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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Commission nieder, um zu prüfen, mit welchen Mitteln dem Gewerke aufzu¬
helfen sei. Nach einigen Sitzungen berief die Commission Delegirte von jeder
Werkstatt, welche den Plan guthießen, und nachdem die Delegation diese Aus¬
einandersetzung jeder Werkstatt zugestellt hatte, wurde sie einmüthig, mit Aus¬
nahme weniger Stimmen, angenommen. Von 47 unserer Arbeitgeber lehnten
36 die Sache ab, sie nahmen unsere Forderungen mit Verachtung auf, und
mehrere unter ihnen antworteten: Wir werden abwarten, bis Ihr Hunger
kriegt. Vor so viel Geringschätzung beschloß die folgende Versammlung
mündlich und schriftlich die Arbeitseinstellung bis zum Aeußersten. Man
schwor bei seiner Ehre, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen, bevor nicht unsere
Forderungen vollständig bewilligt wären, und ich machte den Vorschlag, alle-
sammt der Internationale beizutreten. Die versammelten acht- oder neun¬
hundert Mitglieder des Gewerks traten bloc ein, unterzeichneten ihren
Beitritt auf der Stelle und ernannten sogleich vier Delegirte, die sie beim
Pariser Föderalrathe vertreten sollten. Ich bin einer dieser Abgeordneten,
Bertin ist ein zweiter."

Die Thatsachen, welche Duval und Bertin erzählen, sind nach Ville-
tard in Frankreich die Regel: jede Arbeitseinstellung, endige sie mit
einem Siege oder einer Niederlage, hat dort zum unausbleiblichen Ergebniß
den Anschluß fast aller dabei betheiligten Arbeiter an die Internationale
gehabt.

Die Zukunft, welche die Geschichte dieses Bundes weiter ausheilen wird,
wird auch zeigen, daß fast bei allen Arbeitseinstellungen die Internationale
betheiligt gewesen ist. Gegenwärtig ist vieles von diesem Einfluß noch in
Dunkel gehüllt, und wir müssen uns mit dem begnügen, was sich mit Sicher¬
heit errathen läßt. Hierbei aber wird man uns vielleicht Dank wissen, wenn
wir, statt einen flüchtigen Ueberblick über die hauptsächlichsten Strikes in der
französischen und belgischen Arbeiterwelt zu geben, nur ein paar derselben,
diese aber eingehender, ins Auge fassen. Sie mögen als Typen dieser
Vorgänge angesehen werden. Wir werden dabei wieder einige schöne Pröb-
chen der Beredsamkeit anzuführen haben, welche die Publicisten der Inter¬
nationale bei solchen Gelegenheiten entwickeln. Auch wird man bemerken, daß
der Fortschritt der Ideen, auf den wir in dem Abschnitt über die Congresse
aufmerksam zu machen hatten, sich auch bei den Coalitionen kund giebt. Die
Heftigkeit der Leidenschaften und der Sprache steigert sich fortwährend, und
die Führer der Arbeiter, welche sich in den ersten Jahren zur Noth noch
erlauben dürfen, öffentlich die Unthaten ihrer Soldaten zu tadeln, sind in
der letzten Zeib gezwungen, vor deren verdammenswerthesten Ausschreitungen
d!e Augen zu schließen und die Blitze ihrer Eloquenz lediglich gegen die Ver-


Commission nieder, um zu prüfen, mit welchen Mitteln dem Gewerke aufzu¬
helfen sei. Nach einigen Sitzungen berief die Commission Delegirte von jeder
Werkstatt, welche den Plan guthießen, und nachdem die Delegation diese Aus¬
einandersetzung jeder Werkstatt zugestellt hatte, wurde sie einmüthig, mit Aus¬
nahme weniger Stimmen, angenommen. Von 47 unserer Arbeitgeber lehnten
36 die Sache ab, sie nahmen unsere Forderungen mit Verachtung auf, und
mehrere unter ihnen antworteten: Wir werden abwarten, bis Ihr Hunger
kriegt. Vor so viel Geringschätzung beschloß die folgende Versammlung
mündlich und schriftlich die Arbeitseinstellung bis zum Aeußersten. Man
schwor bei seiner Ehre, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen, bevor nicht unsere
Forderungen vollständig bewilligt wären, und ich machte den Vorschlag, alle-
sammt der Internationale beizutreten. Die versammelten acht- oder neun¬
hundert Mitglieder des Gewerks traten bloc ein, unterzeichneten ihren
Beitritt auf der Stelle und ernannten sogleich vier Delegirte, die sie beim
Pariser Föderalrathe vertreten sollten. Ich bin einer dieser Abgeordneten,
Bertin ist ein zweiter."

Die Thatsachen, welche Duval und Bertin erzählen, sind nach Ville-
tard in Frankreich die Regel: jede Arbeitseinstellung, endige sie mit
einem Siege oder einer Niederlage, hat dort zum unausbleiblichen Ergebniß
den Anschluß fast aller dabei betheiligten Arbeiter an die Internationale
gehabt.

