Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

als Mitglieder der provisorischen Regierung aufgezwungen hatte, die Gewalt
in Lyon und Marseille in die Hände der niedrigsten Demagogie gefallen war.

Die Commune, welche in Lyon errichtet worden war, hatte mit Aus¬
steckung der rothen Fahne begonnen, die, wie man weiß, die der Internatio¬
nale ist. In Marseille fand dasselbe statt, und wenn Labadie, der von der
provisorischen Stadtregierung eingesetzte Präfect, dem Bunde ebenso wenig
angehörte, als Chalemel-Lacour, der von der Regierung der nationalen Ver¬
theidigung nach Lyon geschickte Präfect, so wurden diese beiden Beamten doch
durch eine Rotte von Leuten beherrscht, welche sehr andere Ziele als sie und
ihre Auftraggeber verfolgten. Wer sich der Geschichte jener Tage erinnert,
weiß, welche Rolle in Marseille die Gardes Civiques und in Lyon die Klub¬
bisten der Rotonde spielten. Nun aber waren die Gewaltmaßregeln, welche
diese Menschen, der Abschaum der beiden Städte, theils selbst ergriffen und
ausführten, theils den Präfecten aufnöthigten, fast in allen Stücken dieselben,
welche seit mehreren Jahren von den Rednern und Publicisten der Interna¬
tionale als das Heil der Welt verkündigt worden waren.

Die "Föderation der Commune", die in Lyon durch die Staatsmänner
der Rotonde decretirt wurde, ist die Grundlage der politischen Organisation,
welche der internationale Arbeiterbund verlangt. Die "Ligue du Midi", welche
in den Departements des Mittelmeerbeckens so viel von sich reden machte,
war, von einigen Variationen abgesehen, dasselbe wie jene berüchtigte Födera¬
tion. Die Parteigänger der Föderation und die Anhänger der Ligue thaten
sich um die Wette hervor durch ihren Haß gegen die regelmäßigen Armeen
und durch ihren Eifer in Verhaftung, Beschimpfung und Mißhandlung von
Generalen. Beide bewaffneten mit Gewalt die Leute, die sich unter ihrem
rothen Banner sammelten, aber weder die eine noch die andere dachte jemals
daran, sie gegen die Deutschen zu führen. Beide warfen sie später in den
Bürgerkrieg, beide versuchten, sich die Dienste des berüchtigten Generals Clu-
seret, des großen Taktikers der Internationale, zu Nutze zu machen, beide end¬
lich scheiterten nacheinander, als sie wirklich zum Kampfe schritten.

Können wir aus Mangel an ausreichenden Beweismitteln jetzt noch nicht
nachweisen, wie viel von den Wirren in den Departements der Rhone und
der Rhonemündungen auf die Rechnung der einen oder der andern Fraction
der demagogischen Partei, auf das Conto der Jacobiner oder der Internatio¬
nalen zu schreiben ist, so liegt doch aus der Hand, daß die Leute und die
Ideen der Internationale dabei eine große Rolle gespielt haben. In Betreff
der Leute ist daran zu erinnern, daß der Nachfolger Labadie's in der Präfec-
tur von Marseille, Delpech, am 4. September simpler Buchhalter und im
November General von Gambetta's Gnaden, ein Mitglied der Internatio¬
nale war.


als Mitglieder der provisorischen Regierung aufgezwungen hatte, die Gewalt
in Lyon und Marseille in die Hände der niedrigsten Demagogie gefallen war.

Die Commune, welche in Lyon errichtet worden war, hatte mit Aus¬
steckung der rothen Fahne begonnen, die, wie man weiß, die der Internatio¬
nale ist. In Marseille fand dasselbe statt, und wenn Labadie, der von der
provisorischen Stadtregierung eingesetzte Präfect, dem Bunde ebenso wenig
angehörte, als Chalemel-Lacour, der von der Regierung der nationalen Ver¬
theidigung nach Lyon geschickte Präfect, so wurden diese beiden Beamten doch
durch eine Rotte von Leuten beherrscht, welche sehr andere Ziele als sie und
ihre Auftraggeber verfolgten. Wer sich der Geschichte jener Tage erinnert,
weiß, welche Rolle in Marseille die Gardes Civiques und in Lyon die Klub¬
bisten der Rotonde spielten. Nun aber waren die Gewaltmaßregeln, welche
diese Menschen, der Abschaum der beiden Städte, theils selbst ergriffen und
ausführten, theils den Präfecten aufnöthigten, fast in allen Stücken dieselben,
welche seit mehreren Jahren von den Rednern und Publicisten der Interna¬
tionale als das Heil der Welt verkündigt worden waren.

