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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Verwaltung und Rechtspflege oder finanzielle Bedürfnisse, die meist localer
Natur sind, und die wir deshalb füglich übergehen können.

Dem Grundsatz, die Beamtenzahl zu vermindern, wird im Landtags¬
abschied ein großes Zugeständniß gemacht, indem sowohl die Vereinigung von
vier Appellhöfen (in zwei), wie die Zusammenlegung mehrerer Untergeriehte
in Aussicht gestellt ist. Auch in der Forstverwaltung (soweit es ohne Scha¬
den des Dienstes geschehen kann) sollen umfangreiche Reductionen eintreten,
während die Mittelstellen beim Eisenbahnwesen (Oberpost- und Bahnämter)
gänzlich in Wegfall kommen. Das System der Sparsamkeit an Personal,
welches als Gegengewicht für die Erhöhung der Besoldungen anerkannt
wurde, fand somit bereits seine volle Bethätigung.

Von principieller Bedeutung und von allgemeinerem Interesse sind indessen
zwei Anträge, die wir das letzte Mal bereits erwähnten, die sich jedoch da¬
mals noch in einem sehr zurückgebliebenen Stadium befanden. Es ist dies
einmal der Antrag Freytags wegen Betheiligung der Staatsbeamten an in¬
dustriellen Unternehmungen und dann der Antrag Volks auf Umbildung des
obersten Rechnungshofes. Das Pelidna lautete in beiden Fällen ursprüng¬
lich dahin, daß die Regierung dem (nächsten) Landtage einen Gesetzentwurf
vorlegen möge, der den Gegenstand im Sinne der Antragsteller erledigt, und
materiell ist wenigstens den Wünschen beider und den Kammern, die diese
Wünsche durch Gescimmtbeschluß sich angeeignet, im Landtagsabschied Genüge
geleistet.

Was den Freytag'schen Antrag anlangt, so waren demselben die man¬
nigfachsten Metamorphosen beschieden. Er trat zuerst vollkommen apo¬
diktisch hervor. Darüber entstand im Abgeordnetenhaus" eine lebhafte
Debatte; man warf die Frage auf, ob nicht an Stelle des principiellen Ver>
hotes lieber die' jedesmalige Genehmigung der Staatsregierung supplirt wer¬
den solle, und hob den Rechtsboden hervor, den schon eine Verordnung von
1868 geschaffen hatte. Der damalige Beschluß des Abgeordnetenhauses ward
von der ersten Kammer nicht angenommen, und jener, den die erste Kammer
an dessen Stelle setzte, nicht von der zweiten. Oben und unten gab es scharfe
Reden, bei denen sich besonders der Abgeordnete Fischer (als Referent) her¬
vorthat; endlich gaben die Reichsrathe, "um doch das Princip zu retten",
nach, und so wurde über den Antrag Gesammtbeschluß erzielt. Derselbe
gipfelte darin, man möge den König bitten, anzuordnen, daß den Beamten
und öffentlichen Dienern verboten < werde: l) an einem sogenannten Gründer-
consortium Theil zu nehmen, das den Theilnehmern unabhängig vom Be¬
triebe einen besondern Gründerlohn gewährt; 2) sich an der Betriebsleitung
eines Erwerbsgeschäftes zu betheiligen, das denselben in Kollision mit seinen
Staatsdienerpflichten bringen könnte, und 3) die mittelbar oder unmittelbar


Verwaltung und Rechtspflege oder finanzielle Bedürfnisse, die meist localer
Natur sind, und die wir deshalb füglich übergehen können.

Dem Grundsatz, die Beamtenzahl zu vermindern, wird im Landtags¬
abschied ein großes Zugeständniß gemacht, indem sowohl die Vereinigung von
vier Appellhöfen (in zwei), wie die Zusammenlegung mehrerer Untergeriehte
in Aussicht gestellt ist. Auch in der Forstverwaltung (soweit es ohne Scha¬
den des Dienstes geschehen kann) sollen umfangreiche Reductionen eintreten,
während die Mittelstellen beim Eisenbahnwesen (Oberpost- und Bahnämter)
gänzlich in Wegfall kommen. Das System der Sparsamkeit an Personal,
welches als Gegengewicht für die Erhöhung der Besoldungen anerkannt
wurde, fand somit bereits seine volle Bethätigung.

Von principieller Bedeutung und von allgemeinerem Interesse sind indessen
zwei Anträge, die wir das letzte Mal bereits erwähnten, die sich jedoch da¬
mals noch in einem sehr zurückgebliebenen Stadium befanden. Es ist dies
einmal der Antrag Freytags wegen Betheiligung der Staatsbeamten an in¬
dustriellen Unternehmungen und dann der Antrag Volks auf Umbildung des
obersten Rechnungshofes. Das Pelidna lautete in beiden Fällen ursprüng¬
lich dahin, daß die Regierung dem (nächsten) Landtage einen Gesetzentwurf
vorlegen möge, der den Gegenstand im Sinne der Antragsteller erledigt, und
materiell ist wenigstens den Wünschen beider und den Kammern, die diese
Wünsche durch Gescimmtbeschluß sich angeeignet, im Landtagsabschied Genüge
geleistet.

