Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einzusehen, warum nicht jene Begriffe, z. B. der der Schenkung, der von Ver¬
äußerung überhaupt ze, dem Zuhörer gleich gedruckt vorgelegt wurden? Hier¬
durch wäre die ganze Zeit jener Rekapitulationen der Begriffe erspart, und
Zeit für noch eingehendere Entwickelungen gewonnen worden. Uebrigens
kann nach dem Vorgang der Vangerow'scheu Vorträge nicht genug empfohlen
werden, allen juristischen Vorlesungen sogenannte Grundrisse zu Grunde zu
legen; nur müssen sie mehr enthalten, als ein bloßes Paragraphen-Verzeichniß.
Als ein Muster-Grundriß zu akademischen Zwecken dürfte wohl der Wind-
scheid'sche Grundriß zu Pandekten-Vorlesungen (München 1862) hervorge¬
hoben werden, mit seiner vortrefflichen Auswahl von Quellen-Citaten und
betreffender Quellen-Chrestomatie, auch Drucklegung mancher Lehren, welche
der Zeitersparniß halber besser im Vortrage übergangen werden. Nur läßt sich
auch hier fragen, warum der Tert zu den Begriffen der in den Paragraphen
genannten Rechtsinstitute nicht auch mit gedruckt wurde?

Die in Obigem nun dargestellte Vangerow'sche Lehrmethode, mit dem
einzigen Zusätze einer weiteren Anwendung der Mittheilung von Gedruckten,
dürfte wohl bei allen juristischen Vorlesungen, mit Ausnahme der historischen,
mit größtem Nutzen anwendbar sein, da sie die Vortheile des mündlichen
Vertrags mit den durch die Buchdruckerkunst gebotenen in der glücklichsten
Weise vereinigt; möglich, daß sie die allerbeste Lehrmethode ist, was wir
aber nicht zu entscheiden wagen, da die Acten über diese ebenso schwierige,
als hochwichtige Frage noch keineswegs geschlossen sind; nur erübrigt hier
noch die Berührung einiger besonderen Punkte.

Im Verlaufe des Obigen wurde einigemale das Nachschreiben in Cur-
rent-Schrift betont. Hiebei fragt es sich zunächst, ob denn der Student
überhaupt nachschreiben soll? Wir antworten: er wird dies schon von selbst
thun, wenn der Vortrag Tüchtiges bietet, und das wird selbst der jüngste
Student gleich merken. Es ist aber auch wünschenswert!), daß er nachschreibt,
weil er dann stets bei der Sache sein wird. Er soll freilich nicht gedankenlos
nachschreiben wie bei dictirenden Vorträgen, sondern selbstthätig, denkend, das
Gehörte gewissermaßen reproduzirend. Aber warum in Current-Schrift
und nicht stenographisch? Weil bei letzterem der Mechanismus des Nieder¬
schreibens zu sehr die Aufmerksamkeit belegt, stenographisch Geschriebenes später
schwer zu entziffern ist, z. B. bei den Satzkürzungen, und namentlich bei künst¬
lichem Licht gelesen die Augen allzusehr angreift. ")

Connex mit der Frage nach der Schriftform ist die nach dem Tempo
des Vertrags, eine überhaupt für jeden öffentlichen Redner höchst wichtige.



') Diese Bedenken des Herrn Verfassers gegen die stenographische Niederschrift von Kolle¬
gienheften erscheine" nnr in dem Falle zutreffend, wenn entweder der Stenograph oder die
D. Red. stenographische Methode mangelhaft gebildet ist.

einzusehen, warum nicht jene Begriffe, z. B. der der Schenkung, der von Ver¬
äußerung überhaupt ze, dem Zuhörer gleich gedruckt vorgelegt wurden? Hier¬
durch wäre die ganze Zeit jener Rekapitulationen der Begriffe erspart, und
Zeit für noch eingehendere Entwickelungen gewonnen worden. Uebrigens
kann nach dem Vorgang der Vangerow'scheu Vorträge nicht genug empfohlen
werden, allen juristischen Vorlesungen sogenannte Grundrisse zu Grunde zu
legen; nur müssen sie mehr enthalten, als ein bloßes Paragraphen-Verzeichniß.
Als ein Muster-Grundriß zu akademischen Zwecken dürfte wohl der Wind-
scheid'sche Grundriß zu Pandekten-Vorlesungen (München 1862) hervorge¬
hoben werden, mit seiner vortrefflichen Auswahl von Quellen-Citaten und
betreffender Quellen-Chrestomatie, auch Drucklegung mancher Lehren, welche
der Zeitersparniß halber besser im Vortrage übergangen werden. Nur läßt sich
auch hier fragen, warum der Tert zu den Begriffen der in den Paragraphen
genannten Rechtsinstitute nicht auch mit gedruckt wurde?