Die „Föderation der Commune", die in Lyon durch die Staatsmänner
der Rotonde decretirt wurde, ist die Grundlage der politischen Organisation,
welche der internationale Arbeiterbund verlangt. Die „Ligue du Midi", welche
in den Departements des Mittelmeerbeckens so viel von sich reden machte,
war, von einigen Variationen abgesehen, dasselbe wie jene berüchtigte Födera¬
tion. Die Parteigänger der Föderation und die Anhänger der Ligue thaten
sich um die Wette hervor durch ihren Haß gegen die regelmäßigen Armeen
und durch ihren Eifer in Verhaftung, Beschimpfung und Mißhandlung von
Generalen. Beide bewaffneten mit Gewalt die Leute, die sich unter ihrem
rothen Banner sammelten, aber weder die eine noch die andere dachte jemals
daran, sie gegen die Deutschen zu führen. Beide warfen sie später in den
Bürgerkrieg, beide versuchten, sich die Dienste des berüchtigten Generals Clu-
seret, des großen Taktikers der Internationale, zu Nutze zu machen, beide end¬
lich scheiterten nacheinander, als sie wirklich zum Kampfe schritten.

Können wir aus Mangel an ausreichenden Beweismitteln jetzt noch nicht
nachweisen, wie viel von den Wirren in den Departements der Rhone und
der Rhonemündungen auf die Rechnung der einen oder der andern Fraction
der demagogischen Partei, auf das Conto der Jacobiner oder der Internatio¬
nalen zu schreiben ist, so liegt doch aus der Hand, daß die Leute und die
Ideen der Internationale dabei eine große Rolle gespielt haben. In Betreff
der Leute ist daran zu erinnern, daß der Nachfolger Labadie's in der Präfec-
tur von Marseille, Delpech, am 4. September simpler Buchhalter und im
November General von Gambetta's Gnaden, ein Mitglied der Internatio¬
nale war.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127630"/>
            <p xml:id="ID_719" prev="#ID_718"> als Mitglieder der provisorischen Regierung aufgezwungen hatte, die Gewalt<lb/>
in Lyon und Marseille in die Hände der niedrigsten Demagogie gefallen war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_720"> Die Commune, welche in Lyon errichtet worden war, hatte mit Aus¬<lb/>
steckung der rothen Fahne begonnen, die, wie man weiß, die der Internatio¬<lb/>
nale ist. In Marseille fand dasselbe statt, und wenn Labadie, der von der<lb/>
provisorischen Stadtregierung eingesetzte Präfect, dem Bunde ebenso wenig<lb/>
angehörte, als Chalemel-Lacour, der von der Regierung der nationalen Ver¬<lb/>
theidigung nach Lyon geschickte Präfect, so wurden diese beiden Beamten doch<lb/>
durch eine Rotte von Leuten beherrscht, welche sehr andere Ziele als sie und<lb/>
ihre Auftraggeber verfolgten. Wer sich der Geschichte jener Tage erinnert,<lb/>
weiß, welche Rolle in Marseille die Gardes Civiques und in Lyon die Klub¬<lb/>
bisten der Rotonde spielten. Nun aber waren die Gewaltmaßregeln, welche<lb/>
diese Menschen, der Abschaum der beiden Städte, theils selbst ergriffen und<lb/>
ausführten, theils den Präfecten aufnöthigten, fast in allen Stücken dieselben,<lb/>
welche seit mehreren Jahren von den Rednern und Publicisten der Interna¬<lb/>
tionale als das Heil der Welt verkündigt worden waren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_721"> Die &#x201E;Föderation der Commune", die in Lyon durch die Staatsmänner<lb/>
der Rotonde decretirt wurde, ist die Grundlage der politischen Organisation,<lb/>
welche der internationale Arbeiterbund verlangt. Die &#x201E;Ligue du Midi", welche<lb/>
in den Departements des Mittelmeerbeckens so viel von sich reden machte,<lb/>
war, von einigen Variationen abgesehen, dasselbe wie jene berüchtigte Födera¬<lb/>
tion. Die Parteigänger der Föderation und die Anhänger der Ligue thaten<lb/>
sich um die Wette hervor durch ihren Haß gegen die regelmäßigen Armeen<lb/>
und durch ihren Eifer in Verhaftung, Beschimpfung und Mißhandlung von<lb/>
Generalen. Beide bewaffneten mit Gewalt die Leute, die sich unter ihrem<lb/>
rothen Banner sammelten, aber weder die eine noch die andere dachte jemals<lb/>
daran, sie gegen die Deutschen zu führen. Beide warfen sie später in den<lb/>