Was den Freytag'schen Antrag anlangt, so waren demselben die man¬
nigfachsten Metamorphosen beschieden. Er trat zuerst vollkommen apo¬
diktisch hervor. Darüber entstand im Abgeordnetenhaus« eine lebhafte
Debatte; man warf die Frage auf, ob nicht an Stelle des principiellen Ver>
hotes lieber die' jedesmalige Genehmigung der Staatsregierung supplirt wer¬
den solle, und hob den Rechtsboden hervor, den schon eine Verordnung von
1868 geschaffen hatte. Der damalige Beschluß des Abgeordnetenhauses ward
von der ersten Kammer nicht angenommen, und jener, den die erste Kammer
an dessen Stelle setzte, nicht von der zweiten. Oben und unten gab es scharfe
Reden, bei denen sich besonders der Abgeordnete Fischer (als Referent) her¬
vorthat; endlich gaben die Reichsrathe, „um doch das Princip zu retten",
nach, und so wurde über den Antrag Gesammtbeschluß erzielt. Derselbe
gipfelte darin, man möge den König bitten, anzuordnen, daß den Beamten
und öffentlichen Dienern verboten < werde: l) an einem sogenannten Gründer-
consortium Theil zu nehmen, das den Theilnehmern unabhängig vom Be¬
triebe einen besondern Gründerlohn gewährt; 2) sich an der Betriebsleitung
eines Erwerbsgeschäftes zu betheiligen, das denselben in Kollision mit seinen
Staatsdienerpflichten bringen könnte, und 3) die mittelbar oder unmittelbar


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[0276] Verwaltung und Rechtspflege oder finanzielle Bedürfnisse, die meist localer Natur sind, und die wir deshalb füglich übergehen können. Dem Grundsatz, die Beamtenzahl zu vermindern, wird im Landtags¬ abschied ein großes Zugeständniß gemacht, indem sowohl die Vereinigung von vier Appellhöfen (in zwei), wie die Zusammenlegung mehrerer Untergeriehte in Aussicht gestellt ist. Auch in der Forstverwaltung (soweit es ohne Scha¬ den des Dienstes geschehen kann) sollen umfangreiche Reductionen eintreten, während die Mittelstellen beim Eisenbahnwesen (Oberpost- und Bahnämter) gänzlich in Wegfall kommen. Das System der Sparsamkeit an Personal, welches als Gegengewicht für die Erhöhung der Besoldungen anerkannt wurde, fand somit bereits seine volle Bethätigung. Von principieller Bedeutung und von allgemeinerem Interesse sind indessen zwei Anträge, die wir das letzte Mal bereits erwähnten, die sich jedoch da¬ mals noch in einem sehr zurückgebliebenen Stadium befanden. Es ist dies einmal der Antrag Freytags wegen Betheiligung der Staatsbeamten an in¬ dustriellen Unternehmungen und dann der Antrag Volks auf Umbildung des obersten Rechnungshofes. Das Pelidna lautete in beiden Fällen ursprüng¬ lich dahin, daß die Regierung dem (nächsten) Landtage einen Gesetzentwurf vorlegen möge, der den Gegenstand im Sinne der Antragsteller erledigt, und materiell ist wenigstens den Wünschen beider und den Kammern, die diese Wünsche durch Gescimmtbeschluß sich angeeignet, im Landtagsabschied Genüge geleistet. Was den Freytag'schen Antrag anlangt, so waren demselben die man¬ nigfachsten Metamorphosen beschieden. Er trat zuerst vollkommen apo¬ diktisch hervor. Darüber entstand im Abgeordnetenhaus« eine lebhafte Debatte; man warf die Frage auf, ob nicht an Stelle des principiellen Ver> hotes lieber die' jedesmalige Genehmigung der Staatsregierung supplirt wer¬ den solle, und hob den Rechtsboden hervor, den schon eine Verordnung von 1868 geschaffen hatte. Der damalige Beschluß des Abgeordnetenhauses ward von der ersten Kammer nicht angenommen, und jener, den die erste Kammer an dessen Stelle setzte, nicht von der zweiten. Oben und unten gab es scharfe Reden, bei denen sich besonders der Abgeordnete Fischer (als Referent) her¬ vorthat; endlich gaben die Reichsrathe, „um doch das Princip zu retten", nach, und so wurde über den Antrag Gesammtbeschluß erzielt. Derselbe gipfelte darin, man möge den König bitten, anzuordnen, daß den Beamten und öffentlichen Dienern verboten < werde: l) an einem sogenannten Gründer- consortium Theil zu nehmen, das den Theilnehmern unabhängig vom Be¬ triebe einen besondern Gründerlohn gewährt; 2) sich an der Betriebsleitung eines Erwerbsgeschäftes zu betheiligen, das denselben in Kollision mit seinen Staatsdienerpflichten bringen könnte, und 3) die mittelbar oder unmittelbar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/276>, abgerufen am 22.07.2024.