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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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vereinigen sich, um sich bei ihren Arbeitseinstellungen zu unterstützen. Mögen
die Arbeitgeber sich vereinigen, um diesen Coalitionen Widerstand zu leisten.
An dem Tage, wo sie stets entschlossen sein werden, sich unter einander ebenso
thatkräftig Beistand zu leisten, wie die Arbeiter sich einander Beistand leisten,
werden sie die Stärkeren sein. In England sind die Arbeitseinstellungen,
seit die Fabrikanten dahin gelangt sind, ihre Coalitionen denen der Arbeiter
entgegenzustellen, sehr viel weniger zahlreich geworden (und meist mit Ueber¬
einkünften, die beide Theile befriedigten, beschlossen worden, setzen wir hinzu,
indem wir nochmals auf die soeben erschienene lehrreiche Schrift: "Zur Ge¬
schichte der englischen Arbeiterbewegung im Jahre 1871, Leipzig, Verlag von
Duncker und Humblot" hinweisen). In Genf haben die Chefs der Bauhand¬
werker dasselbe System adoptirt und sofort ihre Arbeiten eingestellt, als der
von langer Hand her vorbereitete Greve der Bleigießer ausbrach. Als die
Bleigießer nicht mehr auf die Unterstützungen rechnen konnten, welche ihnen
ihre Kameraden von den andern Gewerken versprochen hatten, da diese deren
selbst bedurften, waren die Pläne der Führer gestört, und trotz aller Be¬
mühungen der Internationalen mußten die Sinkenden nachgeben und -- ohne
Zweifel verdrießlich, aber doch besiegt -- auf die Arbeitsplätze zurückkehren,
auf welche sie sich nur als Sieger wiederzukommen geschmeichelt hatten."

Der Bund, welcher die Arbeitgeber angreift, ist international. Möge
der, welchen diese zu ihrer Vertheidigung schließen sollten, ebenfalls ein über
die Grenzen der Nationalität hinausreichender Bund sein. An dem Tage, wo
alle Capitalien sich von einem Ende Europas bis zum andern zur Verthei¬
digung vereint haben, werden sie auch vor dem größten Arbeiterbunde nichts
zu fürchten haben, und statt uns Gedanken zu machen, daß sie unterliegen
könnten, wird uns nur übrig bleiben, sie zur Mäßigung im Siege zu er¬
nähren.

Wenn diese Verbindung der Arbeitgeber und Capitalisten triumphirt hat,
so wird ihre erste Sorge sein müssen, sich gegen die Besiegten großmüthig
und wohlwollend zu zeigen, denen sie sich die Bitterkeit ihres Unterliegens
erträglich zu machen bemühen müssen. Die Arbeitgeber haben sich aber vor
Allem zu bestreben, ihren Arbeitern begreiflich zu machen, daß dieser Krieg
zwischen der Arbeit und dem Capital noch mehr ein Unsinn als ein Ver¬
brechen ist, daß die Interessen der beiden angeblichen Gegner dieselben sind,
daß der Arbeitgeber, der sich bestreben wollte, seine Arbeiter Hunger leiden
oder gar Hungers sterben zu lassen, ein ebenso großer Narr sein müßte, wie
der Arbeiter, der darauf käme, seinen Arbeitgeber zu Grunde zu richten, daß
beide dieselben Eigenschaften nöthig haben, daß Ordnungssinn, Sparsamkeit,
Thätigkeitstrieb und Befähigung zu richtigem Denken und Speculiren in sehr
vielen Fällen schon einen einfachen Arbeiter zum großen Fabrikherrn, zum


vereinigen sich, um sich bei ihren Arbeitseinstellungen zu unterstützen. Mögen
die Arbeitgeber sich vereinigen, um diesen Coalitionen Widerstand zu leisten.
An dem Tage, wo sie stets entschlossen sein werden, sich unter einander ebenso
thatkräftig Beistand zu leisten, wie die Arbeiter sich einander Beistand leisten,
werden sie die Stärkeren sein. In England sind die Arbeitseinstellungen,
seit die Fabrikanten dahin gelangt sind, ihre Coalitionen denen der Arbeiter
entgegenzustellen, sehr viel weniger zahlreich geworden (und meist mit Ueber¬
einkünften, die beide Theile befriedigten, beschlossen worden, setzen wir hinzu,
indem wir nochmals auf die soeben erschienene lehrreiche Schrift: „Zur Ge¬
schichte der englischen Arbeiterbewegung im Jahre 1871, Leipzig, Verlag von
Duncker und Humblot" hinweisen). In Genf haben die Chefs der Bauhand¬
werker dasselbe System adoptirt und sofort ihre Arbeiten eingestellt, als der
von langer Hand her vorbereitete Greve der Bleigießer ausbrach. Als die
Bleigießer nicht mehr auf die Unterstützungen rechnen konnten, welche ihnen
ihre Kameraden von den andern Gewerken versprochen hatten, da diese deren
selbst bedurften, waren die Pläne der Führer gestört, und trotz aller Be¬
mühungen der Internationalen mußten die Sinkenden nachgeben und — ohne
Zweifel verdrießlich, aber doch besiegt — auf die Arbeitsplätze zurückkehren,
auf welche sie sich nur als Sieger wiederzukommen geschmeichelt hatten."

Der Bund, welcher die Arbeitgeber angreift, ist international. Möge
der, welchen diese zu ihrer Vertheidigung schließen sollten, ebenfalls ein über
die Grenzen der Nationalität hinausreichender Bund sein. An dem Tage, wo
alle Capitalien sich von einem Ende Europas bis zum andern zur Verthei¬
digung vereint haben, werden sie auch vor dem größten Arbeiterbunde nichts
zu fürchten haben, und statt uns Gedanken zu machen, daß sie unterliegen
könnten, wird uns nur übrig bleiben, sie zur Mäßigung im Siege zu er¬
nähren.

Wenn diese Verbindung der Arbeitgeber und Capitalisten triumphirt hat,
so wird ihre erste Sorge sein müssen, sich gegen die Besiegten großmüthig
und wohlwollend zu zeigen, denen sie sich die Bitterkeit ihres Unterliegens
erträglich zu machen bemühen müssen. Die Arbeitgeber haben sich aber vor
Allem zu bestreben, ihren Arbeitern begreiflich zu machen, daß dieser Krieg
zwischen der Arbeit und dem Capital noch mehr ein Unsinn als ein Ver¬
brechen ist, daß die Interessen der beiden angeblichen Gegner dieselben sind,
daß der Arbeitgeber, der sich bestreben wollte, seine Arbeiter Hunger leiden
oder gar Hungers sterben zu lassen, ein ebenso großer Narr sein müßte, wie
der Arbeiter, der darauf käme, seinen Arbeitgeber zu Grunde zu richten, daß
beide dieselben Eigenschaften nöthig haben, daß Ordnungssinn, Sparsamkeit,
Thätigkeitstrieb und Befähigung zu richtigem Denken und Speculiren in sehr
vielen Fällen schon einen einfachen Arbeiter zum großen Fabrikherrn, zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/230>, abgerufen am 22.07.2024.