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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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werde. Weite Flächen, die den Plantagenbesitzern gehören, liegen unbebaut
und zahlen keine Grundsteuer. Zu dieser sollen jetzt auch die brach liegenden
Flächen, von denen manche ein deutsches Herzogthum an Ausdehnung über¬
treffen, herangezogen werden.

Was die Beschaffung von Colonisten anbelangt, so ist man bekanntlich
in vielen Ländern, wo die Neger ihre permanenten Strikes mit vielem Erfolg
durchsetzten, auf die Einführung asiatischer Kukis verfallen. Die Chinesen
haben sich überall vorzüglich bewährt, aber dadurch Unbequemlichkeiten veran¬
laßt, daß sie absolut Chinesen bleiben und sich nicht in die Verhältnisse des
neuen Landes einordnen. Ihr Fleiß, ihre Nüchternheit und Findigkeit machen
sie zu sehr gefährlichen Concurrenten des weißen Mannes, und Rassenhaß
mit obligater Chinesenermordung, wie in Californien oder Australien, ist
die Folge. Dieses vor Augen, erklärte der brasilianische Ackerbauminister sich
gegen die Kulieinfuhr. Er verlangt dagegen nach europäischen Einwanderern,
will die Einwanderung auf alle mögliche Weise gefördert sehen und wirft,
wie gewöhnlich, sein Auge auf die Deutschen. Aber abgesehen von den drei
im gemäßigten Klima liegenden Provinzen Santa Catarina, Rio grande do
Sui und Parana, wo das deutsche Element bereits zu einer Macht geworden
ist, muß vor einer Einwanderung unserer Landsleute nach Brasilien entschie¬
den gewarnt werden. Nördlich von Santa Catarina sagt das Klima dem
deutschen Feldarbeiter nicht mehr zu; auch begeht er einen schweren Fehler,
wenn er nicht als freier Ansiedler auftritt, sondern sich in irgend ein Ab¬
hängigkeitsverhältniß begiebt. Die brasilianische Regierung tastet im Finstern,
so lange sie nicht die nordamerikanische Methode des Verkaufs von Staats-
ländereien einführt und ihren Wahn, durch reglementirte Colonieen die Pro¬
duktion zu fördern, aufgiebt.

Die Frage, ob es gerathen sei, daß der deutsche Auswanderer Brasilien
als Ziel wähle, ist von unsrer Presse genügend erörtert, ja selbst mit Leiden¬
schaft besprochen worden, und die Meinungen sind heftig aufeinandergeplatzt.
Mit den Schändlichkeiten der sogenannten Parceria-Verträge vor Augen, welche
früher deutsche Einwanderer in Brasilien förmlich zu Sclaven stempelten, die
heute aber ein überwundener Standpunkt sind, verbot Preußen und einige
andere Staaten den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsagenten für Bra¬
silien, so daß zwar nicht verboten ist, dorthin auszuwandern oder an Aus¬
wanderer dorthin Schiffsplätze zu vergeben, wohl aber zwischen dem Rheder
und dem Auswanderer die sonst überall zulässige und thatsächlich unentbehr¬
liche Vermittlung wegfällt. Das ist ein großes Hinderniß und die Zunahme
der deutschen Colonien in Südbrasilien, die lebhaft das Einströmen neuer
Landsleute wünschen, ist dadurch sehr beschränkt. Für uns fragt es sich hier:
mit welchem Recht durch einen bloßen Ministerialerlaß es dem deutschen Ein-


werde. Weite Flächen, die den Plantagenbesitzern gehören, liegen unbebaut
und zahlen keine Grundsteuer. Zu dieser sollen jetzt auch die brach liegenden
Flächen, von denen manche ein deutsches Herzogthum an Ausdehnung über¬
treffen, herangezogen werden.

Was die Beschaffung von Colonisten anbelangt, so ist man bekanntlich
in vielen Ländern, wo die Neger ihre permanenten Strikes mit vielem Erfolg
durchsetzten, auf die Einführung asiatischer Kukis verfallen. Die Chinesen
haben sich überall vorzüglich bewährt, aber dadurch Unbequemlichkeiten veran¬
laßt, daß sie absolut Chinesen bleiben und sich nicht in die Verhältnisse des
neuen Landes einordnen. Ihr Fleiß, ihre Nüchternheit und Findigkeit machen
sie zu sehr gefährlichen Concurrenten des weißen Mannes, und Rassenhaß
mit obligater Chinesenermordung, wie in Californien oder Australien, ist
die Folge. Dieses vor Augen, erklärte der brasilianische Ackerbauminister sich
gegen die Kulieinfuhr. Er verlangt dagegen nach europäischen Einwanderern,
will die Einwanderung auf alle mögliche Weise gefördert sehen und wirft,
wie gewöhnlich, sein Auge auf die Deutschen. Aber abgesehen von den drei
im gemäßigten Klima liegenden Provinzen Santa Catarina, Rio grande do
Sui und Parana, wo das deutsche Element bereits zu einer Macht geworden
ist, muß vor einer Einwanderung unserer Landsleute nach Brasilien entschie¬
den gewarnt werden. Nördlich von Santa Catarina sagt das Klima dem
deutschen Feldarbeiter nicht mehr zu; auch begeht er einen schweren Fehler,
wenn er nicht als freier Ansiedler auftritt, sondern sich in irgend ein Ab¬
hängigkeitsverhältniß begiebt. Die brasilianische Regierung tastet im Finstern,
so lange sie nicht die nordamerikanische Methode des Verkaufs von Staats-
ländereien einführt und ihren Wahn, durch reglementirte Colonieen die Pro¬
duktion zu fördern, aufgiebt.

Die Frage, ob es gerathen sei, daß der deutsche Auswanderer Brasilien
als Ziel wähle, ist von unsrer Presse genügend erörtert, ja selbst mit Leiden¬
schaft besprochen worden, und die Meinungen sind heftig aufeinandergeplatzt.
Mit den Schändlichkeiten der sogenannten Parceria-Verträge vor Augen, welche
früher deutsche Einwanderer in Brasilien förmlich zu Sclaven stempelten, die
heute aber ein überwundener Standpunkt sind, verbot Preußen und einige
andere Staaten den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsagenten für Bra¬
silien, so daß zwar nicht verboten ist, dorthin auszuwandern oder an Aus¬
wanderer dorthin Schiffsplätze zu vergeben, wohl aber zwischen dem Rheder
und dem Auswanderer die sonst überall zulässige und thatsächlich unentbehr¬
liche Vermittlung wegfällt. Das ist ein großes Hinderniß und die Zunahme
der deutschen Colonien in Südbrasilien, die lebhaft das Einströmen neuer
Landsleute wünschen, ist dadurch sehr beschränkt. Für uns fragt es sich hier:
mit welchem Recht durch einen bloßen Ministerialerlaß es dem deutschen Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/131>, abgerufen am 22.07.2024.