Die Zukunft, welche die Geschichte dieses Bundes weiter ausheilen wird,
wird auch zeigen, daß fast bei allen Arbeitseinstellungen die Internationale
betheiligt gewesen ist. Gegenwärtig ist vieles von diesem Einfluß noch in
Dunkel gehüllt, und wir müssen uns mit dem begnügen, was sich mit Sicher¬
heit errathen läßt. Hierbei aber wird man uns vielleicht Dank wissen, wenn
wir, statt einen flüchtigen Ueberblick über die hauptsächlichsten Strikes in der
französischen und belgischen Arbeiterwelt zu geben, nur ein paar derselben,
diese aber eingehender, ins Auge fassen. Sie mögen als Typen dieser
Vorgänge angesehen werden. Wir werden dabei wieder einige schöne Pröb-
chen der Beredsamkeit anzuführen haben, welche die Publicisten der Inter¬
nationale bei solchen Gelegenheiten entwickeln. Auch wird man bemerken, daß
der Fortschritt der Ideen, auf den wir in dem Abschnitt über die Congresse
aufmerksam zu machen hatten, sich auch bei den Coalitionen kund giebt. Die
Heftigkeit der Leidenschaften und der Sprache steigert sich fortwährend, und
die Führer der Arbeiter, welche sich in den ersten Jahren zur Noth noch
erlauben dürfen, öffentlich die Unthaten ihrer Soldaten zu tadeln, sind in
der letzten Zeib gezwungen, vor deren verdammenswerthesten Ausschreitungen
d!e Augen zu schließen und die Blitze ihrer Eloquenz lediglich gegen die Ver-


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[0140] Commission nieder, um zu prüfen, mit welchen Mitteln dem Gewerke aufzu¬ helfen sei. Nach einigen Sitzungen berief die Commission Delegirte von jeder Werkstatt, welche den Plan guthießen, und nachdem die Delegation diese Aus¬ einandersetzung jeder Werkstatt zugestellt hatte, wurde sie einmüthig, mit Aus¬ nahme weniger Stimmen, angenommen. Von 47 unserer Arbeitgeber lehnten 36 die Sache ab, sie nahmen unsere Forderungen mit Verachtung auf, und mehrere unter ihnen antworteten: Wir werden abwarten, bis Ihr Hunger kriegt. Vor so viel Geringschätzung beschloß die folgende Versammlung mündlich und schriftlich die Arbeitseinstellung bis zum Aeußersten. Man schwor bei seiner Ehre, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen, bevor nicht unsere Forderungen vollständig bewilligt wären, und ich machte den Vorschlag, alle- sammt der Internationale beizutreten. Die versammelten acht- oder neun¬ hundert Mitglieder des Gewerks traten bloc ein, unterzeichneten ihren Beitritt auf der Stelle und ernannten sogleich vier Delegirte, die sie beim Pariser Föderalrathe vertreten sollten. Ich bin einer dieser Abgeordneten, Bertin ist ein zweiter." Die Thatsachen, welche Duval und Bertin erzählen, sind nach Ville- tard in Frankreich die Regel: jede Arbeitseinstellung, endige sie mit einem Siege oder einer Niederlage, hat dort zum unausbleiblichen Ergebniß den Anschluß fast aller dabei betheiligten Arbeiter an die Internationale gehabt. Die Zukunft, welche die Geschichte dieses Bundes weiter ausheilen wird, wird auch zeigen, daß fast bei allen Arbeitseinstellungen die Internationale betheiligt gewesen ist. Gegenwärtig ist vieles von diesem Einfluß noch in Dunkel gehüllt, und wir müssen uns mit dem begnügen, was sich mit Sicher¬ heit errathen läßt. Hierbei aber wird man uns vielleicht Dank wissen, wenn wir, statt einen flüchtigen Ueberblick über die hauptsächlichsten Strikes in der französischen und belgischen Arbeiterwelt zu geben, nur ein paar derselben, diese aber eingehender, ins Auge fassen. Sie mögen als Typen dieser Vorgänge angesehen werden. Wir werden dabei wieder einige schöne Pröb- chen der Beredsamkeit anzuführen haben, welche die Publicisten der Inter¬ nationale bei solchen Gelegenheiten entwickeln. Auch wird man bemerken, daß der Fortschritt der Ideen, auf den wir in dem Abschnitt über die Congresse aufmerksam zu machen hatten, sich auch bei den Coalitionen kund giebt. Die Heftigkeit der Leidenschaften und der Sprache steigert sich fortwährend, und die Führer der Arbeiter, welche sich in den ersten Jahren zur Noth noch erlauben dürfen, öffentlich die Unthaten ihrer Soldaten zu tadeln, sind in der letzten Zeib gezwungen, vor deren verdammenswerthesten Ausschreitungen d!e Augen zu schließen und die Blitze ihrer Eloquenz lediglich gegen die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/140>, abgerufen am 22.07.2024.