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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Scheit ertheilt und von diesen sollen hier noch einige der wichtigsten berührt
werden.

Die Wünsche werden zu den Ressorts der einzelnen Ministerien eingebracht,
und so konnte es denn nicht fehlen, daß bei dem Budget für Cultus auch
der kirchliche Conflict einigermaßen in Rede kam. Es geschah sachte, aber es
geschah. Als Aequivalent für die weiten Zugeständnisse, die man der Uni¬
versität gemacht hatte, forderten die "Patrioten", daß in München ein Lehr¬
stuhl für Philosophie und einer für Kirchengeschichte errichtet werden folle,
der es den Bischöfen ermögliche, auch ihre theologischen Kandidaten dorthin
zu schicken; die erstere Professur ward auch für Würzburg postulirt.

Sieht man sich diesen Antrag bei Lichte an, so erscheint es heutzutage
doch eigentlich unbescheiden, eine Philosophie zu verlangen, die expreß für
Theologen zugerichtet ist und ihr eignes Wesen ebenso weit negirt, als sie den
theologischen Sonderzwecken nachgiebt. Einen solchen Mischling mit
schwerem Gelde zu erhalten, kann doch vom Staate kaum verlangt werden.
Eher läßt sich dieser Parteistandpunkt auf die historischen Fächer anwenden,
da Geschichte mit Politik so tief verknüpft ist, daß auch die Auffassung der
Vergangenheit unter die scharfen Gegensätze der Jetztzeit fällt. Somit hat
der Wunsch allerdings einige Berechtigung, daß auch die Kirchengeschichte von
zwei verschiedenen Lehrern docirt werde; allein da die Kammer ihrem
Wunsche nicht zugleich die Mittel beigefügt, so scheint es noch mehr auf die
Beseitigung des bisherigen als auf die Ernennung des folgenden Lehrers ab¬
gesehen; an Stelle Döllingers, nicht neben demselben, möchten die Klerikalen,
wenn sie ehrlich sind, ihren Mann sehen. Doch scheint diese Spitze weniger
empfunden worden zu sein; als die Sache in der Kammer zur Sprache kam,
hielt man sich lediglich an die Parität zwischen den beiden katholischen Par¬
teien. Sonst wäre es wohl nicht möglich gewesen, daß auch die Liberalen
zum großen Theile mit den Klerikalen votirten. Um jedes Mißverständniß
zu verhüten, erwähnen wir noch einmal, es erging kein eigner Beschluß der
Kammer, der diese dem Ministerium zustehende Besetzung usurpirt hätte, son¬
dern lediglich ein x<zr in^ora constatirter Wunsch, daß das Ministerium
nach diesen Gesichtspunkten in der Sache verfahren möge. In der Antwort,
die der Landtagsabschied hierauf ertheilt, wird das Princip vollkommen an¬
erkannt und Auftrag gegeben, zu dessen Vollziehung das Erforderliche einzu¬
leiten. Ablehnender verhält sich derselbe gegen die beigefügte Bitte, daß der
akademische Gottesdienst in München durch einen römisch-katholischen Priester
wieder aufgenommen werden solle.

Eine Reihe von Wünschen und Anträgen, deren Gewährung oder wenig¬
stens sorgsame Erwägung versprochen wurde, bezieht sich auf Reformen der


Scheit ertheilt und von diesen sollen hier noch einige der wichtigsten berührt
werden.

Die Wünsche werden zu den Ressorts der einzelnen Ministerien eingebracht,
und so konnte es denn nicht fehlen, daß bei dem Budget für Cultus auch
der kirchliche Conflict einigermaßen in Rede kam. Es geschah sachte, aber es
geschah. Als Aequivalent für die weiten Zugeständnisse, die man der Uni¬
versität gemacht hatte, forderten die „Patrioten", daß in München ein Lehr¬
stuhl für Philosophie und einer für Kirchengeschichte errichtet werden folle,
der es den Bischöfen ermögliche, auch ihre theologischen Kandidaten dorthin
zu schicken; die erstere Professur ward auch für Würzburg postulirt.

