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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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schwerlich erleben werden, so kann die Internationale immerhin noch erheb¬
lichen Schaden anrichten, und es erhebt sich die Frage, wie läßt sich das ver¬
hüten ?

Wir können uns hier in allem Wesentlichen für Deutschland dem an¬
schließen, was Villetard den Franzosen empfiehlt, wenn er seine Schrift mit
folgenden Betrachtungen schließt:

"Das Mittel, welches auf den ersten Blick das einfachste zu sein scheint,
ist die Unterdrückung des Bundes. Wolle Gott nicht, daß man diesen schein-
bar so bequemen Weg wähle, der in Wahrheit ein verhängnißvoller ist. Zu¬
rücknahme des Gesetzes, welches die Coalitionen erlaubt, und Wiederher¬
stellung der Gesetzvaragraphen, welche die Arbeitseinstellungen untersagten, un¬
bedingtes Verbot des Versammlungs- und Vereinsrechtes, strenge Gesetze gegen
die Presse, das sind die einzigen Schranken, welche viele Leute heutzutage den
Fortschritten der Feinde der gesellschaftlichen Ordnung entgegenzustellen denken.
Ach, wir haben diese angeblichen Schranken schon aufgerichtet gesehen; sie
haben aber nur die wohlgesinnten Leute, welche gewissenhaft die Gesetze be¬
obachten, beschränkt und sie an verständigen Schritten gehindert; nicht einen
Augenblick aber haben sie die Andern aufgehalten, welche sich wenig Sorge
um die Gesetzlichkeit ihres Thuns machten und sich kaum vor dem Gefängniß
fürchteten.

Auf der einen Seite hat man sich aus Achtung vor dem Gesetz enthalten,
zusammenzutreten, um wichtige Fragen in Bezug auf Künste, Handel und
Gewerbe zu Nutz und Frommen derselben zu erörtern, auf der andern hat
man mit Mißachtung des Gesetzes geheime Conventikel gehalten, wo man den
Krieg gegen die bürgerliche Gesellschaft organisirte."

"Es ist also nicht der Staat, von dem wir Schutz gegen die Inter¬
nationale verlangen dürfen *), wir selbst müssen auf Mittel denken, mit denen
wir uns ganz allein vertheidigen können. Frankreich, wo sie das meiste Un¬
heil angerichtet hat, ist dasjenige Land, welches in dem Augenblicke, wo sie
gegründet wurde, sich fast gar keiner Freiheit erfreute. In den Staaten, wo
eine unbegrenzte Freiheit herrscht, in der Schweiz, in Belgien, in England,
hat sie sich darauf beschränken müssen, Arbeitseinstellungen zu organistren, die
manchmal gelungen sind, aber bisweilen auch scheiterten.

Ahnen wir die Belgier, die Schweizer und die Engländer nach. Be¬
kämpfen wir den Irrthum, indem wir ihm die Wahrheit entgegenstellen.
Aber vor allen Dingen organisiren wir uns für den Kampf. Die Arbeiter



-) Hier weichen wir insofern ab, als wir allerdings in der Ordnung finden würden, wenn
die Staaten sich verständigten, Verbrechen von Mitgliedern der Internationale, die in einem
Staate vorbereitet oder begangen werde", als alle Staaten betreffend zu behandeln, was die
Internationale schon durch ihren Namen rechtfertigt.

schwerlich erleben werden, so kann die Internationale immerhin noch erheb¬
lichen Schaden anrichten, und es erhebt sich die Frage, wie läßt sich das ver¬
hüten ?

Wir können uns hier in allem Wesentlichen für Deutschland dem an¬
schließen, was Villetard den Franzosen empfiehlt, wenn er seine Schrift mit
folgenden Betrachtungen schließt:

„Das Mittel, welches auf den ersten Blick das einfachste zu sein scheint,
ist die Unterdrückung des Bundes. Wolle Gott nicht, daß man diesen schein-
bar so bequemen Weg wähle, der in Wahrheit ein verhängnißvoller ist. Zu¬
rücknahme des Gesetzes, welches die Coalitionen erlaubt, und Wiederher¬
stellung der Gesetzvaragraphen, welche die Arbeitseinstellungen untersagten, un¬
bedingtes Verbot des Versammlungs- und Vereinsrechtes, strenge Gesetze gegen
die Presse, das sind die einzigen Schranken, welche viele Leute heutzutage den
Fortschritten der Feinde der gesellschaftlichen Ordnung entgegenzustellen denken.
Ach, wir haben diese angeblichen Schranken schon aufgerichtet gesehen; sie
haben aber nur die wohlgesinnten Leute, welche gewissenhaft die Gesetze be¬
obachten, beschränkt und sie an verständigen Schritten gehindert; nicht einen
Augenblick aber haben sie die Andern aufgehalten, welche sich wenig Sorge
um die Gesetzlichkeit ihres Thuns machten und sich kaum vor dem Gefängniß
fürchteten.