Die in Obigem nun dargestellte Vangerow'sche Lehrmethode, mit dem
einzigen Zusätze einer weiteren Anwendung der Mittheilung von Gedruckten,
dürfte wohl bei allen juristischen Vorlesungen, mit Ausnahme der historischen,
mit größtem Nutzen anwendbar sein, da sie die Vortheile des mündlichen
Vertrags mit den durch die Buchdruckerkunst gebotenen in der glücklichsten
Weise vereinigt; möglich, daß sie die allerbeste Lehrmethode ist, was wir
aber nicht zu entscheiden wagen, da die Acten über diese ebenso schwierige,
als hochwichtige Frage noch keineswegs geschlossen sind; nur erübrigt hier
noch die Berührung einiger besonderen Punkte.

Im Verlaufe des Obigen wurde einigemale das Nachschreiben in Cur-
rent-Schrift betont. Hiebei fragt es sich zunächst, ob denn der Student
überhaupt nachschreiben soll? Wir antworten: er wird dies schon von selbst
thun, wenn der Vortrag Tüchtiges bietet, und das wird selbst der jüngste
Student gleich merken. Es ist aber auch wünschenswert!), daß er nachschreibt,
weil er dann stets bei der Sache sein wird. Er soll freilich nicht gedankenlos
nachschreiben wie bei dictirenden Vorträgen, sondern selbstthätig, denkend, das
Gehörte gewissermaßen reproduzirend. Aber warum in Current-Schrift
und nicht stenographisch? Weil bei letzterem der Mechanismus des Nieder¬
schreibens zu sehr die Aufmerksamkeit belegt, stenographisch Geschriebenes später
schwer zu entziffern ist, z. B. bei den Satzkürzungen, und namentlich bei künst¬
lichem Licht gelesen die Augen allzusehr angreift. ")

Connex mit der Frage nach der Schriftform ist die nach dem Tempo
des Vertrags, eine überhaupt für jeden öffentlichen Redner höchst wichtige.