Sieht man sich diesen Antrag bei Lichte an, so erscheint es heutzutage
doch eigentlich unbescheiden, eine Philosophie zu verlangen, die expreß für
Theologen zugerichtet ist und ihr eignes Wesen ebenso weit negirt, als sie den
theologischen Sonderzwecken nachgiebt. Einen solchen Mischling mit
schwerem Gelde zu erhalten, kann doch vom Staate kaum verlangt werden.
Eher läßt sich dieser Parteistandpunkt auf die historischen Fächer anwenden,
da Geschichte mit Politik so tief verknüpft ist, daß auch die Auffassung der
Vergangenheit unter die scharfen Gegensätze der Jetztzeit fällt. Somit hat
der Wunsch allerdings einige Berechtigung, daß auch die Kirchengeschichte von
zwei verschiedenen Lehrern docirt werde; allein da die Kammer ihrem
Wunsche nicht zugleich die Mittel beigefügt, so scheint es noch mehr auf die
Beseitigung des bisherigen als auf die Ernennung des folgenden Lehrers ab¬
gesehen; an Stelle Döllingers, nicht neben demselben, möchten die Klerikalen,
wenn sie ehrlich sind, ihren Mann sehen. Doch scheint diese Spitze weniger
empfunden worden zu sein; als die Sache in der Kammer zur Sprache kam,
hielt man sich lediglich an die Parität zwischen den beiden katholischen Par¬
teien. Sonst wäre es wohl nicht möglich gewesen, daß auch die Liberalen
zum großen Theile mit den Klerikalen votirten. Um jedes Mißverständniß
zu verhüten, erwähnen wir noch einmal, es erging kein eigner Beschluß der
Kammer, der diese dem Ministerium zustehende Besetzung usurpirt hätte, son¬
dern lediglich ein x<zr in^ora constatirter Wunsch, daß das Ministerium
nach diesen Gesichtspunkten in der Sache verfahren möge. In der Antwort,
die der Landtagsabschied hierauf ertheilt, wird das Princip vollkommen an¬
erkannt und Auftrag gegeben, zu dessen Vollziehung das Erforderliche einzu¬
leiten. Ablehnender verhält sich derselbe gegen die beigefügte Bitte, daß der
akademische Gottesdienst in München durch einen römisch-katholischen Priester
wieder aufgenommen werden solle.

Eine Reihe von Wünschen und Anträgen, deren Gewährung oder wenig¬
stens sorgsame Erwägung versprochen wurde, bezieht sich auf Reformen der


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[0275] Scheit ertheilt und von diesen sollen hier noch einige der wichtigsten berührt werden. Die Wünsche werden zu den Ressorts der einzelnen Ministerien eingebracht, und so konnte es denn nicht fehlen, daß bei dem Budget für Cultus auch der kirchliche Conflict einigermaßen in Rede kam. Es geschah sachte, aber es geschah. Als Aequivalent für die weiten Zugeständnisse, die man der Uni¬ versität gemacht hatte, forderten die „Patrioten", daß in München ein Lehr¬ stuhl für Philosophie und einer für Kirchengeschichte errichtet werden folle, der es den Bischöfen ermögliche, auch ihre theologischen Kandidaten dorthin zu schicken; die erstere Professur ward auch für Würzburg postulirt. Sieht man sich diesen Antrag bei Lichte an, so erscheint es heutzutage doch eigentlich unbescheiden, eine Philosophie zu verlangen, die expreß für Theologen zugerichtet ist und ihr eignes Wesen ebenso weit negirt, als sie den theologischen Sonderzwecken nachgiebt. Einen solchen Mischling mit schwerem Gelde zu erhalten, kann doch vom Staate kaum verlangt werden. Eher läßt sich dieser Parteistandpunkt auf die historischen Fächer anwenden, da Geschichte mit Politik so tief verknüpft ist, daß auch die Auffassung der Vergangenheit unter die scharfen Gegensätze der Jetztzeit fällt. Somit hat der Wunsch allerdings einige Berechtigung, daß auch die Kirchengeschichte von zwei verschiedenen Lehrern docirt werde; allein da die Kammer ihrem Wunsche nicht zugleich die Mittel beigefügt, so scheint es noch mehr auf die Beseitigung des bisherigen als auf die Ernennung des folgenden Lehrers ab¬ gesehen; an Stelle Döllingers, nicht neben demselben, möchten die Klerikalen, wenn sie ehrlich sind, ihren Mann sehen. Doch scheint diese Spitze weniger empfunden worden zu sein; als die Sache in der Kammer zur Sprache kam, hielt man sich lediglich an die Parität zwischen den beiden katholischen Par¬ teien. Sonst wäre es wohl nicht möglich gewesen, daß auch die Liberalen zum großen Theile mit den Klerikalen votirten. Um jedes Mißverständniß zu verhüten, erwähnen wir noch einmal, es erging kein eigner Beschluß der Kammer, der diese dem Ministerium zustehende Besetzung usurpirt hätte, son¬ dern lediglich ein x<zr in^ora constatirter Wunsch, daß das Ministerium nach diesen Gesichtspunkten in der Sache verfahren möge. In der Antwort, die der Landtagsabschied hierauf ertheilt, wird das Princip vollkommen an¬ erkannt und Auftrag gegeben, zu dessen Vollziehung das Erforderliche einzu¬ leiten. Ablehnender verhält sich derselbe gegen die beigefügte Bitte, daß der akademische Gottesdienst in München durch einen römisch-katholischen Priester wieder aufgenommen werden solle. Eine Reihe von Wünschen und Anträgen, deren Gewährung oder wenig¬ stens sorgsame Erwägung versprochen wurde, bezieht sich auf Reformen der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/275>, abgerufen am 22.07.2024.