Auf der einen Seite hat man sich aus Achtung vor dem Gesetz enthalten,
zusammenzutreten, um wichtige Fragen in Bezug auf Künste, Handel und
Gewerbe zu Nutz und Frommen derselben zu erörtern, auf der andern hat
man mit Mißachtung des Gesetzes geheime Conventikel gehalten, wo man den
Krieg gegen die bürgerliche Gesellschaft organisirte."

„Es ist also nicht der Staat, von dem wir Schutz gegen die Inter¬
nationale verlangen dürfen *), wir selbst müssen auf Mittel denken, mit denen
wir uns ganz allein vertheidigen können. Frankreich, wo sie das meiste Un¬
heil angerichtet hat, ist dasjenige Land, welches in dem Augenblicke, wo sie
gegründet wurde, sich fast gar keiner Freiheit erfreute. In den Staaten, wo
eine unbegrenzte Freiheit herrscht, in der Schweiz, in Belgien, in England,
hat sie sich darauf beschränken müssen, Arbeitseinstellungen zu organistren, die
manchmal gelungen sind, aber bisweilen auch scheiterten.

Ahnen wir die Belgier, die Schweizer und die Engländer nach. Be¬
kämpfen wir den Irrthum, indem wir ihm die Wahrheit entgegenstellen.
Aber vor allen Dingen organisiren wir uns für den Kampf. Die Arbeiter



-) Hier weichen wir insofern ab, als wir allerdings in der Ordnung finden würden, wenn
die Staaten sich verständigten, Verbrechen von Mitgliedern der Internationale, die in einem
Staate vorbereitet oder begangen werde», als alle Staaten betreffend zu behandeln, was die
Internationale schon durch ihren Namen rechtfertigt.
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[0229] schwerlich erleben werden, so kann die Internationale immerhin noch erheb¬ lichen Schaden anrichten, und es erhebt sich die Frage, wie läßt sich das ver¬ hüten ? Wir können uns hier in allem Wesentlichen für Deutschland dem an¬ schließen, was Villetard den Franzosen empfiehlt, wenn er seine Schrift mit folgenden Betrachtungen schließt: „Das Mittel, welches auf den ersten Blick das einfachste zu sein scheint, ist die Unterdrückung des Bundes. Wolle Gott nicht, daß man diesen schein- bar so bequemen Weg wähle, der in Wahrheit ein verhängnißvoller ist. Zu¬ rücknahme des Gesetzes, welches die Coalitionen erlaubt, und Wiederher¬ stellung der Gesetzvaragraphen, welche die Arbeitseinstellungen untersagten, un¬ bedingtes Verbot des Versammlungs- und Vereinsrechtes, strenge Gesetze gegen die Presse, das sind die einzigen Schranken, welche viele Leute heutzutage den Fortschritten der Feinde der gesellschaftlichen Ordnung entgegenzustellen denken. Ach, wir haben diese angeblichen Schranken schon aufgerichtet gesehen; sie haben aber nur die wohlgesinnten Leute, welche gewissenhaft die Gesetze be¬ obachten, beschränkt und sie an verständigen Schritten gehindert; nicht einen Augenblick aber haben sie die Andern aufgehalten, welche sich wenig Sorge um die Gesetzlichkeit ihres Thuns machten und sich kaum vor dem Gefängniß fürchteten. Auf der einen Seite hat man sich aus Achtung vor dem Gesetz enthalten, zusammenzutreten, um wichtige Fragen in Bezug auf Künste, Handel und Gewerbe zu Nutz und Frommen derselben zu erörtern, auf der andern hat man mit Mißachtung des Gesetzes geheime Conventikel gehalten, wo man den Krieg gegen die bürgerliche Gesellschaft organisirte." „Es ist also nicht der Staat, von dem wir Schutz gegen die Inter¬ nationale verlangen dürfen *), wir selbst müssen auf Mittel denken, mit denen wir uns ganz allein vertheidigen können. Frankreich, wo sie das meiste Un¬ heil angerichtet hat, ist dasjenige Land, welches in dem Augenblicke, wo sie gegründet wurde, sich fast gar keiner Freiheit erfreute. In den Staaten, wo eine unbegrenzte Freiheit herrscht, in der Schweiz, in Belgien, in England, hat sie sich darauf beschränken müssen, Arbeitseinstellungen zu organistren, die manchmal gelungen sind, aber bisweilen auch scheiterten. Ahnen wir die Belgier, die Schweizer und die Engländer nach. Be¬ kämpfen wir den Irrthum, indem wir ihm die Wahrheit entgegenstellen. Aber vor allen Dingen organisiren wir uns für den Kampf. Die Arbeiter -) Hier weichen wir insofern ab, als wir allerdings in der Ordnung finden würden, wenn die Staaten sich verständigten, Verbrechen von Mitgliedern der Internationale, die in einem Staate vorbereitet oder begangen werde», als alle Staaten betreffend zu behandeln, was die Internationale schon durch ihren Namen rechtfertigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/229>, abgerufen am 22.12.2024.