') Diese Bedenken des Herrn Verfassers gegen die stenographische Niederschrift von Kolle¬
gienheften erscheine» nnr in dem Falle zutreffend, wenn entweder der Stenograph oder die
D. Red. stenographische Methode mangelhaft gebildet ist.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127641"/>
          <p xml:id="ID_703" prev="#ID_702"> einzusehen, warum nicht jene Begriffe, z. B. der der Schenkung, der von Ver¬<lb/>
äußerung überhaupt ze, dem Zuhörer gleich gedruckt vorgelegt wurden? Hier¬<lb/>
durch wäre die ganze Zeit jener Rekapitulationen der Begriffe erspart, und<lb/>
Zeit für noch eingehendere Entwickelungen gewonnen worden. Uebrigens<lb/>
kann nach dem Vorgang der Vangerow'scheu Vorträge nicht genug empfohlen<lb/>
werden, allen juristischen Vorlesungen sogenannte Grundrisse zu Grunde zu<lb/>
legen; nur müssen sie mehr enthalten, als ein bloßes Paragraphen-Verzeichniß.<lb/>
Als ein Muster-Grundriß zu akademischen Zwecken dürfte wohl der Wind-<lb/>
scheid'sche Grundriß zu Pandekten-Vorlesungen (München 1862) hervorge¬<lb/>
hoben werden, mit seiner vortrefflichen Auswahl von Quellen-Citaten und<lb/>
betreffender Quellen-Chrestomatie, auch Drucklegung mancher Lehren, welche<lb/>
der Zeitersparniß halber besser im Vortrage übergangen werden. Nur läßt sich<lb/>
auch hier fragen, warum der Tert zu den Begriffen der in den Paragraphen<lb/>
genannten Rechtsinstitute nicht auch mit gedruckt wurde?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_704"> Die in Obigem nun dargestellte Vangerow'sche Lehrmethode, mit dem<lb/>
einzigen Zusätze einer weiteren Anwendung der Mittheilung von Gedruckten,<lb/>
dürfte wohl bei allen juristischen Vorlesungen, mit Ausnahme der historischen,<lb/>
mit größtem Nutzen anwendbar sein, da sie die Vortheile des mündlichen<lb/>
Vertrags mit den durch die Buchdruckerkunst gebotenen in der glücklichsten<lb/>
Weise vereinigt; möglich, daß sie die allerbeste Lehrmethode ist, was wir<lb/>
aber nicht zu entscheiden wagen, da die Acten über diese ebenso schwierige,<lb/>
als hochwichtige Frage noch keineswegs geschlossen sind; nur erübrigt hier<lb/>
noch die Berührung einiger besonderen Punkte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_705"> Im Verlaufe des Obigen wurde einigemale das Nachschreiben in Cur-<lb/>
rent-Schrift betont. Hiebei fragt es sich zunächst, ob denn der Student<lb/>
überhaupt nachschreiben soll? Wir antworten: er wird dies schon von selbst<lb/>
thun, wenn der Vortrag Tüchtiges bietet, und das wird selbst der jüngste<lb/>
Student gleich merken. Es ist aber auch wünschenswert!), daß er nachschreibt,<lb/>
weil er dann stets bei der Sache sein wird. Er soll freilich nicht gedankenlos<lb/>
nachschreiben wie bei dictirenden Vorträgen, sondern selbstthätig, denkend, das<lb/>
Gehörte gewissermaßen reproduzirend. Aber warum in Current-Schrift<lb/>
und nicht stenographisch? Weil bei letzterem der Mechanismus des Nieder¬<lb/>
schreibens zu sehr die Aufmerksamkeit belegt, stenographisch Geschriebenes später<lb/>
schwer zu entziffern ist, z. B. bei den Satzkürzungen, und namentlich bei künst¬<lb/>
lichem Licht gelesen die Augen allzusehr angreift. ")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_706" next="#ID_707"> Connex mit der Frage nach der Schriftform ist die nach dem Tempo<lb/>
des Vertrags, eine überhaupt für jeden öffentlichen Redner höchst wichtige.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> ') Diese Bedenken des Herrn Verfassers gegen die stenographische Niederschrift von Kolle¬<lb/>
gienheften erscheine» nnr in dem Falle zutreffend, wenn entweder der Stenograph oder die<lb/><note type="byline"> D. Red.</note> stenographische Methode mangelhaft gebildet ist. </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0213] einzusehen, warum nicht jene Begriffe, z. B. der der Schenkung, der von Ver¬ äußerung überhaupt ze, dem Zuhörer gleich gedruckt vorgelegt wurden? Hier¬ durch wäre die ganze Zeit jener Rekapitulationen der Begriffe erspart, und Zeit für noch eingehendere Entwickelungen gewonnen worden. Uebrigens kann nach dem Vorgang der Vangerow'scheu Vorträge nicht genug empfohlen werden, allen juristischen Vorlesungen sogenannte Grundrisse zu Grunde zu legen; nur müssen sie mehr enthalten, als ein bloßes Paragraphen-Verzeichniß. Als ein Muster-Grundriß zu akademischen Zwecken dürfte wohl der Wind- scheid'sche Grundriß zu Pandekten-Vorlesungen (München 1862) hervorge¬ hoben werden, mit seiner vortrefflichen Auswahl von Quellen-Citaten und betreffender Quellen-Chrestomatie, auch Drucklegung mancher Lehren, welche der Zeitersparniß halber besser im Vortrage übergangen werden. Nur läßt sich auch hier fragen, warum der Tert zu den Begriffen der in den Paragraphen genannten Rechtsinstitute nicht auch mit gedruckt wurde? Die in Obigem nun dargestellte Vangerow'sche Lehrmethode, mit dem einzigen Zusätze einer weiteren Anwendung der Mittheilung von Gedruckten, dürfte wohl bei allen juristischen Vorlesungen, mit Ausnahme der historischen, mit größtem Nutzen anwendbar sein, da sie die Vortheile des mündlichen Vertrags mit den durch die Buchdruckerkunst gebotenen in der glücklichsten Weise vereinigt; möglich, daß sie die allerbeste Lehrmethode ist, was wir aber nicht zu entscheiden wagen, da die Acten über diese ebenso schwierige, als hochwichtige Frage noch keineswegs geschlossen sind; nur erübrigt hier noch die Berührung einiger besonderen Punkte. Im Verlaufe des Obigen wurde einigemale das Nachschreiben in Cur- rent-Schrift betont. Hiebei fragt es sich zunächst, ob denn der Student überhaupt nachschreiben soll? Wir antworten: er wird dies schon von selbst thun, wenn der Vortrag Tüchtiges bietet, und das wird selbst der jüngste Student gleich merken. Es ist aber auch wünschenswert!), daß er nachschreibt, weil er dann stets bei der Sache sein wird. Er soll freilich nicht gedankenlos nachschreiben wie bei dictirenden Vorträgen, sondern selbstthätig, denkend, das Gehörte gewissermaßen reproduzirend. Aber warum in Current-Schrift und nicht stenographisch? Weil bei letzterem der Mechanismus des Nieder¬ schreibens zu sehr die Aufmerksamkeit belegt, stenographisch Geschriebenes später schwer zu entziffern ist, z. B. bei den Satzkürzungen, und namentlich bei künst¬ lichem Licht gelesen die Augen allzusehr angreift. ") Connex mit der Frage nach der Schriftform ist die nach dem Tempo des Vertrags, eine überhaupt für jeden öffentlichen Redner höchst wichtige. ') Diese Bedenken des Herrn Verfassers gegen die stenographische Niederschrift von Kolle¬ gienheften erscheine» nnr in dem Falle zutreffend, wenn entweder der Stenograph oder die D. Red. stenographische Methode mangelhaft gebildet ist.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/213
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/213>, abgerufen am 24.08.2024.