vorgetragen, sie soll auf dem Gymnasium absolvirt sein. Ebenso wenig findet eine Vorlesung über allgemeine Weltgeschichte statt, also die sprachlichen und historischen Disciplinen finden keine Vertretung. Doch thun wir den Jesuiten nicht Unrecht. Im tüollöFium liomarmm werden kurze Biographien der, Päpste aus einem lateinischen Compendium gelernt. Darin besteht der histo¬ rische Unterricht!*) Dagegen wollen wir anerkennen, daß die Naturwissen¬ schaften aus der Jesuitenuniversität in Rom größere Berücksichtigung gefunden haben. Aber, wie gesagt, im Großen und Ganzen war die philosophische Facultät nur dazu bestimmt, philosophische Studien im engsten Sinne zu pflegen. Der Philosoph des Mittelalters war Aristoteles, der Philosoph der Jesuiten ist Aristoteles geblieben. Aber das ist nicht der Aristoteles, von dem die Philosophie nie aufhören wird zu lernen, der Aristoteles, zu dessen Ver¬ ständniß jeglicher Beitrag erwünscht kommt, sondern der Aristoteles, wie die Scholastik ihn ausgelegt und verwerthet hat. Unchristliche Interpreten des Aristoteles soll der Lehrer wo möglich weder lesen noch ihre Meinungen vor¬ tragen, auf jeden Fall die Schüler davor hüten, daß sie irgend welche Vorliebe für sie fassen. Thomas von Aquino dagegen soll als der authentische Inter¬ pret des Aristoteles betrachtet werden. Und daß jede Gefahr vermieden werde, sollen wenn irgend möglich zu Lehrern der Philosophie nur durchge¬ bildete Theologen gewählt werden. So war denn das Studium der Philo¬ sophie in enge Umzäunung eingeschlossen, die jeden freieren Luftzug kritischen Geistes, jede Abweichung von der überlieferten kirchlichen Lehre fern hielt. Jetzt ist einige Veränderung eingetreten, die Auslegung des Aristoteles ist durch ein eigenes Lehrbuch der Jesuiten ersetzt worden. Der philosophische Unterricht wird aber schwerlich in anderem Geiste gegeben. Der Zögling des Lotte-gium Romanum charakterisirt ihn so: "Das Latein, welches gesprochen wurde, war mit seltenen Ausnahmen sogenanntes Küchenlatein, eingezwängt in die syllogistische Form, und überladen mit all den unvermeidlichen Kunst¬ ausdrücken, deren Klang einem wirklich lateinischen Ohre unerträglich ist. Die Form des Vortrags war die dogmatische oder synthetische. Es wurden Thesen aufgestellt, und, so gut es ging, durch Syllogismen erwiesen, dann wurden die etwaigen Einwürfe vorgebracht und widerlegt.**)
Ist es uns gelungen, den Nachweis zu führen, daß die Universitätsstu¬ dien der Jesuiten das Stadium kaum verlassen haben, das sie im Mittelalter erreicht hatten, so wird uns die Untersuchung des Lehrplans der jesuitischen Gymnasien überführen, daß sie auf diesem Gebiete nicht minder dem Geist der Stabilität huldigen. Der fundamentale wissenschaftliche Unterricht des
') Zirngiebl, Studien über das Institut der Gesellschaft Jesu. Leipzig 1870. S. 215.
") Erinnerungen S. 256.
vorgetragen, sie soll auf dem Gymnasium absolvirt sein. Ebenso wenig findet eine Vorlesung über allgemeine Weltgeschichte statt, also die sprachlichen und historischen Disciplinen finden keine Vertretung. Doch thun wir den Jesuiten nicht Unrecht. Im tüollöFium liomarmm werden kurze Biographien der, Päpste aus einem lateinischen Compendium gelernt. Darin besteht der histo¬ rische Unterricht!*) Dagegen wollen wir anerkennen, daß die Naturwissen¬ schaften aus der Jesuitenuniversität in Rom größere Berücksichtigung gefunden haben. Aber, wie gesagt, im Großen und Ganzen war die philosophische Facultät nur dazu bestimmt, philosophische Studien im engsten Sinne zu pflegen. Der Philosoph des Mittelalters war Aristoteles, der Philosoph der Jesuiten ist Aristoteles geblieben. Aber das ist nicht der Aristoteles, von dem die Philosophie nie aufhören wird zu lernen, der Aristoteles, zu dessen Ver¬ ständniß jeglicher Beitrag erwünscht kommt, sondern der Aristoteles, wie die Scholastik ihn ausgelegt und verwerthet hat. Unchristliche Interpreten des Aristoteles soll der Lehrer wo möglich weder lesen noch ihre Meinungen vor¬ tragen, auf jeden Fall die Schüler davor hüten, daß sie irgend welche Vorliebe für sie fassen. Thomas von Aquino dagegen soll als der authentische Inter¬ pret des Aristoteles betrachtet werden. Und daß jede Gefahr vermieden werde, sollen wenn irgend möglich zu Lehrern der Philosophie nur durchge¬ bildete Theologen gewählt werden. So war denn das Studium der Philo¬ sophie in enge Umzäunung eingeschlossen, die