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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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macht. -- Darum müssen die Unbilden alle zugleich geschehen, damit sie we¬
niger geschmeckt werden und weniger verletzen." Und an einer frühern Stelle:
"Daß man einer Unordnung niemals ihren Lauf lassen muß, um einem Kriege
zu entgehen, weil man ihm nicht entgeht, sondern ihn nur zu seinem Scha¬
den hinausschiebt." So zeigte sich Gustav in allen schwierigen Lagen: er
war Anfangs ruhig, ja nachgiebig, dann ging er mit äußerster Kühnheit vor
und immer weiter als seine Gegner auch nur ahnten. Es lassen sich demge¬
mäß drei Stadien in seinen Maßregeln sehr wohl unterscheiden. Vorbereitung,
Hauptschlag, Folgen desselben.

In jenem ersten Stadium sortirte Gustav, wie sich die Stände
zu seinen Maßnahmen stellen würden, da auf diese je nach dem ver¬
schiedenen Verhältniß derselben zur Hierarchie verschieden gewirkt werden
mußte. Die Bauern, obgleich auch sie nicht ohne Beschwerde besonders
gegen die Bettelmönche waren, standen doch wie heutzutage vornehmlich unter
dem geistigen und geistlichen Einfluß der Priester und können desselben auch
schwer entrathen; ihnen mußte also zunächst zum Bewußtsein gebracht wer¬
den, daß die römische Hierarchie Dinge lehre und betreibe, welche mit dem
Christenthum wenig zu thun haben. Das war aber damals sehr schwierig,
denn einmal sahen die Bauern in ihrer Absonderung die Priester, welche in
der unbedingten Abhängigkeit von den Bischöfen waren, als ihren geistigen
und religiösen Mittelpunkt an, sodann hatte der König keines der heuzutage
sehr wirksamen Mittel, entweder diesen geistigen Mittelpunkt den Bauern als
einen üblen und verkehrten zu erweisen und an seine Stelle einen andern zu
setzen oder aber die Priester selbst auf einen andern Weg zu bringen. Dieß
letztere war nur dann möglicl), wenn die den Bauernstand vollkommen be¬
herrschende Bischofsmacht gebrochen war. Damals ging der Sturm der luthe¬
rischen Lehre durch Europa. Gustav Wasa hatte ihn ins Land gelassen und
geleitet; Luthers Schüler Olaus und Laurentius Petri haben die ^neue Lehre
verkündigt und den König selbst sehen wir am Jahrmarkt des Erichstages
1526 auf einem der UpsalaHügel zu Roß halten, wie er dem umstehenden
Volk die Nutzlosigkeit des lateinischen Gottesdienstes und des Mönchslebens
auseinandergesetzt; wogegen die Bauern gerufen haben sollen, sie wollten ihre
Mönche behalten, sie würden sie schon selbst nähren und füttern. In dem¬
selben Jahre schreibt er an die Helsinger -- mit den Dalekarliern seine frühesten
Anhänger -- er wolle keine neue Religion stiften, sondern nur die Mißbräuche
abstellen. Die Priester und Mönche, sagt er, bringen uns in ein solches Gerede,
weil wir ihr Ungesetzliches tadeln; als da ist, daß sie, wenn ihnen einer etwas
schuldig ist, ihm das Sacrament verweigern, anstatt die Forderung gerichtlich
beizutreiben; daß wenn ein armer Mann am Feiertag einen Vogel erlegt oder
sich eine Schüssel Fische holt, er sogleich an den Bischof und an den Prediger


macht. — Darum müssen die Unbilden alle zugleich geschehen, damit sie we¬
niger geschmeckt werden und weniger verletzen." Und an einer frühern Stelle:
„Daß man einer Unordnung niemals ihren Lauf lassen muß, um einem Kriege
zu entgehen, weil man ihm nicht entgeht, sondern ihn nur zu seinem Scha¬
den hinausschiebt." So zeigte sich Gustav in allen schwierigen Lagen: er
war Anfangs ruhig, ja nachgiebig, dann ging er mit äußerster Kühnheit vor
und immer weiter als seine Gegner auch nur ahnten. Es lassen sich demge¬
mäß drei Stadien in seinen Maßregeln sehr wohl unterscheiden. Vorbereitung,
Hauptschlag, Folgen desselben.

In jenem ersten Stadium sortirte Gustav, wie sich die Stände
zu seinen Maßnahmen stellen würden, da auf diese je nach dem ver¬
schiedenen Verhältniß derselben zur Hierarchie verschieden gewirkt werden
mußte. Die Bauern, obgleich auch sie nicht ohne Beschwerde besonders
gegen die Bettelmönche waren, standen doch wie heutzutage vornehmlich unter
dem geistigen und geistlichen Einfluß der Priester und können desselben auch
schwer entrathen; ihnen mußte also zunächst zum Bewußtsein gebracht wer¬
den, daß die römische Hierarchie Dinge lehre und betreibe, welche mit dem
Christenthum wenig zu thun haben. Das war aber damals sehr schwierig,
denn einmal sahen die Bauern in ihrer Absonderung die Priester, welche in
der unbedingten Abhängigkeit von den Bischöfen waren, als ihren geistigen
und religiösen Mittelpunkt an, sodann hatte der König keines der heuzutage
sehr wirksamen Mittel, entweder diesen geistigen Mittelpunkt den Bauern als
einen üblen und verkehrten zu erweisen und an seine Stelle einen andern zu
setzen oder aber die Priester selbst auf einen andern Weg zu bringen. Dieß
letztere war nur dann möglicl), wenn die den Bauernstand vollkommen be¬
herrschende Bischofsmacht gebrochen war. Damals ging der Sturm der luthe¬
rischen Lehre durch Europa. Gustav Wasa hatte ihn ins Land gelassen und
geleitet; Luthers Schüler Olaus und Laurentius Petri haben die ^neue Lehre
verkündigt und den König selbst sehen wir am Jahrmarkt des Erichstages
1526 auf einem der UpsalaHügel zu Roß halten, wie er dem umstehenden
Volk die Nutzlosigkeit des lateinischen Gottesdienstes und des Mönchslebens
auseinandergesetzt; wogegen die Bauern gerufen haben sollen, sie wollten ihre
Mönche behalten, sie würden sie schon selbst nähren und füttern. In dem¬
selben Jahre schreibt er an die Helsinger — mit den Dalekarliern seine frühesten
Anhänger — er wolle keine neue Religion stiften, sondern nur die Mißbräuche
abstellen. Die Priester und Mönche, sagt er, bringen uns in ein solches Gerede,
weil wir ihr Ungesetzliches tadeln; als da ist, daß sie, wenn ihnen einer etwas
schuldig ist, ihm das Sacrament verweigern, anstatt die Forderung gerichtlich
beizutreiben; daß wenn ein armer Mann am Feiertag einen Vogel erlegt oder
sich eine Schüssel Fische holt, er sogleich an den Bischof und an den Prediger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/172>, abgerufen am 22.12.2024.