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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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uns hier zuwenden: seinen Maßregeln gegen die jeder Königsgewalt, und
insbesondere der seinen feindseligen Mächte, die damals wie heutzutage in
allen Staaten nur mächtige Sonderinteressen und außernationale Tendenzen
verfolgen.

Als Gustav kurz nach seiner Königswahl einem Gastmahl zu Upsala
beiwohnte, und ihm der Erzbischof zurief: "Unsere Gnaden trinken Euer Gna¬
den zu", soll Gustav geantwortet haben: "Deine Gnaden und unsere Gnaden
haben nicht Raum unter einem Dach." Und Gustav hat sich Raum ge¬
schaffen. Seine Operationen sind hier von dem Gedanken bestimmt, daß alle
Versuche vergebens sein würden, den Klerus vom offenen Kampf zurückzu¬
schrecken und ihn zur freiwilligen Räumung wenigstens eines Theils seiner
vorgeschobenen Positionen zu vermögen. Zu dieser Erkenntniß wurde er
durch den Ausgang und Mißerfolg der Versuche geführt, welche die Sturm
in dieser Richtung gemacht hatten. Uns sollte diese Erkenntniß noch leichter
werden, denn uns liegen die historischen Resultate von Jahrhunderten vor,
welche sammt und sonders die endliche Resultatlosigkeit solcher Versuche
strict beweisen. -- Gustav mußte somit darauf bedacht sein, Maßregeln zu
ergreifen, die dem Klerus alle und jede Macht ein für allemal im Staate
nehmen. Gustav konnte sich nicht verhehlen, daß dies Unternehmen von den
größten Schwierigkeiten begleitet war; in Schweden hatten schon minder tief¬
greifende Maßregeln manchem König die Krone gekostet. Er mußte seinen
Weg unter Beobachtung zweier Gesichtspunkte wählen: des rein staatlichen
und materiellen und des religiösen und geistigen. Die Hierarchie mußte ihrer
materiellen und geistlichen Macht entkleidet werden; die Stände mußten nach
denselben Beziehungen der hierarchischen Macht entzogen, resp, durch bezügliche
Verleihungen auf des Königs Seite gezogen werden. -- Man darf dem König
nicht als allzu großen politischen Fehler anrechnen, daß er zunächst doch einen
Versuch machte, einen Theil der Prälaten für sich zu gewinnen. Bis auf
zwei Bischofssitze waren alle erledigt; er besetzte diese mit vermeintlichen Freun¬
den; aber sie waren die ersten, welche die Fahne des offenen Aufruhrs er¬
hoben; freilich mußten zwei mit dem Kopfe dafür büßen. -- Bekannt ist,
daß Karl V. alle seine Operationen in der Art in Angriff nahm, daß er sich
zunächst gründlich über die Sachlage orientirte, dann den Feind beobachtete,
hin und her verhandelte, seine Borbereitungen traf und dann, wenn der gün¬
stige Moment eingetreten schien, Schlag auf Schlag dem Gegner versetzte:
hat ja doch auch Machiavelli im "Fürst" am Ende des 8. Kapitels gesagt:
"Es ist zu bemerken, daß bei Ergreifung einer Regierung, der, welcher sich
ihrer bemächtigt, alle Verletzungen, die er auszuüben gezwungen ist, erwägen
und sie alle auf einen Schlag ausüben muß, damit er sie nicht jeden Tag
zu erneuern braucht und durch Nichterneuerung derselben die Menschen sicher


uns hier zuwenden: seinen Maßregeln gegen die jeder Königsgewalt, und
insbesondere der seinen feindseligen Mächte, die damals wie heutzutage in
allen Staaten nur mächtige Sonderinteressen und außernationale Tendenzen
verfolgen.

Als Gustav kurz nach seiner Königswahl einem Gastmahl zu Upsala
beiwohnte, und ihm der Erzbischof zurief: „Unsere Gnaden trinken Euer Gna¬
den zu", soll Gustav geantwortet haben: „Deine Gnaden und unsere Gnaden
haben nicht Raum unter einem Dach." Und Gustav hat sich Raum ge¬
schaffen. Seine Operationen sind hier von dem Gedanken bestimmt, daß alle
Versuche vergebens sein würden, den Klerus vom offenen Kampf zurückzu¬
schrecken und ihn zur freiwilligen Räumung wenigstens eines Theils seiner
vorgeschobenen Positionen zu vermögen. Zu dieser Erkenntniß wurde er
durch den Ausgang und Mißerfolg der Versuche geführt, welche die Sturm
in dieser Richtung gemacht hatten. Uns sollte diese Erkenntniß noch leichter
werden, denn uns liegen die historischen Resultate von Jahrhunderten vor,
welche sammt und sonders die endliche Resultatlosigkeit solcher Versuche
strict beweisen. — Gustav mußte somit darauf bedacht sein, Maßregeln zu
ergreifen, die dem Klerus alle und jede Macht ein für allemal im Staate
nehmen. Gustav konnte sich nicht verhehlen, daß dies Unternehmen von den
größten Schwierigkeiten begleitet war; in Schweden hatten schon minder tief¬
greifende Maßregeln manchem König die Krone gekostet. Er mußte seinen
Weg unter Beobachtung zweier Gesichtspunkte wählen: des rein staatlichen
und materiellen und des religiösen und geistigen. Die Hierarchie mußte ihrer
materiellen und geistlichen Macht entkleidet werden; die Stände mußten nach
denselben Beziehungen der hierarchischen Macht entzogen, resp, durch bezügliche
Verleihungen auf des Königs Seite gezogen werden. — Man darf dem König
nicht als allzu großen politischen Fehler anrechnen, daß er zunächst doch einen
Versuch machte, einen Theil der Prälaten für sich zu gewinnen. Bis auf
zwei Bischofssitze waren alle erledigt; er besetzte diese mit vermeintlichen Freun¬
den; aber sie waren die ersten, welche die Fahne des offenen Aufruhrs er¬
hoben; freilich mußten zwei mit dem Kopfe dafür büßen. — Bekannt ist,
daß Karl V. alle seine Operationen in der Art in Angriff nahm, daß er sich
zunächst gründlich über die Sachlage orientirte, dann den Feind beobachtete,
hin und her verhandelte, seine Borbereitungen traf und dann, wenn der gün¬
stige Moment eingetreten schien, Schlag auf Schlag dem Gegner versetzte:
hat ja doch auch Machiavelli im „Fürst" am Ende des 8. Kapitels gesagt:
„Es ist zu bemerken, daß bei Ergreifung einer Regierung, der, welcher sich
ihrer bemächtigt, alle Verletzungen, die er auszuüben gezwungen ist, erwägen
und sie alle auf einen Schlag ausüben muß, damit er sie nicht jeden Tag
zu erneuern braucht und durch Nichterneuerung derselben die Menschen sicher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/171>, abgerufen am 22.07.2024.