Bürgerkrieg, beide versuchten, sich die Dienste des berüchtigten Generals Clu-<lb/>
seret, des großen Taktikers der Internationale, zu Nutze zu machen, beide end¬<lb/>
lich scheiterten nacheinander, als sie wirklich zum Kampfe schritten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_722"> Können wir aus Mangel an ausreichenden Beweismitteln jetzt noch nicht<lb/>
nachweisen, wie viel von den Wirren in den Departements der Rhone und<lb/>
der Rhonemündungen auf die Rechnung der einen oder der andern Fraction<lb/>
der demagogischen Partei, auf das Conto der Jacobiner oder der Internatio¬<lb/>
nalen zu schreiben ist, so liegt doch aus der Hand, daß die Leute und die<lb/>
Ideen der Internationale dabei eine große Rolle gespielt haben. In Betreff<lb/>
der Leute ist daran zu erinnern, daß der Nachfolger Labadie's in der Präfec-<lb/>
tur von Marseille, Delpech, am 4. September simpler Buchhalter und im<lb/>
November General von Gambetta's Gnaden, ein Mitglied der Internatio¬<lb/>
nale war.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0218] als Mitglieder der provisorischen Regierung aufgezwungen hatte, die Gewalt in Lyon und Marseille in die Hände der niedrigsten Demagogie gefallen war. Die Commune, welche in Lyon errichtet worden war, hatte mit Aus¬ steckung der rothen Fahne begonnen, die, wie man weiß, die der Internatio¬ nale ist. In Marseille fand dasselbe statt, und wenn Labadie, der von der provisorischen Stadtregierung eingesetzte Präfect, dem Bunde ebenso wenig angehörte, als Chalemel-Lacour, der von der Regierung der nationalen Ver¬ theidigung nach Lyon geschickte Präfect, so wurden diese beiden Beamten doch durch eine Rotte von Leuten beherrscht, welche sehr andere Ziele als sie und ihre Auftraggeber verfolgten. Wer sich der Geschichte jener Tage erinnert, weiß, welche Rolle in Marseille die Gardes Civiques und in Lyon die Klub¬ bisten der Rotonde spielten. Nun aber waren die Gewaltmaßregeln, welche diese Menschen, der Abschaum der beiden Städte, theils selbst ergriffen und ausführten, theils den Präfecten aufnöthigten, fast in allen Stücken dieselben, welche seit mehreren Jahren von den Rednern und Publicisten der Interna¬ tionale als das Heil der Welt verkündigt worden waren. Die „Föderation der Commune", die in Lyon durch die Staatsmänner der Rotonde decretirt wurde, ist die Grundlage der politischen Organisation, welche der internationale Arbeiterbund verlangt. Die „Ligue du Midi", welche in den Departements des Mittelmeerbeckens so viel von sich reden machte, war, von einigen Variationen abgesehen, dasselbe wie jene berüchtigte Födera¬ tion. Die Parteigänger der Föderation und die Anhänger der Ligue thaten sich um die Wette hervor durch ihren Haß gegen die regelmäßigen Armeen und durch ihren Eifer in Verhaftung, Beschimpfung und Mißhandlung von Generalen. Beide bewaffneten mit Gewalt die Leute, die sich unter ihrem rothen Banner sammelten, aber weder die eine noch die andere dachte jemals daran, sie gegen die Deutschen zu führen. Beide warfen sie später in den Bürgerkrieg, beide versuchten, sich die Dienste des berüchtigten Generals Clu- seret, des großen Taktikers der Internationale, zu Nutze zu machen, beide end¬ lich scheiterten nacheinander, als sie wirklich zum Kampfe schritten. Können wir aus Mangel an ausreichenden Beweismitteln jetzt noch nicht nachweisen, wie viel von den Wirren in den Departements der Rhone und der Rhonemündungen auf die Rechnung der einen oder der andern Fraction der demagogischen Partei, auf das Conto der Jacobiner oder der Internatio¬ nalen zu schreiben ist, so liegt doch aus der Hand, daß die Leute und die Ideen der Internationale dabei eine große Rolle gespielt haben. In Betreff der Leute ist daran zu erinnern, daß der Nachfolger Labadie's in der Präfec- tur von Marseille, Delpech, am 4. September simpler Buchhalter und im November General von Gambetta's Gnaden, ein Mitglied der Internatio¬ nale war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/218
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/218>, abgerufen am 22.12.2024.