar und Maki Zwor-
nik, hinziehen. Das letztere hat einige Schanzen und mag als Brückenkopf
für die auf der böhmischen Seite gelegene Festung gelten.

Diese beiden Dörfer mit ihren Ländereien auf der Thalsohle zwischen
Gebirg und Fluß sind nur thatsächlich, nicht rechtlich bisher zu Bosnien ge¬
rechnet worden. Wenigstens kann Serbien, wenn es diesen Winkel Landes
jetzt für sich in Anspruch nimmt, Gründe dafür anführen, die sich hören lassen.
Bevor wir indeß diese rechtlichen Gründe betrachten, werfen wir einen Blick
auf die Nützlichkeitsgründe, welche angeblich oder in Wahrheit zu der For¬
derung Veranlassung gegeben haben.

Die Pforte hat, entgegen mehr oder minder bestimmter Zusage, jenes
Stück Land auf dem rechten Drinauser behalten, wie verlautet, weil Groß-
zwornik von Kleinzwornik militärisch beherrscht werde und weil jenes den Zu¬
gang zu Bosnien vertheidige. Diese Behauptung ist indeß nicht haltbar.
Denn einmal sind die Thalwände über dem böhmischen Ufer höher als die
über dem östlichen. Sodann möchte es unüberwindliche Schwierigkeiten haben,
auf den Gutschewo und seine Ausläufer der Festung gegenüber Artillerie zur
Beschießung der letzteren zu schaffen, auch kann die Türkei bei einer Heraus¬
gabe der Enclave die bei Maki Zwornik angelegten Schanzwerke schleifen und
sich von den Serben ausbedingen, daß sie hier und in der Nähe nichts Aehn-
liches wieder errichten. Schließlich ist die Festung Zwornik als halbe Ruine
ohne ernste Bedeutung in einem Angriffskriege Serbiens gegen diesen Theil
Bosniens hin.

Begründeter scheint, was die Serben für ihren Anspruch geltend machen.
Sie haben den Nutzen guter Straßen für ihr Land begriffen und vielfach da¬
nach gehandelt. Dies gilt auch vom untern Drinathal, wo eine fahrbare
Straße fehr nothwendig wäre, aber bis jetzt nur bis nach Losnitza geht, in¬
dem man bei der türkischen Enclave nicht weiter bauen konnte. Der Höhen¬
zug der Borania, der zwischen Losnitza und Maki Zwornik den Fluß auf der
serbischen Seite überragt, schließt sich in dieser Gegend mit dem circa tausend
Fuß hohen, mit Urwald bedeckten Jagodnia-Gebirge an den noch erheblich
höheren und mühseliger zu passirenden Gebirgsstock des Medwednik an und
trennt so, wenn die Straße im Flußthale nicht weiter geführt werden kann,
die Ortschaften des südwestlichen Serbien von denen des nordwestlichen für
den Verkehr mit Wagen vollständig ab. Hätte Serbien die in Rede stehende
Enclave schon einige Zeit im Besitz, so würde es die Straße von Losnitza bis
zu dem Punkte im Süden, wo der Fluß seine Westgrenze zu bilden aufhört,
ohne Zweifel schon weiter gebaut haben. Wie die Dinge jetzt liegen, gibt es
zwischen den südwestlichen Orten Serbiens und Losnitza im Winter gar keine
Verbindung, und im Sommer kann dieselbe nur durch einen drei Meilen


stimmen nicht mehr als etwa achtzig Häuser zählen, Sandar und Maki Zwor-
nik, hinziehen. Das letztere hat einige Schanzen und mag als Brückenkopf
für die auf der böhmischen Seite gelegene Festung gelten.

Diese beiden Dörfer mit ihren Ländereien auf der Thalsohle zwischen
Gebirg und Fluß sind nur thatsächlich, nicht rechtlich bisher zu Bosnien ge¬
rechnet worden. Wenigstens kann Serbien, wenn es diesen Winkel Landes
jetzt für sich in Anspruch nimmt, Gründe dafür anführen, die sich hören lassen.
Bevor wir indeß diese rechtlichen Gründe betrachten, werfen wir einen Blick
auf die Nützlichkeitsgründe, welche angeblich oder in Wahrheit zu der For¬
derung Veranlassung gegeben haben.

Die Pforte hat, entgegen mehr oder minder bestimmter Zusage, jenes
Stück Land auf dem rechten Drinauser behalten, wie verlautet, weil Groß-
zwornik von Kleinzwornik militärisch beherrscht werde und weil jenes den Zu¬
gang zu Bosnien vertheidige. Diese Behauptung ist indeß nicht haltbar.
Denn einmal sind die Thalwände über dem böhmischen Ufer höher als die
über dem östlichen. Sodann möchte es unüberwindliche Schwierigkeiten haben,
auf den Gutschewo und seine Ausläufer der Festung gegenüber Artillerie zur
Beschießung der letzteren zu schaffen, auch kann die Türkei bei einer Heraus¬
gabe der Enclave die bei Maki Zwornik angelegten Schanzwerke schleifen und
sich von den Serben ausbedingen, daß sie hier und in der Nähe nichts Aehn-
liches wieder errichten. Schließlich ist die Festung Zwornik als halbe Ruine
ohne ernste Bedeutung in einem Angriffskriege Serbiens gegen diesen Theil
Bosniens hin.

Begründeter scheint, was die Serben für ihren Anspruch geltend machen.
Sie haben den Nutzen guter Straßen für ihr Land begriffen und vielfach da¬
nach gehandelt. Dies gilt auch vom untern Drinathal, wo eine fahrbare
Straße fehr nothwendig wäre, aber bis jetzt nur bis nach Losnitza geht, in¬
dem man bei der türkischen Enclave nicht weiter bauen konnte. Der Höhen¬
zug der Borania, der zwischen Losnitza und Maki Zwornik den Fluß auf der
serbischen Seite überragt, schließt sich in dieser Gegend mit dem circa tausend
Fuß hohen, mit Urwald bedeckten Jagodnia-Gebirge an den noch erheblich
höheren und mühseliger zu passirenden Gebirgsstock des Medwednik an und
trennt so, wenn die Straße im Flußthale nicht weiter geführt werden kann,
die Ortschaften des südwestlichen Serbien von denen des nordwestlichen für
den Verkehr mit Wagen vollständig ab. Hätte Serbien die in Rede stehende
Enclave schon einige Zeit im Besitz, so würde es die Straße von Losnitza bis
zu dem Punkte im Süden, wo der Fluß seine Westgrenze zu bilden aufhört,
ohne Zweifel schon weiter gebaut haben. Wie die Dinge jetzt liegen, gibt es
zwischen den südwestlichen Orten Serbiens und Losnitza im Winter gar keine
Verbindung, und im Sommer kann dieselbe nur durch einen drei Meilen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/280>, abgerufen am 22.07.2024.