jeden freieren Luftzug kritischen Geistes, jede Abweichung von der überlieferten kirchlichen Lehre fern hielt. Jetzt ist einige Veränderung eingetreten, die Auslegung des Aristoteles ist durch ein eigenes Lehrbuch der Jesuiten ersetzt worden. Der philosophische Unterricht wird aber schwerlich in anderem Geiste gegeben. Der Zögling des Lotte-gium Romanum charakterisirt ihn so: „Das Latein, welches gesprochen wurde, war mit seltenen Ausnahmen sogenanntes Küchenlatein, eingezwängt in die syllogistische Form, und überladen mit all den unvermeidlichen Kunst¬ ausdrücken, deren Klang einem wirklich lateinischen Ohre unerträglich ist. Die Form des Vortrags war die dogmatische oder synthetische. Es wurden Thesen aufgestellt, und, so gut es ging, durch Syllogismen erwiesen, dann wurden die etwaigen Einwürfe vorgebracht und widerlegt.**)
Ist es uns gelungen, den Nachweis zu führen, daß die Universitätsstu¬ dien der Jesuiten das Stadium kaum verlassen haben, das sie im Mittelalter erreicht hatten, so wird uns die Untersuchung des Lehrplans der jesuitischen Gymnasien überführen, daß sie auf diesem Gebiete nicht minder dem Geist der Stabilität huldigen. Der fundamentale wissenschaftliche Unterricht des
') Zirngiebl, Studien über das Institut der Gesellschaft Jesu. Leipzig 1870. S. 215.
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vorgetragen, sie soll auf dem Gymnasium absolvirt sein. Ebenso wenig findet
eine Vorlesung über allgemeine Weltgeschichte statt, also die sprachlichen und
historischen Disciplinen finden keine Vertretung. Doch thun wir den Jesuiten
nicht Unrecht. Im tüollöFium liomarmm werden kurze Biographien der,
Päpste aus einem lateinischen Compendium gelernt. Darin besteht der histo¬
rische Unterricht!*) Dagegen wollen wir anerkennen, daß die Naturwissen¬
schaften aus der Jesuitenuniversität in Rom größere Berücksichtigung gefunden
haben. Aber, wie gesagt, im Großen und Ganzen war die philosophische
Facultät nur dazu bestimmt, philosophische Studien im engsten Sinne zu
pflegen. Der Philosoph des Mittelalters war Aristoteles, der Philosoph der
Jesuiten ist Aristoteles geblieben. Aber das ist nicht der Aristoteles, von dem
die Philosophie nie aufhören wird zu lernen, der Aristoteles, zu dessen Ver¬
ständniß jeglicher Beitrag erwünscht kommt, sondern der Aristoteles, wie die
Scholastik ihn ausgelegt und verwerthet hat. Unchristliche Interpreten des
Aristoteles soll der Lehrer wo möglich weder lesen noch ihre Meinungen vor¬
tragen, auf jeden Fall die Schüler davor hüten, daß sie irgend welche Vorliebe
für sie fassen. Thomas von Aquino dagegen soll als der authentische Inter¬
pret des Aristoteles betrachtet werden. Und daß jede Gefahr vermieden
werde, sollen wenn irgend möglich zu Lehrern der Philosophie nur durchge¬
bildete Theologen gewählt werden. So war denn das Studium der Philo¬
sophie in enge Umzäunung eingeschlossen, die jeden freieren Luftzug kritischen
Geistes, jede Abweichung von der überlieferten kirchlichen Lehre fern hielt.
Jetzt ist einige Veränderung eingetreten, die Auslegung des Aristoteles ist
durch ein eigenes Lehrbuch der Jesuiten ersetzt worden. Der philosophische
Unterricht wird aber schwerlich in anderem Geiste gegeben. Der Zögling des
Lotte-gium Romanum charakterisirt ihn so: „Das Latein, welches gesprochen
wurde, war mit seltenen Ausnahmen sogenanntes Küchenlatein, eingezwängt
in die syllogistische Form, und überladen mit all den unvermeidlichen Kunst¬
ausdrücken, deren Klang einem wirklich lateinischen Ohre unerträglich ist. Die
Form des Vortrags war die dogmatische oder synthetische. Es wurden Thesen
aufgestellt, und, so gut es ging, durch Syllogismen erwiesen, dann wurden
die etwaigen Einwürfe vorgebracht und widerlegt.**)
Ist es uns gelungen, den Nachweis zu führen, daß die Universitätsstu¬
dien der Jesuiten das Stadium kaum verlassen haben, das sie im Mittelalter
erreicht hatten, so wird uns die Untersuchung des Lehrplans der jesuitischen
Gymnasien überführen, daß sie auf diesem Gebiete nicht minder dem Geist
der Stabilität huldigen. Der fundamentale wissenschaftliche Unterricht des
') Zirngiebl, Studien über das Institut der Gesellschaft Jesu. Leipzig 1870. S. 215.
") Erinnerungen S. 256.
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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/252>, abgerufen am 06.01.2025.
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