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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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lich zum Verderben." "Mögen Fürsten und Herren besonders über Vorträge
der Geschichte auch schon in Gymnasien, dann auf Lieeen und Hochschulen
eine sorgsame Wache aufstellen, da dieser Lehrgegenstand ihren Thronen höchst
verderbliches Geschoß schmieden kann und schon geschmiedet hat. Geschichte, übel
traktiret, wie sie mehrere Decennien hindurch traktirt worden ist, ist eine der
giftigsten Pfützen des Liberalismus, eine tüchtige Schule der Liberalen, um die
jungen Leute zu wüthenden Revolutionsmännern zu machen."*)

Ein Bild von dem jesuitischen Geschichtsunterricht bietet uns ein
Citat aus dem historischen Lehrbuch, das im vorigen Jahrhundert auf den
Jesuitengymnasien gebraucht wurde und das der Landshuter Lehrplan rühmt
und empfiehlt: "Im Jahre 1321 hat Kaiser KarolusV. aus dem Reichstag
zu Worms, um das vom Papst gefällte Urtheil zu vollziehen, mit Beistim¬
mung der übrigen Reichsstände den Luther als einen, der kein Mensch, son¬
dern der Teufel in menschlicher Gestalt, welcher zum Verderben des mensch¬
lichen Geschlechts den Unflat und Kehrrath der vorlängst verworfenen Käzereien
gleichsam in ein Schindgrub zusammengeschüttet und unter dem Namen der
evangelischen Bekenntniß allen Frieden und evangelische Liebe zu zerstören und
gänzlich zu vertilgen sich bemüht, in die Reichsacht erklärt und dessen als eines
verstocktesten Käzers pestilenzische Schriften und Bücher öffentlich zu verbrennen
befohlen."**) In etwas, aber immer noch in sehr geringem Maße läßt der
Lehrplan des Jesuiteninstituts zu Freiburg in der Schweiz von 1834 der Ge¬
schichte ihr Recht. Ausführlich wird nur gelehrt heilige Geschichte, Kirchenge¬
schichte, alte Geschichte und Abriß der Mythologie, römische Geschichte, Ge¬
schichte von Frankreich und der Schweiz, also vaterländische Geschichte. Außer¬
dem wird nur ein chronologischer Ueberblick der alten und neuen Weltgeschichte
gegeben.***) Eine eingehende Beschäftigung also mit dem Mittelalter und der
neueren Zeit, insofern nicht Frankreich und die Schweiz in Betracht kommen,
findet nicht statt. Umfangreicher wird der geographische Lehrstoff mitge¬
theilt, wie es scheint, den Anforderungen an ein Gymnasium entsprechend.
Auch in Bezug auf die Mathematik befriedigt das Freiburger Institut bil¬
lige Ansprüche, die Naturwissenschaften freilich fanden keine Stelle. Ge¬
gen diese hegen die Jesuiten starke Antipathien, wie sie denn der General Bekx
1854 wegen ihrer Beschäftigung mit Dingen der äußeren Welt selbst für ma¬
terielle Wissenschaften erklärt hat. Nur die Mathematik hat Gnade vor den
Augen der Jesuiten gefunden. Freilich der Landshuter Lehrplan hat auch
diese arg mißhandelt, wenn er den Lehrstoff auf vier bis fünf Jahre vertheilt,
aber ihn in jedem Jahr nur in dem Hundstagswochen behandelt wissen will.5)






-) Welcker. Das Schulwesen der Jesuiten. Holle 1863. S. 101.
"
) ZimaKbl a. ni. O. S, 157.
f) Welcker a. a. O. S. 162.
Welcker a. a. O. S. 15!>.

lich zum Verderben." „Mögen Fürsten und Herren besonders über Vorträge
der Geschichte auch schon in Gymnasien, dann auf Lieeen und Hochschulen
eine sorgsame Wache aufstellen, da dieser Lehrgegenstand ihren Thronen höchst
verderbliches Geschoß schmieden kann und schon geschmiedet hat. Geschichte, übel
traktiret, wie sie mehrere Decennien hindurch traktirt worden ist, ist eine der
giftigsten Pfützen des Liberalismus, eine tüchtige Schule der Liberalen, um die
jungen Leute zu wüthenden Revolutionsmännern zu machen."*)

