Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.vor durch seine französischen Artikel über Adam Lux in der "Revue Moderne", Am Ende dieser Schilderung eines reichen vielbewegten Manneslebens Federzeichnungen aus Mszland von F. savent. Es gehört kein langer Aufenthalt in Rußland dazu, um zu erkennen, daß vor durch seine französischen Artikel über Adam Lux in der „Revue Moderne", Am Ende dieser Schilderung eines reichen vielbewegten Manneslebens Federzeichnungen aus Mszland von F. savent. Es gehört kein langer Aufenthalt in Rußland dazu, um zu erkennen, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127503"/> <p xml:id="ID_334" prev="#ID_333"> vor durch seine französischen Artikel über Adam Lux in der „Revue Moderne",<lb/> durch seine Schilderung der deutschen Colonie in Paris in dem „Paris Guide"<lb/> ein geschätzter Autor geworden. In unserer Muttersprache hat er in neuester<lb/> Zeit eine sehr verdienstvolle Abhandlung über die Mahl- und Schlachtsteuer<lb/> in Fauchers Vierteljahrsschrift geschrieben, und durch die Herausgabe des<lb/> „Repertorium des deutschen Reichstags, Berlin, I. Guttentag 1871" einem<lb/> wirklichen Bedürfniß abgeholfen. Kaum ein Jahr vergeht, ohne daß er dieser<lb/> eifrigen fruchtbringenden Thätigkeit als Abgeordneter und Publicist ein neues<lb/> würdiges Blatt hinzufügte.</p><lb/> <p xml:id="ID_335"> Am Ende dieser Schilderung eines reichen vielbewegten Manneslebens<lb/> kehren wir zurück zu dem Gedanken, von welchem wir ausgingen. Im Grunde<lb/> ist es nichts als das Ueberwuchern französischer Staatsauffassung, jenes tiefsten<lb/> Mißtrauens gegen alle Organe der Staatsgewalt, und jedes dieser Organe<lb/> und Glieder untereinander, welche das Auge eines so begabten Mannes, wie<lb/> Ludwig Simon, auf die Dauer staarblind machte gegen die Fortschritte der<lb/> deutschen Entwickelung; welche Ludwig Bamberger erst auf den weiten Um¬<lb/> wegen über das „Wolfseck" und den pfälzischen Aufstand, die Schweiz, Eng¬<lb/> land, die Niederlande und Frankreich in das Lager der heutigen deutschen<lb/> nationalen gelangen ließ. Französische Ideen und Vorurtheile waren es, welche das<lb/> aufstrebende deutsche Geschlecht von 1830 und 1848 rückhaltlos und froh¬<lb/> gläubig als die seinen anerkannte. Französische Anschauungen nicht minder,<lb/> obwohl des Effectes halber für eigenartig deutsche ausgegeben, beherrschen die par-<lb/> lamentarische Opposition Deutschlands in dem Anfang der sechsziger Jahre so<lb/> gut, wie heute noch deren Nachfolger. Bei diesen zeigt sich die französische Illusion<lb/> von der „Theilung der Gewalten", von den „unveräußerlichen Grundrechten der<lb/> Bürger" u. s. w. in hundert Synonymen und ebenso zweideutigen deutschen<lb/> Schlagwörtern. Die neue Zeit und das Beispiel der Besten des Volkes be¬<lb/> ginnt unsere Jugend zu einer neuen Lehre zu erziehen: zur Lehre von der<lb/> Pflicht gegen den deutschen Staat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Federzeichnungen aus Mszland<lb/><note type="byline"> von F. savent.</note></head><lb/> <p xml:id="ID_336" next="#ID_337"> Es gehört kein langer Aufenthalt in Rußland dazu, um zu erkennen, daß<lb/> man sich bei uns in Deutschland eine ziemlich verkehrte und jedenfalls eine<lb/> ganz unvollständige Vorstellung von dem Zarenreiche macht. Wir spotten<lb/> so oft der Franzosen über ihre Unkenntniß von Land und Leuten in Deutsch¬<lb/> land, und es ist wahr, die französische Ignoranz in diesen Dingen ist ebenso<lb/> groß, wie die französische Arroganz, mit der sie noch heutigen Tages andere<lb/> Nationen über die Achsel ansehen. Aber uns Deutsche trifft beinahe derselbe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
vor durch seine französischen Artikel über Adam Lux in der „Revue Moderne",
durch seine Schilderung der deutschen Colonie in Paris in dem „Paris Guide"
ein geschätzter Autor geworden. In unserer Muttersprache hat er in neuester
Zeit eine sehr verdienstvolle Abhandlung über die Mahl- und Schlachtsteuer
in Fauchers Vierteljahrsschrift geschrieben, und durch die Herausgabe des
„Repertorium des deutschen Reichstags, Berlin, I. Guttentag 1871" einem
wirklichen Bedürfniß abgeholfen. Kaum ein Jahr vergeht, ohne daß er dieser
eifrigen fruchtbringenden Thätigkeit als Abgeordneter und Publicist ein neues
würdiges Blatt hinzufügte.
Am Ende dieser Schilderung eines reichen vielbewegten Manneslebens
kehren wir zurück zu dem Gedanken, von welchem wir ausgingen. Im Grunde
ist es nichts als das Ueberwuchern französischer Staatsauffassung, jenes tiefsten
Mißtrauens gegen alle Organe der Staatsgewalt, und jedes dieser Organe
und Glieder untereinander, welche das Auge eines so begabten Mannes, wie
Ludwig Simon, auf die Dauer staarblind machte gegen die Fortschritte der
deutschen Entwickelung; welche Ludwig Bamberger erst auf den weiten Um¬
wegen über das „Wolfseck" und den pfälzischen Aufstand, die Schweiz, Eng¬
land, die Niederlande und Frankreich in das Lager der heutigen deutschen
nationalen gelangen ließ. Französische Ideen und Vorurtheile waren es, welche das
aufstrebende deutsche Geschlecht von 1830 und 1848 rückhaltlos und froh¬
gläubig als die seinen anerkannte. Französische Anschauungen nicht minder,
obwohl des Effectes halber für eigenartig deutsche ausgegeben, beherrschen die par-
lamentarische Opposition Deutschlands in dem Anfang der sechsziger Jahre so
gut, wie heute noch deren Nachfolger. Bei diesen zeigt sich die französische Illusion
von der „Theilung der Gewalten", von den „unveräußerlichen Grundrechten der
Bürger" u. s. w. in hundert Synonymen und ebenso zweideutigen deutschen
Schlagwörtern. Die neue Zeit und das Beispiel der Besten des Volkes be¬
ginnt unsere Jugend zu einer neuen Lehre zu erziehen: zur Lehre von der
Pflicht gegen den deutschen Staat.
Federzeichnungen aus Mszland
von F. savent.
Es gehört kein langer Aufenthalt in Rußland dazu, um zu erkennen, daß
man sich bei uns in Deutschland eine ziemlich verkehrte und jedenfalls eine
ganz unvollständige Vorstellung von dem Zarenreiche macht. Wir spotten
so oft der Franzosen über ihre Unkenntniß von Land und Leuten in Deutsch¬
land, und es ist wahr, die französische Ignoranz in diesen Dingen ist ebenso
groß, wie die französische Arroganz, mit der sie noch heutigen Tages andere
Nationen über die Achsel ansehen. Aber uns Deutsche trifft beinahe derselbe
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