Ein Bild von dem jesuitischen Geschichtsunterricht bietet uns ein
Citat aus dem historischen Lehrbuch, das im vorigen Jahrhundert auf den
Jesuitengymnasien gebraucht wurde und das der Landshuter Lehrplan rühmt
und empfiehlt: „Im Jahre 1321 hat Kaiser KarolusV. aus dem Reichstag
zu Worms, um das vom Papst gefällte Urtheil zu vollziehen, mit Beistim¬
mung der übrigen Reichsstände den Luther als einen, der kein Mensch, son¬
dern der Teufel in menschlicher Gestalt, welcher zum Verderben des mensch¬
lichen Geschlechts den Unflat und Kehrrath der vorlängst verworfenen Käzereien
gleichsam in ein Schindgrub zusammengeschüttet und unter dem Namen der
evangelischen Bekenntniß allen Frieden und evangelische Liebe zu zerstören und
gänzlich zu vertilgen sich bemüht, in die Reichsacht erklärt und dessen als eines
verstocktesten Käzers pestilenzische Schriften und Bücher öffentlich zu verbrennen
befohlen."**) In etwas, aber immer noch in sehr geringem Maße läßt der
Lehrplan des Jesuiteninstituts zu Freiburg in der Schweiz von 1834 der Ge¬
schichte ihr Recht. Ausführlich wird nur gelehrt heilige Geschichte, Kirchenge¬
schichte, alte Geschichte und Abriß der Mythologie, römische Geschichte, Ge¬
schichte von Frankreich und der Schweiz, also vaterländische Geschichte. Außer¬
dem wird nur ein chronologischer Ueberblick der alten und neuen Weltgeschichte
gegeben.***) Eine eingehende Beschäftigung also mit dem Mittelalter und der
neueren Zeit, insofern nicht Frankreich und die Schweiz in Betracht kommen,
findet nicht statt. Umfangreicher wird der geographische Lehrstoff mitge¬
theilt, wie es scheint, den Anforderungen an ein Gymnasium entsprechend.
Auch in Bezug auf die Mathematik befriedigt das Freiburger Institut bil¬
lige Ansprüche, die Naturwissenschaften freilich fanden keine Stelle. Ge¬
gen diese hegen die Jesuiten starke Antipathien, wie sie denn der General Bekx
1854 wegen ihrer Beschäftigung mit Dingen der äußeren Welt selbst für ma¬
terielle Wissenschaften erklärt hat. Nur die Mathematik hat Gnade vor den
Augen der Jesuiten gefunden. Freilich der Landshuter Lehrplan hat auch
diese arg mißhandelt, wenn er den Lehrstoff auf vier bis fünf Jahre vertheilt,
aber ihn in jedem Jahr nur in dem Hundstagswochen behandelt wissen will.5)






-) Welcker. Das Schulwesen der Jesuiten. Holle 1863. S. 101.
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[0254] lich zum Verderben." „Mögen Fürsten und Herren besonders über Vorträge der Geschichte auch schon in Gymnasien, dann auf Lieeen und Hochschulen eine sorgsame Wache aufstellen, da dieser Lehrgegenstand ihren Thronen höchst verderbliches Geschoß schmieden kann und schon geschmiedet hat. Geschichte, übel traktiret, wie sie mehrere Decennien hindurch traktirt worden ist, ist eine der giftigsten Pfützen des Liberalismus, eine tüchtige Schule der Liberalen, um die jungen Leute zu wüthenden Revolutionsmännern zu machen."*) Ein Bild von dem jesuitischen Geschichtsunterricht bietet uns ein Citat aus dem historischen Lehrbuch, das im vorigen Jahrhundert auf den Jesuitengymnasien gebraucht wurde und das der Landshuter Lehrplan rühmt und empfiehlt: „Im Jahre 1321 hat Kaiser KarolusV. aus dem Reichstag zu Worms, um das vom Papst gefällte Urtheil zu vollziehen, mit Beistim¬ mung der übrigen Reichsstände den Luther als einen, der kein Mensch, son¬ dern der Teufel in menschlicher Gestalt, welcher zum Verderben des mensch¬ lichen Geschlechts den Unflat und Kehrrath der vorlängst verworfenen Käzereien gleichsam in ein Schindgrub zusammengeschüttet und unter dem Namen der evangelischen Bekenntniß allen Frieden und evangelische Liebe zu zerstören und gänzlich zu vertilgen sich bemüht, in die Reichsacht erklärt und dessen als eines verstocktesten Käzers pestilenzische Schriften und Bücher öffentlich zu verbrennen befohlen."**) In etwas, aber immer noch in sehr geringem Maße läßt der Lehrplan des Jesuiteninstituts zu Freiburg in der Schweiz von 1834 der Ge¬ schichte ihr Recht. Ausführlich wird nur gelehrt heilige Geschichte, Kirchenge¬ schichte, alte Geschichte und Abriß der Mythologie, römische Geschichte, Ge¬ schichte von Frankreich und der Schweiz, also vaterländische Geschichte. Außer¬ dem wird nur ein chronologischer Ueberblick der alten und neuen Weltgeschichte gegeben.***) Eine eingehende Beschäftigung also mit dem Mittelalter und der neueren Zeit, insofern nicht Frankreich und die Schweiz in Betracht kommen, findet nicht statt. Umfangreicher wird der geographische Lehrstoff mitge¬ theilt, wie es scheint, den Anforderungen an ein Gymnasium entsprechend. Auch in Bezug auf die Mathematik befriedigt das Freiburger Institut bil¬ lige Ansprüche, die Naturwissenschaften freilich fanden keine Stelle. Ge¬ gen diese hegen die Jesuiten starke Antipathien, wie sie denn der General Bekx 1854 wegen ihrer Beschäftigung mit Dingen der äußeren Welt selbst für ma¬ terielle Wissenschaften erklärt hat. Nur die Mathematik hat Gnade vor den Augen der Jesuiten gefunden. Freilich der Landshuter Lehrplan hat auch diese arg mißhandelt, wenn er den Lehrstoff auf vier bis fünf Jahre vertheilt, aber ihn in jedem Jahr nur in dem Hundstagswochen behandelt wissen will.5) -) Welcker. Das Schulwesen der Jesuiten. Holle 1863. S. 101. " ) ZimaKbl a. ni. O. S, 157. f) Welcker a. a. O. S. 162. Welcker a. a. O. S. 15!>.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/254>, abgerufen am 22.07.2024.